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Sport: Willkommen zu Hause

David Beckham feiert im neuen Wembleystadion gegen Brasilien sein Comeback im englischen Team

Von Markus Hesselmann

Für den großen Abend haben sich die Fans etwas Feierliches einfallen lassen: Eine riesige englische Fahne – das rote Georgskreuz auf weißem Grund – und der Spruch „Welcome home“ empfangen die Fußballer zum Spiel England gegen Brasilien. Das ist durchaus zweideutig gemeint. Erstens kehrt die Nationalelf am Freitagabend in ihr Zuhause zurück, zum ersten Länderspiel im neuen Wembleystadion. Im Jahr 2000 hatte sich England mit einem 0:1 gegen Deutschland von der legendären Arena verabschiedet. Und zweitens kommt noch jemand anderes nach Hause. David Beckham feiert gegen Brasilien sein Comeback in der englischen Nationalmannschaft. Nach starken Leistungen für seinen Klub Real Madrid, mit dem der 32-Jährige jetzt Spanischer Meister werden will, bevor er im Sommer zu Los Angeles Galaxy in die amerikanische Soccerliga wechselt.

„Ich wäre ja dumm, wenn ich David jetzt nicht berufen würde“, sagt Englands Nationaltrainer Steve McClaren. Vor ein paar Monaten sah das noch anders aus. Da wollte sich der neue, nur wenig profilierte Coach Respekt verschaffen, indem er den größten Star aussortierte. McClaren, zuvor Trainer in Middlesbrough und Assistent des damaligen Nationaltrainers Sven-Göran Eriksson, galt nur als zweitbeste Lösung. Der Brasilianer Luiz Felipe Scolari hatte zuvor abgesagt.

Das Freundschaftsspiel gegen Brasilien im neuen Wembleystadion wird sicher eine stimmungsvolle Sache. Doch was wirklich zählt, ist nicht Wembley, sondern Tallinn. In der estnischen Hauptstadt müssen die Engländer am Mittwoch zum EM-Qualifikationsspiel antreten. Als Vierter ihrer Gruppe brauchen sie gegen Estland unbedingt einen Sieg, um die Hoffnung auf die EM-Teilnahme nicht schon früh zu verlieren. McClarens Mannschaft muss die punktgleichen Russen und Israelis überholen, um 2008 als Gruppenzweiter in Österreich und der Schweiz dabei zu sein. Immerhin lässt noch ein weiteres Comeback hoffen: Erstmals seit seiner schweren Verletzung bei der WM steht Stürmer Michael Owen wieder im Kader.

Beckham und Owen müssen die Liebe der Fans zurückerobern, die ihre Mannschaftskameraden und ihr Trainer verspielt haben. Die anhaltend schwachen Leistungen machten die Fans immer wütender. Fortwährend musste sich McClaren ihre Hohngesänge anhören. So groß war der Ärger gerade der treuesten, dass der Vorverkauf zum Spiel gegen Brasilien nur schleppend anlief – trotz attraktiven Gegners und der Premiere in Wembley. Der englische Fanverband blieb zunächst auf 10 000 der ihm zugestandenen 35 000 Karten sitzen. Von Beckhams Comeback war zu dem Zeitpunkt allerdings noch nicht die Rede. Jetzt ist das 90 000 Zuschauer fassende Stadion jedenfalls ausverkauft.

Mit ihrer neuen Allianz gehen Beckham und McClaren ein hohes Risiko ein. Misslingt das Comeback, wäre der Nationaltrainer wohl am Ende. Sein letzter Versuch, die Wende zu schaffen, wäre gescheitert. Und Beckham wäre einmal mehr der Buhmann. An ihm haben die englischen Fans immer ihre Emotionen ausgelebt: Mal war er der überirdische Held, mal der größte aller Versager. Gelingt aber das Comeback mit einer glanzvollen Premiere in Wembley und drei Punkten in Tallinn, dann stünde Beckham als Retter da – und McClaren immerhin als Mann, der lernfähig ist.

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