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© dpa

Wettkampf des Tages: Technik, Selbstbewusstein und viel Charisma

Jewgeni Pluschenko kämpft um sein zweites Olympiagold im Eiskunstlauf. Niemand läuft technisch anspruchsvoller als der Russe – doch Technik ist nicht alles, sagen seine Kritiker.

Um sein Publikum zu fesseln, braucht Jewgeni Pluschenko keine Eisfläche. Zur Not reicht dem russischen Eiskunstlauf- Meister eine schlichte Pressekonferenz. Wie nach dem olympischen Kurzprogramm von Vancouver. Da Pluschenko, wie er am spätem Dienstagabend sagte, ziemlich müde war, hielt er seinen Vortrag zwar hauptsächlich auf Russisch und wechselte nur ab und zu ins Englische. Doch das machte nichts, seine Botschaft war unmissverständlich. „Vierfachsprünge“, sagte der 27-Jährige aus St. Petersburg und blickte eindringlich in die Runde. „Vierfachsprünge sind die Zukunft unseres Sports. Dreifache bin ich schon 1994 gesprungen. Unser Sport muss sich weiterentwickeln.“ 1994 war er zwölf Jahr alt.

Das saß! Pluschenko hatte das Kurzprogramm im Pacific Coliseum von Vancouver auf dem ersten Platz abgeschlossen. Als einziger Athlet war er einen vierfachen Toeloop gesprungen, und er wurde mit 90,85 Punkten bewertet. Er kann nun in der Kür (Freitag, 2 Uhr MEZ) zum zweiten Mal Olympiasieger werden; das hatte zuletzt Richard Button (USA) geschafft, der 1948 und 1952 gewonnen hatte. Pluschenkos Chancen stehen sehr gut. Weder der zweitplatzierte US-Läufer Evan Lysacek (90,30 Punkte) noch der Japaner Daisuke Takahashi (90,25/Rang drei) hatten einen vierfachen Sprung im Programm – und das, obwohl sie jünger sind als Pluschenko, der nach seinem olympischen Triumph 2006 in Turin eine dreieinhalbjährige Wettkampfpause eingelegt hatte. Während Takahashi dem Russen zustimmte und schuldbewusst einräumte, dass es eigentlich nicht ohne Vierfachsprünge gehe, fabulierte Lysacek über andere Elemente, die auch wichtig seien. Durch gute Ausführung könne man das Fehlen eines Vierfachsprungs ausgleichen, sagte der Mann aus Chicago, der fehlerfrei vier Dreifachsprünge gezeigt hatte.

Alle Sprünge traumhaft sicher in der Ausführung

So ging es wieder einmal um die Sprünge, über die seit Wochen schon diskutiert wird. Dabei war das Thema eigentlich ein anderes, nämlich das Gesamtpaket Pluschenko. Er sprang in Vancouver wie ein junger Gott. Auf eine Kombination von Vierfach- und Dreifach-Toeloop ließ er einen dreifachen Axel und einen dreifachen Lutz folgen, alle in traumhaft sicherer Ausführung. Zwar ist Pluschenko nicht perfekt, an seiner Fußarbeit schieden sich schon früher die Geister. Seine nicht allzu filigranen Schritte übertüncht er weiterhin mit expressiven Gesten, seine Pirouetten sind höchstens solide. Aber das ist in seinem Fall nicht wichtig, denn er hat eine spezielle Energie, die ihm Präsenz auf dem Eis verleiht. Es ist eine Mischung aus Stärke, Technik und Selbstbewusstsein, die ihm dieses magische Etwas gibt, das nur wenige Athleten haben, da man es nicht trainieren kann. Man nennt es auch Charisma. Dieses Charisma kann man in der Nacht zum Freitag sehen. Die letzte Gruppe, in der Pluschenko läuft, beginnt gegen 4.30 Uhr. Der Russe ist der letzte Läufer, er wird gegen 5 Uhr auftreten.

Die Konkurrenten haben es schwer, gegen Pluschenko zu bestehen. Wie kann man einen Athleten besiegen, der über die Stärke verfügt, sich in nur einem Jahr auf höchstes Wettkampfniveau zurückzukämpfen? Vielleicht durch psychologische Kriegsführung? Sie versuchten es: Nachdem Pluschenko in den vergangenen Monaten einige Male erklärt hatte, es sei eine Schande, dass man in den vergangenen beiden Jahren auch ohne Vierfachsprünge Weltmeister geworden sei, konterten die Nordamerikaner: Pluschenko laufe nur von Sprung zu Sprung, er kümmere sich gar nicht um die Übergänge. Zudem erklärte der Kanadier Patrick Chan (nach dem Kurzprogramm Siebter mit 81,12 Punkten), Pluschenko sei alt und sein Stil von gestern. Der einflussreiche US-Preisrichter Joe Inman hatte zudem kurz vor Vancouver eine E-Mail an 60 Kollegen geschickt, in der er sie aufforderte, bei den Übergängen zwischen den Schritten genauer hinzuschauen und keine Punkte zu geben für etwas, das nicht da sei. Möglicherweise wurde Pluschenko im olympischen Kurzprogramm deshalb so zurückhaltend bewertet, immerhin blieb er trotz perfekten Laufes 0,5 Punkte hinter seiner persönlichen Bestleistung zurück. Allerdings, und da waren sich auch viele Experten einig, war er bei der Europameisterschaft im Januar zu gut benotet worden.

Beim Thema Jury zuckte Pluschenko in Vancouver mit den Schultern. „Ich war sehr zufrieden mit meiner Leistung. Ich habe mein Bestes gegeben.“ Dann ging er zur Dopingkontrolle. Er marschierte an Fans vorbei. Die applaudierten.

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