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Bock auf Fußball. Silas Wamangituka (mit Ball in der Hand) und seine Mitspieler vom VfB Stuttgart begeistern derzeit ihre Fans. Foto: Focke Strangmann/Reuters

© Pool via REUTERS

Wie der VfB Stuttgart die Bundesliga aufmischt: Sie sind wieder jung und wild

Unions Gegner VfB Stuttgart erinnert an glorreiche Zeiten. Bester Mann bei den Schwaben ist dabei nicht einmal der viel gelobte Silas Wamangituka.

Den Triumph umweht oft auch die Sorge, ob er richtig ausgekostet werden kann. So verhält es sich mit den Anhängern der in diesen Wochen wohl faszinierendsten Mannschaft der Fußball-Bundesliga, der des VfB Stuttgart. „10 Jahre lang wirst du als VfB-Fan montagmorgens bei der Arbeit mitleidig angeschaut. Und jetzt... Homeoffice“, schrieb jüngst ein User auf Twitter.

Der VfB Stuttgart hatte am Wochenende Borussia Dortmund „zerlegt“, wie so manches Medium schrieb. Und das war nicht mal übertrieben. 5:1 gewannen die Schwaben in Dortmund, allein der Stuttgarter Offensivspieler Mateo Klimowicz hätte dabei gut und gerne noch zwei weitere Treffer erzielen können oder gar müssen.

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An diesem Dienstag trifft die bislang faszinierendste Mannschaft in der Stuttgarter Arena auf die vielleicht zweitfaszinierendste, die des 1. FC Union (20.30 Uhr, Sky). Die Berliner hatten am Sonntag den FC Bayern München an den Rand einer Niederlage gebracht und haben wie der VfB nach elf Spieltagen stattliche 17 Punkte auf dem Konto. Union ist Sechster, der VfB nur einen Platz dahinter.

Dass es am zwölften Spieltag dieser Saison zu einem – ja fast schon – Spitzenspiel zwischen diesen beiden Klubs kommen würde, war nun vor der Spielzeit alles andere als erwartbar. Der 1. FC Union war in der vergangenen Saison der überraschend starke Aufsteiger gewesen. Das zweite Jahr, so eine alte Fußballer-Weisheit, ist dagegen immer besonders schwer. Für die Köpenicker trifft das nicht zu, sie sind im zweiten Bundesligajahr noch wesentlich stärker als im ersten.

Und der VfB? Der hatte eine wackelige Zweitligasaison gespielt, war mit Ach und Krach aufgestiegen und die sportliche Führung um Sportvorstand Thomas Hitzlsperger, Sportdirektor Sven Mislintat sowie Trainer Pellegrino Matarazzo galt als sympathisch, aber fast schon wieder als zu nett und zu leichtgewichtig für das harte Bundesligageschäft. Dazu kam eine Mannschaft, deren Spieler bis auf Daniel Didavi und Gonzalo Castro nur Fußballnerds kannten (wenn überhaupt). Sprich: Die Verweildauer der Stuttgarter in der Ersten Liga wurde allgemein als zeitlich sehr limitiert betrachtet.

Vom Abstieg aber sind die beiden Klubs gefühlt derzeit so weit entfernt wie Schalke 04 von einem siegreichen Spiel: also unendlich weit.

Wamangituka ist der letzte verbliebene Straßenfußballer in der Liga

Besonders die Entwicklung des Stuttgarter Spielekaders verläuft geradezu raketenhaft. Sportdirektor Mislintat gilt in der Branche als „Diamantenauge“, als Mann mit dem besonderen Blick für besondere Spieler. In der vergangenen Spielzeit in der Zweiten Liga war bei manchem VfB-Anhänger schon die Befürchtung aufgekommen, dass Mislintat dieses Auge verloren haben könnte. Für Zweitligafußball war die junge Mannschaft zu verspielt. Für Erstligafußball ist sie es ganz offensichtlich nicht.

Stellvertretend für die Entwicklung der Mannschaft steht Silas Wamangituka. Mislintat hatte den Angreifer im Sommer 2019 geholt. Mit ihm verpflichtete der VfB einen Angreifer, der als No-Name noch unzureichend beschrieben ist. Wamangituka kickte noch bis zu seinem 17. Lebensjahr in seiner Heimat Kongo, dann landete er in der Jugendakademie des fünftklassigen Vereins Olympique Alès im Süden Frankreichs, ehe er zum Zweitligisten FC Paris wechselte.

Was Mislintat an ihm gefallen haben dürfte: Wamangituka spielt unkonventionellen Fußball. Er bewegt sich anders und er dribbelt anders als der große, konditionierte Rest, eben weil er lange keine professionelle Fußballakademie besucht hat. Wenn man so will, ist Silas Wamangituka einer der wenigen Straßenfußballer, die es im Bundesligafußball noch gibt.

Ähnlich bemerkenswert beim VfB sind die jüngsten Leistungen von Mateo Klimowicz oder Tanguy Coulibaly, beide jung und beide wahnsinnig talentiert. Als die „Jungen Wilden 2.0“ wird das Team in Anlehnung an die Mannschaft zu Beginn der Nullerjahre um Kevin Kuranyi und Timo Hildebrand bezeichnet. Beim VfB-Anhang, der traditionell bei Erfolg sehr gut feiern und bei Misserfolg sehr viel bruddeln kann, spricht so mancher schon von der Champions League.

Die dürfte freilich noch etwas zu früh kommen für die junge Mannschaft. Auf der anderen Seite: Bei den letzten Erfolgen war der beste Spieler wegen einer Verletzung gar nicht beziehungsweise nur als Teilzeitkraft dabei. Der Argentinier Nicolas Gonzalez ist ein derart guter Angreifer, dass es vor zweieinhalb Jahren keines Diamantenauges bedurfte, um ihn zu verpflichten. Geholt hatte ihn Mislintat-Vorgänger Michael Reschke.

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