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Sport: Wie Herthas Mitglieder die große Harmonie entdecken

Als die meisten längst auf dem Heimweg waren, hatte "Kalle aus der Kurve" noch seinen großen Auftritt. Das Hertha-Original brachte mit launigen Worten eine große Eloge auf das Präsidium aus.

Als die meisten längst auf dem Heimweg waren, hatte "Kalle aus der Kurve" noch seinen großen Auftritt. Das Hertha-Original brachte mit launigen Worten eine große Eloge auf das Präsidium aus. Dem tat das sichtlich wohl. Der lange Abend im ICC klang kurz vor Mitternacht so harmonisch aus, wie er begonnen hatte. So manch kleiner Zwist war da längst vergessen. Herthas große Mitgliederfamilie war wieder vereint.

Schon lange gehören die Versammlungen mit dem ganz großen Unterhaltungswert der Vergangenheit an. Schlug sich einst der neutrale Beobachter ob der unfreiwilligen Komik-Einlagen auf die Schenkel, so bestaunt er heute eine straff organisierte Veranstaltung, organisiert von Profis für Amateure. Ausreißer haben Seltenheitswert. Etwa, wenn selbst der Veranstaltungsleiter nicht so recht weiß, ob denn nun bei einer Abstimmung über einen Antrag die Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich ist oder nicht. Ehe es größere Unruhe gibt, macht der Antragsteller einen Rückzieher und heimst dafür prompt Lob des Präsidenten ein. Das sei ganz toll gewesen, sagt Walter Müller mit Glanz in den Augen.

Harmonie ist ohnehin angesagt. Freilich nicht immer. Wenn da das Wort von der "Misswirtschaft" fällt, gehen die Verantwortlichen schon mal auf Kollisionskurs. Dieter Hoeneß, der mit seiner direkten Art Pluspunkt auf Pluspunkt sammelt, verwahrt sich ganz energisch gegen eine derartige Unterstellung. Und wenn einer moniert, gleich vier Hertha-Offizielle müssten ja nun wirklich nicht in die Schweiz zur Champions-League-Auslosung fliegen, dann weiß der Manager auch darauf eine Antwort. Es müssten eben dabei mit den ausgelosten Gegnern viele logistische und terminliche Dinge besprochen werden. Wichtig sei es auch, sich auf dieser internationalen Bühne entsprechend zu präsentieren.

Nur dass kaum jemand etwas so richtig mit dem wirklich "heißen Eisen" anfangen kann. Zu abstrakt ist für die meisten das, was da so eher beiläufig über die Kommanditgesellschaft auf Aktien gesagt wird. Alle wissen, dass da Enormes auf den Verein und sie selbst zukommt, doch sie können es nicht richtig packen. Wollen es wohl auch noch nicht. Denen oben auf dem Podium scheint es recht zu sein. Erst im Frühjahr wird es ernst. Erst dann gilt es, die Mitglieder für die große Sache zu gewinnen.

Der Basis stand eher der Sinn nach Konkretem. Über eine Stunde diskutierten sie über eine Satzungsänderung, wobei es um das Vorkaufsrecht auf Jahreskarten gegenüber Nichtmitgliedern ging. Nach quälenden Debatten erboste sich ein Mitglied über den "Kinderkram". Der Antrag wurde schließlich mit großer Mehrheit angenommen, die liebe Seele hatte ihre Ruh.

Am Ende lag sich die, reichlich dezimierte, Gesellschaft ohnehin in den Armen. Vereint auch in der Freude über die Triumphe in der Champions League, von denen Walter Müller meinte, mann müsse sich die Erfolgsmeldungen "auf dem Trommelfell zergehen lasse". Und dann war da ja auch noch Kalle aus der Kurve. Danach gingen sie von dannen. Müde, aber auch wenig stolz. Stolz auf den Verein, der kein normaler Verein, sondern ein Lebensgefühl ist. Und süchtig wie eine Droge macht. Sagt jedenfalls Walter Müller.

Klaus Rocca

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