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Spießrutenlauf. Durch die Gasse der seligen Dortmunder verabschieden sich die Bayern in Richtung Champions-League-Finale.

© dpa

Wieder nur Zweiter: Bayern leverkuselt

Nach der Blamage im Pokalfinale gegen Borussia Dortmund stehen die Münchner vor der beängstigenden Vision einer Saison mit drei zweiten Plätzen.

Mitten in der Nacht fasst sich Karl-Heinz Rummenigge ein Herz und greift zum Saalmikrofon. Der Vorstandsvorsitzende der FC Bayern München AG ist der erste, der im kühlen Festsaal der Hauptstadtrepräsentanz eines Telekommunikationsunternehmens die Sprache findet nach einem Pokalfinale, das aus Münchner Sicht in einem Totalschaden endete. 2:5 gegen Dortmund – Rummenigge ringt um die ersten Worte und den richtigen Ton. Nach einer kleinen Weile sagt er: "Wenn man 2:5 verliert, ist das kein Zufall, dann ist das auch nicht Pech, sondern man muss klar sagen: Das war eine Blamage. Jedes Tor der Dortmunder, das wir erlebt haben, ist dann wie so eine Watsch’n." Betretenes Schweigen.

Er hätte es aber auch mit dem Herrn von der Berliner Stadtreinigung halten können, der eine Stunde zuvor am Südtor des Olympiastadions mit seinem breiten Besen die Reste einer rauschenden Pokalnacht zusammenkehrt. Kopfschüttelnd sagt der Mann vor sich hin: "Diese Schießbuden-Bayern, spielen ja schon wie Hertha." Es gibt derzeit keinen schlimmeren Vergleich im deutschen Berufsfußball. Doch der FC Bayern muss sich nach seiner Darbietung im 69. deutschen Pokalfinale diesen Vergleich gefallen lassen.

Das Pokalfinale in unserer Bildergalerie:

Und so kehren die Bayern in der Nacht zum Sonntag ihrerseits die Scherben der nationalen Saison zusammen, die einen Abschluss gefunden hat, der so gar nicht nach ihrem Geschmack und schon gar nicht ihrem Selbstverständnis ist. Dortmund hat die Bayern nun zum fünften Mal in Folge geschlagen, den Meistertitel aus dem Vorjahr souverän verteidigt und zum ersten Mal in der 103 Jahre währenden Klubgeschichte das Double geholt. Man müsse akzeptieren und auch respektieren, "dass wir eben eine Mannschaft in dieser Republik haben, die im Moment national über uns steht, die besser ist", sagt Rummenigge. Dieser Satz tut den Bayern weh, sehr weh sogar.

Die Leistung von Berlin wird auch gegen Chelsea nicht reichen

Aber natürlich geht in den für sie so betrüblichen Stunden der Blick nach vorn. "Wir haben ja noch ein großen Ziel", wie Trainer Jupp Heynckes sagt. Das Finale der Champions League kommenden Samstag in München gegen den FC Chelsea. Die Aussicht auf diesen Titel lässt die Schmach vom Samstag etwas erträglicher erscheinen, gleichwohl droht den Bayern der GAU – eine gänzlich titellose Spielzeit. Erinnerungen werden wach an Bayer Leverkusen, an jene Mannschaft, die vor genau zehn Jahren ganz dicht vor drei Titelgewinnen stand. Erst wurde die Meisterschaft am vorletzten Spieltag verspielt, es folgte das verlorene Pokalfinale und schließlich der Knockout im Finale der Champions League gegen Real Madrid. Am Ende blieb der Mannschaft nicht die Anerkennung für den tollen Fußball, den sie bis dahin geboten hatte, sondern nur Spott, Vize-Kusen eben. Tatsächlich leverkuseln nun die auch die Bayern.

Unsere Fotostrecke mit den Stimmen zum Finale:

Nach dem Spiel von Berlin deutet zunächst nichts darauf hin, dass die Münchner den FC Chelsea bezwingen werden. Das könne nach Ansicht Rummenigges nur dann klappen, „wenn alle heute bereit sind, sich kritisch zu hinterfragen, warum, wieso, was ist heute Abend passiert, dass wir ein solches Spiel in dieser Art und Weise und mit diesem Ergebnis verloren haben“. Nur so hätte der Klub eine Chance, den wichtigsten Titel, der im Klubfußball zu vergeben ist, zu gewinnen. Jupp Heynckes spricht die Probleme und Schwächen seiner Mannschaft kurz an. „Wir haben defensiv eine katastrophale Leistung gebracht“. Insbesondere seine Verteidiger hätten „atypisch“ gespielt und sich dadurch selbst unter Druck gesetzt. Vor allem jene drei Spieler, die für das große Finale am kommenden Samstag gesperrt sind: David Alaba, Luiz Gustavo und Holger Badstuber.

So stimmten sich die Fans auf das Endspiel ein:

Doch die Bayern haben das Spiel nicht nur in der Defensive verloren. Sie waren behäbiger, in ihren Bewegungen und in ihren Gedanken. Wenn die Dortmunder im Zweifelsfall immer den vertikalen Pass spielten, schoben die Bayern den Ball quer, oder aber sie hielten ihn viel zu lange, wie Robben und Ribéry. Vor allem ohne Ball in den eigenen Reihen waren die Dortmunder fleißiger, williger und mutiger. Das bewiesen sie auch nach Spielschluss, als sie siegestrunkenen und angeführt von Kevin Großkreutz mit einer riesigen BVB-Fahne in den Händen die Absperrungen überwanden und die Treppe rauf zum Marathontor stürmten. Jürgen Klopp stand unten auf dem Rasen und sah dem Treiben seiner Jungens nach.

Während die Dortmunder die Nacht nur wenige Meter von den Bayern entfernt in einer ehemaligen Techno-Disco durchtanzen, ist es bei den Münchner noch stiller geworden. Rummenigge schließt seine kleine Ansprache in bedächtiger Tonlage: „Da ist etwas, um was ich die Mannschaft sehr herzlich bitte, und auch im Prinzip verlange: dass am nächsten Samstag mit Leidenschaft und Willen und auch mit der Aggressivität gespielt wird.“

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