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Schmerzhafte Sensation. Nadal fand kein Mittel gegen Rosols Aufschläge. Foto: AFP

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Sport: Wie in Trance

Rafael Nadal unterliegt in Wimbledon dem Tschechen Lukas Rosol, der Nummer 100 der Weltrangliste.

Es ging unter dem geschlossenen Dach des Center Courts von Wimbledon bereits auf 22 Uhr zu , als Lukas Rosol auf die Knie sank und sich bäuchlings auf den Rasen fallen ließ. Der 26 Jahre alte Tscheche hatte mit der spektakulärsten und inspiriertesten Leistung seiner Karriere am Donnerstagabend für die größte Sensation gesorgt, die man im letzten Jahrzehnt bei einem der vier Grand Slams erlebt hat. Rosol, die Nummer 100, bezwang den Weltranglistenzweiten und zweimaligen Wimbledon-Champion Rafael Nadal mit 6:7, 6:4, 6:4, 2:6 und 6:4 in Runde zwei. So früh war der Spanier zuletzt vor sieben Jahren bei einem Grand Slam gescheitert. Und diese Niederlage erschien so sensationell wie jene des siebenmaligen Wimbledon-Champions Pete Sampras, als dieser 2002 in der zweiten Runde dem Schweizer George Bastl unterlag.

„Das ist wie ein Wunder", sagte Rosol, „eigentlich wollte ich nur nicht 0:6, 1:6 und 1:6 verlieren, und jetzt war es das beste Match meines Lebens.“ Der Händedruck der Kontrahenten am Netz fiel jedoch etwas kühl aus, Rosol hatte Nadal während der letzten vier Stunden so gereizt, dass sich der Spanier bei einem Seitenwechsel im dritten Satz sogar zu einem kleinen Rempler hinreißen ließ. „Er hat versucht, mir meine Konzentration zu nehmen", meinte Rosol, doch es gab an diesem Abend absolut nichts, was ihn hätte aufhalten können. Er spielte wie in einem Rausch, machte kaum Fehler und donnerte Nadal Grundschläge von bis zu 160 km/h um die Ohren. Die Aufschläge platzierte der 1,96 Meter großen Rosol mit einer starken Quote von 80 Prozent so gekonnt im Feld, dass der elfmalige Grand-Slam-Sieger Nadal mitunter wie ein Amateur wirkte.

„So ist das eben mit einem Gegner, der sehr hart schlägt und überhaupt keinen Druck spürt“, sagte Nadal enttäuscht. Der French-Open-Sieger rackerte sich ab, ihm fehlte nach den letzten zehrenden Monaten aber ein wenig die Energie. Rosol dagegen spielte, als sei sein rechter Arm aus Stahl. 65 Winner hämmerte er Nadal entgegen, 22 Asse insgesamt, davon sieben im fünften Satz und drei im letzten Spiel. Auch den Matchball verwandelte er mit einem Ass. „Ich war ein bisschen wie in Trance“, sagte Rosol, „ich habe so viel Adrenalin gespürt, weil ich so gut gespielt habe.“

Rosol kam auch zugute, dass vor dem fünften Satz aufgrund der einsetzenden Dämmerung das Dach des Center Courts geschlossen werden musste, was eine Unterbrechung von fast 45 Minuten bedeutete. Nadal, der gerade wieder das Momentum auf seiner Seite hatte, hätte lieber am nächsten Tag weiter gespielt, doch er musste sich der Entscheidung des Oberschiedsrichters beugen. „Natürlich war das kein Vorteil für mich“, sagte Nadal, „aber ich muss das akzeptieren.“ Rosol nahm Nadal gleich das erste Aufschlagspiel im fünften Satz ab, die 15 000 Zuschauer erwarteten trotzdem, irgendwann müsse der Tscheche doch nachlassen. Er tat es nicht. Aber so entfesselt, wie der Rosol spielte, fragte man sich, wieso er es während seiner achtjährigen Karriere eigentlich nie weiter als bis auf Rang 65 der Welt geschafft hatte.

Rosol tritt zum ersten Mal im Hauptfeld von Wimbledon an, zuvor war er in fünf Anläufen in der ersten Qualifikationsrunde gescheitert. „An manchen Tagen kann ich jeden schlagen, an anderen verliere ich gegen die Nummer 500“, erklärte Rosol, „mir fehlte einfach die Konstanz.“ Er hofft, dass ihm mit dieser Sensation nun die Wende gelungen ist. Doch auch bei seinem nächsten Gegner Philipp Kohlschreiber sind die Hoffnungen rapide angestiegen: Nadals Aus eröffnet der unteren Tableauhälfte alle Möglichkeiten. Es wird sich zeigen, wer davon profitiert.

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