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Ailton in der Schlangengrube mit Micaela. "Schwul mit schwul ist auch für mich nicht schön, Frau mit Frau muss ich akzeptieren."

© RTL

Willmanns Fußballkolumne: Höhepunkte des Schreckens

Alles über Bayern München, schwule Fußballer und warum der Italiener auf ewig böse ist. Frank Willmann befasst sich in seiner neuen Kolumne ausführlich mit dem geistigen Dünnschiss der vergangenen Tage.

Am Freitag zeigte uns der FC Bayern, dass alle Spiellust doch keine Ewigkeit hat. Wozu ist die Winterpause da? Bei einigen Vereinen wie den Münchnern oder Hertha BSC scheint es, als würden der Müßiggang um den Jahreswechsel und plötzlich einsetzende Nachdenklichkeit tiefe Wunden in die sensiblen Spielerseelen gerissen haben. Wie sonst ist dieser Rückfall ins visionsfreie Ballgeschiebe bei den Bayern zu erklären? 1:3 in Mönchengladbach. Eine Mannschaft, die letzte Saison noch fast abgestiegen wäre.

Nehmen wir zum Beispiel Bayerns Toni Kroos. Er fiel über die gesamte Spielzeit nur durch seine Haartracht auf. Hat man ihm die Schweißdrüsen weggeschnippelt? Fußballer sind manchmal leicht wie eine Feder. Herr Robben tänzelte im rechten Mittelfeld und fiel ein ums andere Mal über die persönlichen Gliedmaßen. Herr Schweinsteiger jammerte über den Gladbacher Rasen, Herr Lahm plapperte Lehrsätze aus esoterischen Motivationsprogrammen herunter. Bayernphilosophen unter sich. Mühsam aus ihrem Schweigegelübde geholt von eifrig nickenden Männern, die ihnen bei jeder Gelegenheit ein Mikrofon vor die Schluckluke halten. Wer will denn diesen Dünnschiss wissen?

Ich! Denn ich vermute meisterliche List dahinter. Den Gegner mürbe quatschen und dann via Traumkickerei niedermetzeln.

Es ist ein Fall für den DFB, möchte man greinen. Ich könnte mir wohl einen schicken Befindlichkeitsbeauftragten vorstellen. Im Gewand eines Nerd mit leichten Hipsterallüren, wandelt er geistverloren durch die düsteren Frankfurter Hallen und murmelt: "Meine Oma gab mir nie wichtige Dokumente in die Hand, da ich sie hätte verlieren können. Wenn ich allein reiste, bestand sie auf einen Brustbeutel aus Hirschleder."

Sind wir nicht alle irgendwie aussortiert?

Lang ist sie her, die schöne Zeit, als wir noch am Lagerfeuer den Pelz trockneten und unsere Begehrlichkeiten durch ein tiefes Grunzen ausdrückten. Es ist nun nicht die Frage nach Mann oder Männchen, bzw. nach harter Fußballerei und feiner Synchronschwimmerei. Blicken wir auf die Rückseite der aktuellen Fernsehunterhaltung. Wir sehen ein Fußballsternchen von einst im Urwald ums Überleben kämpfen. Ailton, der alte Kugelblitz. Verwunschen zum Stammelmenschlein. Sind das die letzen Tage der Menschheit? Regieren bald wieder die Primaten unseren geschundenen Planeten?

Der FC Bayern am Ende. Ailton allein im Märchenwald der verlorenen Würde. Und niemals vergessen: Der deutschen Schrecken Höhepunkt seit Wochen, Buprä Wulff`s lange Abschiedstour. Ach Bundespräsident, du bist sicher "nur zum Feiern da"? So wie die Herthafans in Nürnberg? Immerhin hast du uns etwas Neues geschaffen. Ein Wort. Das Wulffen.

"Mittlerweile haben sich zwei Bedeutungen herauskristallisiert", sagt der Sprecher des Vereins Deutsche Sprache Holger Klatte. "Wulffen" bedeutet einmal das Vollquasseln eines Anrufbeantworters. "Die zweite Variante bedeutet, dass man nicht direkt die Wahrheit sagt, aber auch nicht direkt als Lügner dastehen will", berichtet der Sprachexperte.

Womit wir wieder beim FC Bayern wären. Oder bei Ailton, der aus dem Herzen der Finsternis noch Wertvolles zu berichten vermag. Die falsche Schlange Micaela am Busen, entschlüpft kleines dickes Ailton doch tatsächlich eine nie geahnte Weisheit. Endlich wissen wir, warum sich die vielen schwulen Fußballer in Deutschland nicht outen: "Schwul mit schwul ist auch für mich nicht schön, Frau mit Frau muss ich akzeptieren". Soviel zur Toleranz Marke Ailton, der 2004 Fußballer des Jahres in Deutschland war. Als erster Ausländer.

Sind wir nicht alle irgendwie aussortiert? Abgewetzte Engel. Halbwertzeit abgelaufen. Vom Engel zum Sondermüll ohne Rückfahrkarte? Jetzt wollt ihr sicher noch wissen, warum DER Italiener für DEN Deutschen auf ewig böse ist. Ich biete folgende Thesen: Das italienische Mannsbild ist dem deutschen Partybiest um Längen voraus. Im Fußball sowieso. Der deutsche Neidfaktor liegt bei 100 über normal.

Frank Willmann, 48, hat mehrere Bücher zur Fußballkultur in der DDR veröffentlicht. Zuletzt erschien 2011 im Verlag Neues Leben Berlin 2011 "Zonenfußball: Von Wismut Aue bis Rotes Banner Trinwillershagen". Willmann lebt in Berlin. Für Tagesspiegel.de schreibt ab sofort regelmäßig über den Fußball in den neuen Bundesländern.

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