zum Hauptinhalt
Der Schnellste im Stadtverkehr. Mark Webber fuhr auf den Straßen von Monaco der Konkurrenz davon. Foto: Reuters

© dpa

Sport: Wiedersehen in der Rascasse

Webber gewinnt in Monaco vor Vettel, doch Schumachers Manöver gegen Alonso beschäftigt die Formel 1

Von Christian Hönicke

Mark Webber durfte dem Fürsten Albert als Rennsieger die Hand schütteln, aber wohin man auch kam an diesem Sonntag in Monaco, man hörte nur den Namen des Zwölftplatzierten: „Schumacher“. Beim Grand Prix von Monaco hatte der Rekordweltmeister vier Jahre nach seiner berüchtigten Parkaktion mit einem der skurrilsten Überholmanöver in der Geschichte der Formel 1 einen neuen Aufreger fabriziert. Wieder war der Tatort die Rascasse-Kurve und wieder war Fernando Alonso involviert. Doch Halt – so viel gebietet der Anstand – zunächst zum Gewinner.

0,4 Sekunden vor seinem Teamkollegen Sebastian Vettel war Mark Webber über die Ziellinie gerast. Aber der Abstand trog gewaltig. Vettel war nur so dicht hinter Webber, weil diverse Zwischenfälle den zeitweise gewaltigen Abstand zwischen den beiden Red Bulls immer wieder zusammenschrumpfen ließen. In Wirklichkeit war Webber wie schon vor einer Woche in Barcelona eine Klasse für sich. „Das ist einer der größten Tage meines Lebens“, frohlockte der Australier. Das Red-Bull-Duo führt nun punktgleich mit 78 Zählern die Titelwertung an.

Am Start hatte es Vettel immerhin geschafft, sich vor den Renault-Piloten Robert Kubica zu setzen, der Dritter wurde. „Aber ich hatte keine Chance, mit Mark mitzuhalten“, gestand Vettel ein. Selbst vier Safetycar-Phasen, die Webber jeweils wieder in Schlagdistanz brachten, vermochten Vettel nicht zu helfen. Die erste hatte Nico Hülkenberg ausgelöst. Der Williams-Pilot war im Tunnel bei Tempo 240 in die Mauer gekracht, blieb aber unverletzt. Nach 31 Runden tat es ihm sein Teamkollege Rubens Barrichello bei der Anfahrt zum Casino gleich. Kurz darauf musste das Sicherheitsfahrzeug ein weiteres Mal auf die Strecke, weil sich ein Gullydeckel gelöst hatte. Die vierte Ausfahrt des Safetycars brachte Michael Schumacher schließlich den nächsten denkwürdigen Moment in seiner Schicksalskurve Rascasse.

Nach dem kleinen Stallzoff um Rosbergs Blockade in der Qualifikation hatte Schumacher sich am Start vor seinen Mercedes-Teamkollegen gesetzt. Am Ende fuhr Rosberg sogar zwei Positionen hinter Schumacher als Achter durchs Ziel, und das kam so: Der Ferrari-Star Fernando Alonso war wegen seines Unfalls am Samstag als Letzter ins Rennen gerollt. Die Safetycar-Phase in der ersten Runde nutzte er zu seinem Pflichtboxenstopp und schob sich durch diese clevere Strategie auf Rang sechs – vor Schumacher.

Dort lag er bis kurz vor Schluss, als der Hispania-Fahrer Karun Chandhok und der Lotus-Pilot Jarno Trulli in der Rascasse einen dampfenden Crashburger anrichteten. Ein letztes Mal kam der Sicherheitswagen heraus, bog aber in der letzten Runde ab in Richtung Box und ließ die Wagen für die paar Hundert Meter bis zur Ziellinie noch einmal allein auf der Strecke.

Allein die Idee, auf dem kurzen Stück des ohnehin zum Überholen völlig ungeeigneten Leitplankenkanals eine Attacke zu starten, ist eigentlich völlig absurd. Doch wo andere Fahrer ihren siebten Platz gemütlich an der Fürstenloge vorbeichauffiert hätten, machte sich der Surrealist unter den Rennfahrern bereit für eines seiner späten Meisterstücke. „Ich habe mich in der Runde davor vorbereitet, die Reifen aufgewärmt und gehofft, dass mir jemand eine Chance bietet“, sagte Schumacher. Beim letzten Beschleunigen aus der Rascasse kam Alonso auf seinen abgefahrenen Reifen ein wenig quer, Schumacher schlug blitzschnell zu und zog noch am Spanier vorbei. Schumacher: „In meinen Augen bin ich Sechster.“

Die vier Rennkommissare, unter ihnen brisanterweise Schumachers alter Rivale Damon Hill, sahen das anders. Sie verwiesen nach einer Anhörung auf einen Verstoß gegen Artikel 40.13 und verpassten Schumacher eine 20-Sekunden-Zeitstrafe – der Deutsche wurde damit als Zwölfter und letzter der angekommenen Fahrer gewertet. War der Große Preis im Fürstentum also das Comeback des Schummel-Schumi?

Nun, in jenem Artikel 40.13 heißt es schwammig: „Wenn das Rennen endet, während das Safetycar eingesetzt wird, fährt es am Ende der letzten Runde an die Box und die Autos nehmen die Zielflagge wie üblich ohne zu überholen.“ Und Schumacher verwies darauf, dass das Rennen eben nicht unter der Verwendung des Safetycars zu Ende gegangen war.

Die Rennkommissare hätten nämlich „Strecke frei“ melden und die Grüne Flagge schwenken lassen, nachdem das Sicherheitsfahrzeug in die Box abgebogen war. Diese Meldung habe ihm sein Team weitergeleitet, erklärte Schumacher. „Und es darf dann nicht wie früher ab der Start-Ziel-Linie überholt werden, sondern ab der Safety-Car-Linie eins. Und die befindet sich unmittelbar vor der Einfahrt zur Boxengasse.“ Daher legte Mercedes gegen die Entscheidung auch Berufung ein, das Ergebnis des Rennens ist aber unanfechtbar.

Schumacher wird für seinen Geniestreich also wohl keine Punkte bekommen. Stattdessen gab es Applaus, selbst vom eigenen Teamkollegen. „Aus meiner Sicht war es ein echt cooles Manöver“, sagte der jetzt siebtplatzierte Nico Rosberg, „ich fand’s richtig super.“ Es brachte ihm ja auch zwei WM-Punkte mehr ein.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false