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Sport: Wie vor 20 Jahren

Wasserballtrainer Hagen Stamm holte 1984 Bronze

Kurz vor seiner langen Rede hatte Hagen Stamm noch ein persönliches Anliegen. Er bitte alle Journalisten, jetzt bloß auf dem Boden zu bleiben. „Denn wenn wir bei diesem Turnier Sechster werden, ist das ein Traum. Wenn wir Achter werden, ist das auch ein Traum. Eigentlich ist es ja schon ein Traum, dass wir überhaupt nach Athen gekommen sind.“ Der selbe Mensch war nur ein paar Minuten zuvor selbst vor Freude in die Luft gesprungen, nachdem seine Wasserballer überraschend die Favoriten aus Griechenland mit 5:4Toren besiegt hatten.

Bei so viel vorgelebten Emotionen des Trainers fällt es schwer, die Erwartungen niedrig zu halten. Die Wasserballer zählen zu den Stimmungskanonen der deutschen Delegation, und in kaum einer Vorschau hatte der Hinweis auf den letzten Medaillengewinn einer deutschen Wasserballauswahl gefehlt: Bronze, 1984 in Los Angeles. Auf dem Rückflug nach Deutschland stieg die bis heute legendärste Olympia-Party: Hagen Stamm, damals noch Spieler, und seine Mannschaft entließen die Stewardessen, übernahmen selbst den Service und schon vor New York waren die Vorräte im Lufthansa-Jumbo leergetrunken.

Deutsche Wasserballer haben also einen besonderen Ruf, sie können das heute jedoch viel schwerer beweisen als damals, als Torjäger Stamm noch selbst im Bassin schwamm und warf. Die Vorzeichen dieser Sportart haben sich verändert, was erstens mit dem Stellenwert von Wasserball und zweitens mit Geld zu tun hat. „Der Sieg gegen 5000 Zuschauer und sieben Spieler hat besonders Spaß gemacht – denn von denen verdient jeder Einzelne so viel wie meine ersten Sieben zusammen“, sagte Stamm nach dem Sieg gegen die Griechen. 100 000 Euro plus lautet der grobe Tarif für die griechischen Profis. Stamms Mannschaft aber besteht aus zehn Studenten, zwei Sportlehrern und Kaufmann Fabian Schroedter. Letzteren hat der Bundestrainer selbst in seinem Fahrradgeschäft angestellt, der halbe Kader wurde von den Wasserfreunden Spandau rekrutiert, deren Präsident Stamm ist.

„Wir wussten, dass wir für eine kleine Sensation sorgen könnten", sagt Kapitän Patrick Weissinger. Sie hätten sich entsprechend vorbereitet auf „diese Materialschlacht“ gegen den Dritten der Weltliga und Vierten der letzten WM. „Man muss einfach dieses ’Hellas’-Geschrei ignorieren können.“ Weissinger bewertet den Auftaktsieg gegen das Heimteam auch höher als sein Trainer, für den die Griechen „nach wie vor Favorit bleiben“. Seine Mannschaft solle weiterhin die Großen ärgern, sagt Stamm, „obwohl, wenn man an sich glaubt, und vernünftig spielt, können wir gegen jede Mannschaft gewinnen, auch gegen Profis.“ Hagen Stamm spürt, dass er sich mit dieser Truppe auf einer Reise in seine persönliche Vergangenheit befindet. Stamm verlangt zwar, man dürfe nur von Spiel zu Spiel denken. Er sagt aber auch: „Wenn ich den Charakter meiner Mannschaft sehe, hat es sich gelohnt, dass ich für vier weitere Jahre als Bundestrainer unterschrieben habe.“ Weissinger dagegen plant schon die Zukunft: Noch ein Sieg gegen Ägypten, dann könnte man die schweren Spiele gegen Spanien und Italien gelassener angehen. Und dann sei es auch erlaubt, an Medaillen zu denken.

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