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Sport: Wie sauber sind die Saubermänner?

Nach Patrik Sinkewitz’ Dopingenthüllungen gerät T-Mobile in Erklärungsnot

Berlin - Patrik Sinkewitz ist seit Monaten nicht mehr Angestellter von T-Mobile, und doch bringt der Radprofi den Rennstall ins Wanken. Die Aussagen des Profis nach seiner Entlassung wegen Dopings legen den Schluss nahe, dass auch der augenblickliche Team-Kapitän Michael Rogers Profiteur des Doping-Systems im Team war, das offensichtlich noch während der Tour de France 2006 intakt war. Sinkewitz, der eine Kronzeugen-Regelung anstrebt und auf eine Strafreduzierung um mindestens ein Jahr hofft, hatte vor dem Verbands-Sportgericht laut dessen Vorsitzendem Peter Barth ausgesagt, 2006 sei in der Mannschaft auch nach dem Rausschmiss von Jan Ullrich vor der Tour weiter gedopt worden. Rogers ist der einzige Verbliebene aus dieser Zeit im heutigen Bonner Team, das sich nach dem Skandaljahr einen rigorosen Anti-Doping-Kurs verschrieben hatte.

Die mit der Öffentlichkeitsarbeit des Konzerns betrauten Personen hüllen sich seit Tagen zu diesem Thema in Schweigen. Teamsprecher Stefan Wagner hatte in der vergangenen Woche lediglich berichtet, Rogers habe auf Nachfragen geantwortet, er sei „2006 in Doping-Praktiken des Teams nicht involviert“ gewesen. Der Molekularbiologe Werner Franke nannte diese Politik des Kommunikationskonzerns im „Sportstudio“ „mafia-artiges Schweigen“. Er empfahl der Teamleitung, die Fahrer „zur Staatsanwaltschaft nach Bonn zu schicken, um selbst auszusagen“, und vermutet, dass auch der dreifache Zeitfahr-Weltmeister aus Australien in Doping-Aktivitäten verstrickt war. „Natürlich wird man immer dem, der am meisten leisten soll, auch etwas geben. Der Sinkewitz will nichts sagen, weil er auch Schiss hat.“ Auf diesbezügliche Nachfragen sagte Sinkewitz, es sei nicht realistisch, zu sagen, „Freiburg war nur für mich da“. Der Hesse sprach von einem „Code des Schweigens“ und machte deutlich, dass Doping „ein Teil des Systems“ war: „Ich habe Doping nicht erfunden, es war schon da.“

Sinkewitz war schon bei Quick Step Team-Kollege von Rogers. In der belgischen Mannschaft sei er zum ersten Mal mit „Epo, Kortison und Synacthen“ in Berührung gekommen, sagte der 27-Jährige. Die Doping-Kontrolleure habe er in seiner Zeit dort zwischen 2003 bis 2005 gezielt ausgetrickst: „Wenn ich wusste, dass eine Dosis fünf Tage nachweisbar ist, habe ich sechs Tage vor dem Wettkampf aufgehört.“ Bei einer Hausdurchsuchung wurden bei dem Hessen nach dessen Aussagen Epo-Rechnungen von 2006, Ampullen mit Kortison, Spritzen samt Nadeln und eine Zentrifuge sichergestellt.

Der des Testosteron-Dopings überführte Sinkewitz blieb in seinem Beicht-Marathon vor der Staatsanwaltschaft Bonn, dem Bundeskriminalamt (BKA), dem Verbands-Sportgericht, dem Nachrichtenmagazin „Spiegel“ und im „Sportstudio“ seiner Devise treu, keine Fahrer-Namen zu nennen. Er berichtet jedoch darüber, dass bei ihm in der Uni-Klinik Freiburg, in der die früheren T-Mobile-Ärzte Lothar Heinrich und Andreas Schmid bis zu ihrer Entlassung angestellt waren, Eigenblut-Doping vorgenommen worden sei. Zum letzten Mal am Abend nach der 1. Tour-Etappe 2006, weswegen er mit dem Auto eigens von Straßburg nach Freiburg gefahren war. Zwei Tage zuvor waren Sinkewitz’ Team-Kapitän Ullrich, der Sportliche Leiter Rudy Pevenage und Oscar Sevilla wegen Doping-Verdachts als mutmaßliche Kunden des Doping-Arztes Eufemiano Fuentes suspendiert worden.

Sinkewitz gab an, auch danach weiter gedopt zu haben, obwohl T-Mobile eine strikte Anti-Doping-Politik ausgegeben hatte. „Ich habe die Botschaft so verstanden: Lasst euch nicht erwischen!“ Obwohl zum Beispiel interne Kontrollen eingeführt wurden, habe der Erfolg ja trotzdem stimmen müssen. „Inzwischen weiß ich, dass sie es wirklich ernst gemeint haben.“

Sinkewitz hofft nun ebenso wie der geständige Dopingsünder Jörg Jaksche, dessen Sperre abgelaufen ist, die Tour de France im kommenden Jahr fahren zu dürfen. Bei T-Mobile dürfte dies aus zwei Gründen schwierig werden. Zunächst seien „fast alle Kontakte von heute auf morgen weggebrochen“, so Sinkewitz. Zum anderen ist die Zukunft des Rennstalls selbst alles andere als sicher. Zwar hatte die Telekom im August bekannt gegeben, dass sie ihr Engagement im Radsport bis 2010 weiterzuführen gedenkt. Beim nächsten Doping-Fall werde die Förderung allerdings eingestellt. Die Frage ist nun, was im Falle einer möglichen nachträglichen Überführung von Michael Rogers passiert. dpa

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