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© dpa

Wettkampf des Tages: Quarkwickel für den Star

Bei der Abfahrt der Frauen tritt die angeschlagene Lindsey Vonn nicht bloß gegen ihre Freundin Maria Riesch an, sondern auch gegen den Erwartungsdruck in ihrer Heimat USA.

Es hat zwar keine große Bedeutung, aber irgendwie wäre es trotzdem ganz nett zu wissen, wie viel Quark Oliver Saringer in den vergangenen Tagen auf die Wade geschmiert und dann umwickelt hat. Einfach nur so, weil man ja so viel erfährt von Lindsey Vonn in letzter Zeit. Es müssen viele Pfunde Quark gewesen sein, definitiv. Schließlich muss Vonn bis heute wieder richtig einsatzbereit werden, trotz ihres verletzten rechten Schienbeins. Heute ist die Abfahrt der Frauen. Dann wird man ja sehen, wie die Wadenwickel-Kur ihres Physiotherapeuten angeschlagen hat.

Wenn’s bloß um ein schmerzendes Schienbein ginge, dann wäre das ein Detail von vielen bei Olympia. Aber Lindsey Vonn aus Vail in Colorado, USA, ist ein Markenprodukt, Kern einer Geschäftsphilosophie. Natürlich verkündete sie zuerst in der Today Show des Olympiasenders NBC, dass sie kurz vor Vancouver beim Slalom-Training in Österreich gestürzt ist und dass es verdammt wehgetan hatte, als sie im Hotelzimmer in den Skischuh steigen wollte. Erst dann erzählte sie das Gleiche in einer Pressekonferenz.

Der US-Fernsehsender NBC will sie als Gesicht der Olympischen Spiele verkaufen, als Gesamtkunstwerk. Junge, attraktive Frau mit langen, blonden Haaren, Chancen auf fünf Goldmedaillen, zweimalige Gesamt-Weltcupsiegerin, zweimalige Weltmeisterin von 2009, überragende Abfahrerin dieser Saison. NBC stellt sie in den Mittelpunkt seiner Kampagne für die Olympischen Spiele. „Verpassen sie Vonn-couver nicht“, hämmert der Sender seinen Zuschauern immer wieder ein. In Whistler sagte Bill Marolt, Generaldirektor des US-Skiverbands, den Reportern: „Sie ist das ganze Paket.“

Vonn soll in den USA das Gesicht der olympischen Spiele werden

Sie ist es deshalb, weil gerade keine US-Eiskunstläuferin von Weltniveau zur Verfügung steht. Traditionell steht eigentlich einer Eis-Prinzessin diese Rolle zu. So aber taucht Vonn auf dem Titel von „Sports Illustrated“ auf, mit wehenden Haaren und in Abfahrtshaltung. Daraufhin kreischten, wie nicht anders zu erwarten, Puristen in den USA von „sexistischen Posen“, sehr zur Freude von NBC und Vonns Management. Der Hype um die 25-Jährige wurde damit befeuert.

Natürlich gehört auch Oliver Saringer zur Kampagne. Der Physiotherapeut wird von ihrem österreichischen Hauptsponsor gestellt. Der stellt dem Skistar dazu noch einen Abfahrts- und einen Konditionstrainer, und Gatte Thomas, früher selbst Rennfahrer, redet natürlich auch mit. Er hat seine Frau überzeugt, mit Männer-Ski die Abfahrtspiste runterzujagen. Vonn gehört zu den fittesten und stärksten Frauen im Skizirkus, deshalb kommt sie mit den langen Skiern klar.

Sie trat in TV-Shows auf, absolvierte eine Werbetour durch große US-Städte und drehte drei Werbespots. Die werden zurzeit in den ganzen USA ausgestrahlt. Logisch, dass ein Manager für sie nicht reicht. Sie hat drei.

Und dann natürlich noch dieses Duell mit Maria Riesch, ihrer besten Freundin im Weltcup-Zirkus. Duelle sind immer gut, sie lassen sich super vermarkten. Die PR-Strategen hätten es zwar lieber, wenn sich Maria Riesch und Lindsey Vonn die Augen auskratzen würden, so was steigert prächtig die Emotionen, aber so ist es auch okay.

Riesch kam im Training nicht mit der Strecke zurecht

Aber wenn’s kein richtiges Duell geben sollte, dann wäre das gar nicht okay. Eine angeschlagene Vonn, die gegen diese schnelle Deutsche klar verliert, das wäre Gift für die Marketingstrategie. Am Montag gab’s ein Training auf „Franz’s Downhill“, aber das sagte nicht viel aus. Riesch kam mit der ruppigen Piste nicht zurecht, Vonn stöhnte nach dem Lauf zu Reportern, „dass es wohl die schlimmste Strecke für mein Schienbein war“.

Beide wollen Gold, beide würden aber der jeweils anderen im Zweifel auch den Sieg gönnen. Sie schätzen sich einfach, seit Junioren-Zeiten schon. An Weihnachten feiert Lindsey Vonn traditionell bei der Familie Riesch in Garmisch-Partenkirchen. „Lindsey“, sagt Siegfried Riesch, der Vater, „macht das ganze Programm mit.“ Gemeinsam besuchen sie den Friedhof, gemeinsam gehen sie in die Kirche, gemeinsam singen sie. Thomas Vonn ist dabei, wenn er es zeitlich schafft.

Aber für Tannenbaum- und Kerzen-Atmosphäre ist jetzt kein Platz. „Wir beide haben eine Menge Druck“, sagt Lindsey Vonn in Whistler. „Im Moment ist es am besten, wenn jede in ihrer eigenen Zone bleibt.“ Oliver Saringer und seine Quarkwickel genügen ihr derzeit vollkommen.

Ski alpin, Abfahrt der Frauen, 20 Uhr.

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