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Schwer durchschaubares Geschäft. Ante Sapina, in Berlin lebender Kroate (hier beim Prozess gegen ihn 2005), setzte bei asiatischen Wettanbietern bis zu 300.000 Euro auf ein manipuliertes Spiel.

© dpa

Wettskandal: "Jeder hat jeden beschissen"

Zocker, die sich alle misstrauen, spielsüchtige Fußballer und bestechliche Schiedsrichter – der Prozess in Bochum offenbart die Abgründe des Sportwettenmilieus.

Den Titel Global Player hat sich Ante Sapina wirklich verdient. Von Berlin aus hat der 34-Jährige über eine Firma in London Wetten bei einem philippinischen Anbieter auf ein Fußballspiel zwischen Liechtenstein und Finnland platziert, das ein bosnischer Schiedsrichter in seinem Auftrag manipulieren sollte. Von diesem grenzenlosen Betrug hat Sapina in dieser Woche vor dem Landgericht Bochum erzählt, wo gerade Europas größter Wettskandal verhandelt wird. Im Publikum sitzen regelmäßig Vertreter der Fußballorganisationen, etwa des Deutschen Fußball-Bundes, und müssen sich anhören, wie leicht Spiele verkauft werden.

Sapina zum Beispiel setzte auf ein bis zwei manipulierte Spiele in der Woche. Und betroffen waren auch internationale Begegnungen wie jenes WM-Qualifikationsspiel zwischen Liechtenstein und Finnland am 9. September 2009, in dem der bosnische Schiedsrichter Novo Panic in der zweiten Halbzeit für zwei Tore sorgen sollte, „egal für wen“, wie ihm Sapina auftrug. Den Lohn dafür, 40 000 Euro, erhielt Panic vor dem Spiel. Viel Geld, denn Sapina berichtete, dass Spieler schon für 5000 bis 7000 Euro zur Manipulation bereit gewesen wären, Torhüter für etwas mehr. Einen Torwart anzuwerben sei gut, sagte Sapina, „aber noch besser ist ein Schiedsrichter.“

Die Begegnung zwischen Liechtenstein und Finnland endete 1:1 – beide Tore fielen in der zweiten Halbzeit. „Er hat einen Elfmeter gegeben, der keiner war“, sagte Sapina über seinen Komplizen Panic, der inzwischen vom europäischen Fußball-Verband Uefa lebenslang gesperrt wurde.

Der erste Wettprozess gegen vier Angeklagte dürfte allmählich auf die Halbzeit zugehen, zwölf Tage wurde schon verhandelt, wichtige Zeugen wie Ante Sapina und Marijo C. sind vernommen. Gegen beide soll in Kürze ebenfalls Anklage erhoben werden. „Wenn man bedenkt, dass gegen 300 Leute ermittelt wird, dann wird klar, wie viel Arbeit noch vor uns liegt“, sagte Staatsanwalt Andreas Bachmann.

Aus den Aussagen von Zeugen und Angeklagten lässt sich nur wenig herauslesen, was Hoffnung auf eine Eindämmung des Betrugsproblems macht. Allenfalls, dass sich die Betrüger zwar kannten und ausgetauscht haben, im Wesentlichen aber auf eigene Faust gehandelt haben. Während die Staatsanwaltschaft die Betrüger als Bande einstuft, spricht Sapinas Anwalt Stefan Conen von „Ich-AGs“, und sein Mandant sagte vor Gericht: „Jeder hat jeden beschissen.“

Sapina verlangte etwa von Marijo C., dass der nur mit ihm Wetten abspreche. „Je mehr Leute Bescheid wissen, desto schlechter wird die Quote“, sagte Sapina, der auch von einem Fall berichten konnte, in dem ein Manipulationsversuch vor dem Spiel in der Szene bekannt wurde. „Die Nachricht hat sich wie eine Lawine verbreitet und die Quote plattgemacht.“

Ein Schlüssel zur Lösung ist weit entfernt, er liegt in Asien. Bei dort registrierten Wettanbietern wie IBC oder SBO werden die großen Wetten platziert. „Ich habe eigentlich nur Spiele gespielt, die in Asien möglich waren, weil nur dort richtig hohe Summen platziert werden konnten und ich nicht den Stress wie an deutschen Wettbuden hatte“, berichtete Sapina. Wenn man zum Beispiel die Oberliga in Asien nicht spielen kann, sei diese Liga für ihn uninteressant. Auf ein manipuliertes Spiel setzte er bis zu 300 000 Euro. Im Monat beliefen sich seine Einsätze auf eine Million. „15 000 Euro waren für mich eine niedrige Summe.“

Die asiatischen Wettanbieter haben nur wenig Interesse, mit den Fußballverbänden und ihren Kontrollsystemen zusammenzuarbeiten. Die Londoner Plattform eines Anbieters machte Sapina sogar ein unmoralisches Angebot: „Wenn ich wüsste, welches Spiel manipuliert ist, dann hätte ich bei ihnen höher spielen können.“

Die Einsatzsumme bestimmte darüber, wie wichtig jemand in der Wettszene war. Sapina hatte viel Kredit. Daher wollten einige über ihn hohe Wetten platzieren, Sapina nahm von ihnen ein paar Prozente Provision, „da hatten am Ende alle etwas davon“. So erklärt auch Anwalt Conen, warum Sapina rückfällig geworden ist, nachdem er schon 2005 wegen Betrugs in zehn Fällen zu einer Gefängnisstrafe von zwei Jahren und elf Monaten verurteilt worden war. „Er hat angefangen fast wie ein eigenes Wettbüro. Dann ist er über die Szene peu à peu wieder reingerutscht.“

Conen wies auch darauf hin, dass die Aufklärung im Wesentlichen aus der Wettszene käme, nicht aus dem Sport. „Die Sportler sagen, wir haben nur mitgemacht, weil das Spiel ohnehin so ausgegangen ist.“ Der bald ebenfalls angeklagte Marijo C. sagte vor dem Gericht: „Es gibt viele Fußballer, die ihre komplette Freizeit im Wettbüro verbringen.“ Einer von ihnen hat sich auch schon gemeldet. Der frühere Stürmer des FC St. Pauli, René Schnitzler, sagte: „Es gab nicht viele Tage in meiner Karriere, in denen ich nicht gezockt habe.“

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