zum Hauptinhalt
Einer von vielen. Thiago (l.) hat bereits für Spaniens Nationalelf gespielt. Foto: p-a/dpa

© picture alliance / dpa

Sport: Wie die Maschinen

Spanien verfügt wie Deutschland über viele Talente – ein Ende der Entwicklung ist nicht in Sicht.

Es war bereits kurz vor Mitternacht, als Rafinha und Thiago unter dem Hallendach des Camp Nou vergnügt in die Kamera sprachen. Beide hatten zuvor mit dem FC Barcelona ein Champions-League-Spiel gegen Bate Borrisow bestritten und erklärten nun, welche Freude es ihnen bereitet hatte, gemeinsam auf dem Platz zu stehen.

Rafinha und Thiago hören beide auf den Nachnamen Alcantara do Nascimiento, sind Brüder und gelten als zwei der größten Talente beim aktuellen Champions-League-Sieger und in Spanien. So wie es aussieht, werden die Söhne des brasilianischen Weltmeisters Mazinho in Zukunft allerdings nur auf Klubebene das gleiche Trikot tragen. Rafinha, mit 18 zwei Jahre jünger als Thiago, hat sich nämlich vor einiger Zeit einen brasilianischen Pass ausstellen lassen. Der Mittelfeldspieler würde gern an der Fußball-Weltmeisterschaft 2014 teilnehmen, und es scheint, dass die Chance, von Brasiliens Nationaltrainer Mano Menezes nominiert zu werden, derzeit größer ist, als von dessen spanischem Kollegen Vicente del Bosque.

„Wir verfügen momentan wirklich über außergewöhnlich viele Talente – genau wie Deutschland“, sagt Gines Melendez. Der 61-Jährige ist einer der renommiertesten Jugendtrainer in Spanien und betreut aktuell die U 19. Im Sommer wurde er mit der Auswahl nach einem 3:2 im Finale gegen Tschechien Europameister. Es war nicht der einzige Titel für die Südeuropäer im Jahr 2011. Wenige Wochen zuvor hatte schon die U 21 die EM gewonnen und damit die Nachfolge von Deutschland angetreten. Neben Thiago, der es inzwischen auf drei Spiele für die A-Nationalmannschaft gebracht hat und in Barcelona als Nachfolger des Strategen Xavi gilt, überzeugten bei der U-21-EM in Dänemark Juan Mata und Torhüter David de Gea. Beide spielen inzwischen in der englischen Premier League; Mata, der bereits 2010 Weltmeister mit der A-Mannschaft wurde, bei Chelsea, de Gea bei Manchester United. „Unsere Talente genießen inzwischen weltweit Anerkennung“, sagt Melendez.

Das war nicht immer so. Obwohl Spanien seit jeher zu den führenden Nationen im Juniorenbereich zählt, waren die Jugendpieler für ausländische Klubs nicht attraktiv. Zu verspielt, zu langsam, zu klein lauteten nur einige Vorbehalte. Erst als die A-Mannschaft begann, Titel zu gewinnen, änderte sich die Sichtweise. Inzwischen gilt Spanien mit seiner Spielweise als der Maßstab im Fußball. Welt- und Europameister sind sie geworden mit ihrem vielen Ballbesitz und den kurzen Pässen. Was im Fernsehen so leicht aussieht, ist in Wirklichkeit das Resultat jahrelanger Schulung seit dem Kindesalter. In allen Junioren-Nationalmannschaften wird das gleiche System gelehrt, wie es die A-Mannschaft spielt. „Das ist die Basis des Erfolgs“, sagt Melendez.

Dabei hatte der spanische Verband eigentlich etwas ganz anderes vor. Bei der Europameisterschaft 1996 war Spanien im Viertelfinale an England gescheitert, danach gab es Überlegungen, sich künftig am britischen Stil zu orientieren. Körperbetont und mit langen Bällen nach vorn sollte Spaniens Fußball den Rückstand auf andere Nationen egalisieren. Iñaki Saez, der zu diesem Zeitpunkt die U 20 betreute, verweigerte aber die Umsetzung. Sein Team wurde zu dieser Zeit von einem Mittelfeldspieler namens Xavi Hernandez aus Barcelona geführt. Der war 1,70 Meter klein, und nicht mal ansatzweise in der Lage, einen Kopfball zu gewinnen. Auch den langen Ball schmähte er. Dafür spielte dieser Xavi Pässe von sagenhafter Sicherheit.

Barcelona zählt neben Madrid, Bilbao, Valencia oder Villarreal zu den großen Ausbildungszentren. In „La Masia“, der Nachwuchsakademie des FC Barcelona, werden scheinbar unbegrenzt Talente produziert. Das Ganze hat inzwischen maschinenhafte Züge angenommen. Als Barça Anfang Dezember das bedeutungslose Spiel in der Champions Leage gegen Bate Borissow 4:0 gewann, standen acht Spieler in der Startformation, die nicht älter als 20 Jahre sind. Sie alle könnten in naher Zukunft auch für Spanien auflaufen. Und selbst bei Rafinha haben die Verantwortlichen die Hoffnung noch nicht aufgegeben, der 18-Jährige hat sich bisher nicht endgültig gegen die „Seleccion“ entschieden. Keine guten Aussichten für den Rest der Fußballwelt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false