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Sport: Willkommen im Abstiegskampf

Zlatan Bajramovic war im Zwiespalt. Der 22-Jährige wechselt im Sommer die Trikotfarben, und dass gestern für seine erste Liebe, den FC St.

Zlatan Bajramovic war im Zwiespalt. Der 22-Jährige wechselt im Sommer die Trikotfarben, und dass gestern für seine erste Liebe, den FC St. Pauli, die letzte Chance auf den Klassenerhalt auf dem Spiel stand, und für seine neue Beziehung, den SC Freiburg, nicht viel weniger, machte die Sache im Vorfeld kompliziert. "Es war komisch", räumte Bajramovic ein, "etwas anderes wäre es gewesen, wenn der SC Freiburg als Zehnter gekommen wäre."

Zum Thema Bundesliga aktuell: Ergebnisse und Tabellen Bundesliga-Tippspiel: Das interaktive Fußball-Toto von meinberlin.de Nach dem 1:0 (0:0)-Erfolg von St. Pauli sind die künftigen Verhältnisse noch längst nicht geklärt. Aber die Bundesliga darf den Aufsteiger vom Millerntor begrüßen als neuen Teilnehmer in der Verlosung von zwei noch zu vergebenden Abstiegsplätzen. Gerade einmal auf acht Punkte war der FC St. Pauli in der Vorrunde gekommen, und neben dem gepflegten Image vom Kiezklub musste man am Millerntor vor allem einiges an Spott und Häme einstecken. Jetzt hat man aus neun Rückrundenspielen bereits 13 weitere Zähler zusammengekratzt und den Anschluss geschafft: nur noch vier Punkte Abstand zum Viertletzten.

Es dauerte gestern vor 20 300 Zuschauern am Millerntor nicht lange, bis sich beide Mannschaften eingependelt hatten: auf ein ziemlich finsteres und damit der Tabellensituation entsprechendes Niveau. Während bei den Freiburger aller Elan und alle Lust des Leverkusen-Spiels wie weggeblasen schien, hinterließen auch die Platzherren den Eindruck, mit gebremstem Schaum aufgelaufen zu sein. Trainer Dietmar Demuth warb für den Anteil des FC St. Pauli am zerhackten Spiel für Verständnis: "Wir wollten mit allen Mitteln einen Dreier erreichen, um uns die kleine Chance noch zu erhalten." Und das habe man seiner Mannschaft auch angemerkt: "Das war nicht St. Pauli mit seiner Leidenschaft."

Es war immerhin eine Mannschaft, die in einem "Geduldsspiel" (Demuth) den längeren Atem hatte. So ereignete sich vor den beiden Toren relativ wenig, bevor das 1:0 fiel. Sellimi hatte gerade die vielleicht beste Freiburger Konterchance versiebt, als Oliver Held im Gegenzug einen langen Ball spielte. Benjamin Kruse - noch eine der solideren Kräfte im verkrampften Freiburger Team - ließ sich von Nico Patschinski austricksen. Und Patschinski traf mit einem Linksschuss ins lange Eck. Dass sein fünfter Saisontreffer das Tor des Tages sein würde, zeichnete sich bald ab: Freiburg erhöhte zwar den Druck, fand aber nicht mehr zurück ins Spiel, und St. Pauli war zu einfältig, um die nun reichlich vorhandenen Einladungen zum Kontern effektvoll anzunehmen.

Während auf der einen Seite eine lebenserhaltende Maßnahme geglückt war, stürzen die Freiburger aufs Neue in einen Abgrund von Enttäuschung und Sorge. Wieder müssen sie Argumente suchen, um den Vorwurf der Leidenschaftslosigkeit zu entkräften. "Wir haben einfach nicht die richtigen Mittel gefunden", sagte Kapitän und Torwart Richard Golz, der nächste Woche gegen Dortmund womöglich wegen einer Zerrung ebenso fehlen wird wie Tanko, der sich am Knie verletzte. Sellimi meinte mit einem Anflug von Verzweiflung: "Es bleibt uns keine Wahl, wir müssen weiterspielen."

Da hatten sich ein paar Dutzend Freiburger Fans bereits vor dem Eingang versammelt, und verhöhnten ihre Mannschaft. Das gab es im ersten Abstiegsjahr 1997 schon einmal, aber für einen Novizen wie Tobias Willi war die Szenerie neu: "Man muss die Fans verstehen. Wir spielen keine gute Saison, und da baut sich Frust auf." Trainer Volker Finke signalisierte Gesprächsbereitschaft, aber die erste Hilfe kam vom Medienkoordinator des FC St. Pauli: Christof Hawerkamp schleppte drei Kisten Bier zu den Freiburger Fans und der Mannschaftsbus der Gäste durfte passieren.

Christoph Kieslich

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