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Berüchtigt: Die Fans von Dynamo Dresden.

© dpa

Willmanns Kolumne: Auf den Spuren von Dynamo Dresden

Die Fans von Dynamo Dresden haben einen schlechten Ruf. Unser Kolumnist Frank Willmann war dort und hat sich ein paar Fangruppen und Initiativen mal genauer angeschaut - und eine überraschende Vielfalt vorgefunden.

Dynamo Dresden ist tot – lang möge es leben! Freitag weilte ich in Sachsen, wo die schönen Mädchen auf den Bäumen wachsen. Echtes Fußballeben ohne Fernseher. Dynamo Dresden gegen Fürth. Biederes Fürth, ihr spaßigen Franken, die ihr seit Jahren regelmäßig im Aufstiegskampf den Kürzeren zieht!

Im Dresdner Glücksgas Stadion minus 13 Grad. Trotzdem irgendwie mild, nicht umsonst nennt man Dresden auch Elbflorenz. Die Dresdnerinnen sagen so schön pausenlos "Nu" am Satzende. Alle sind freundlich, anfangs ein Schock für Berliner. Wir Berliner sind Meister der schlechten Laune und wechselseitigen Ignoranz. Wir sind wie die grimmigen Wölfe in den Wäldern rund um unser schönes Heim. Der Dresdner hingegen bleibt gern mal stehen ums zu knetschen. Er lacht, auch wenn ein Eiszapfen seinen Zinken ziert.

Dy-Dy-Dy-Dy, Na-Na-Na-Na, Mo-Mo-Mo-Mo – Wir sind Dynamo, sangen die Sachsen sich warm. Tatsächlich schauten knapp 23.000 Zuschauer rein, als Dynamo die armen Fürther fachgerecht zerlegte. Prächtige Stimmung, hinterm Tor zappelte und sang man durch. Erstaunliche fünfzig Fürther hatten sich in den Osten gewagt! Auf der Anzeigetafel blinkt widerholt der Spruch: Rassismus ist kein Fangesang auf. Na so was, entfuhr es mir und ich schaute in die Augen einer lächelnden Sächsin. Die mich gleich im Stadion ablichtete.

Eisschrank Stadion. Unser Kolumnist Frank Willmann war am Freitagabend beim Spiel der Dynamos gegen Greuther Fürth.
Eisschrank Stadion. Unser Kolumnist Frank Willmann war am Freitagabend beim Spiel der Dynamos gegen Greuther Fürth.

© Frank Willmann

In der Halbzeit zeigte mir Jens Genschmar, der streitbare Chef des Dresdner Fußballmuseums, die Highlights seiner Sammlung. Sie ziert das Stadion. Reinhard Häfner und Matthias Döschner, zwei legendäre Protagonisten des Dresdner Kreisels schüttelten uns die Hand. Genschmar ist einer der Dresdner, die Dynamo jetzt und gleich wieder im Europacup sehen möchten. Dort ist die Heimat Dynamos, verkündet er selbstbewusst. Ende 2011 hat er das Buch „Mit Dynamo durch Europa“ heraus gebracht. Es erinnert an die glorreiche Zeit der Dresdner, als Giganten wie Hans Jürgen Kreische, Dixi Dörner, Ralf Minge, Uwe Pilz und Gert Heidler den Gegnern Knoten in die Beine flochten.

Dynamofan Wolle begleitet seinen Club ins sozialistische Ausland. In den Westen ließ man ihn nicht, wie 99% aller Dynamofans. Das lag sicher auch an den langen Haaren und einem Outfit, das sich eindeutig am Westen orientierte. Wolle besuchte in Levis-Jeans und Parka Moskau, Bukarest und Belgrad. Auf den Spuren Dynamos. Die Reisen waren Abenteuer, Karten fürs Spiel hatten sie meist keine. Mit viel sächsischer Lebenslust zeigten sie ihre schwarzgelben Farben. Vor Ort warteten Probleme aller Art. In Bukarest gelangten sie trotz gültiger Karten nur mit Hilfe eines knorken UEFA-Verantwortlichen ins Stadion. Nachdem sie prügelfreudige Securitatehorden mehrfach zusammen geschlagen hatten. Fußball als Tor zur Welt.

Faninitiativen machen das Dynamoleben bunt

Das Dresdner Staatsschauspiel bringt seit einigen Monaten Welten ins Theater, die auf den Bühnen der Welt sonst keine Rolle spielen. Bürgertheater heißt das Zauberwort. Zeigen was in der unmittelbaren Umgebung abgeht. Eine neue Form des Heimattheaters, ohne schmierigen, folkloristischen Schmalz. Ein Tag vorm Kick trafen sich beim "Culture-Clash - das Bürgerdinner" laute und leise Dresdner. Neben Gehörlosen und einer Mitarbeiterin des Amts für Emissionsschutz saß ein Dynamofan an der Tafel. Gemeinsames Essen, Lärmen und Schweigen. Dynamo gewann das Lärmen haushoch. Auch im Staatsschauspiel zeigte sich, Dynamo hat einen starken Rückhalt im traditionell schwarzgelben Dresden. Dynamoliedgut lohte. Jeder der Dinnergäste dufte eine abendliche Botschaft ausgeben. Der Dynamofan wünschte sich objektive Berichterstattung über seinen Verein.

1953-international ist eine von vielen engagierten Faninitiativen, die das Dynamoleben bunt machen. Im Dresdner K-Block tummeln sich neben Ultras-Dynamo, der größten und einflussreichsten Gruppierung, auch ein Schwulen-Fanclub. Nebst Kirchen-Fanclub. Um die deutlich vorhandene rechte Klientel in die Schranken zu weisen, hat sich die Dynamofamilie einiges einfallen lassen. Neben der Anzeigetafel, sind auch die Mitgliedsausweise und Dauerkarten mit dem Spruch: Rassismus ist kein Fangesang versehen. Eine klare Botschaft an die Jungs mit den gezogenen Scheiteln.

Der Spruch wurde 2009 in Dresden von 1953-international eingeführt. Passend zum Spruch haben achtzehn Dresdner Bands eine CD bespielt. Die Einnahmen gehen in soziale und antirassistische Projekte. Dynamooffiziellen mit Grips sind diese Aktivitäten Herzensangelegenheiten. Der aus gesundheitlichen Gründen leider gerade zurück getretene Geschäftsführer Volker Oppitz war ein wichtiger Unterstützer. Das Dresdner Fanprojekt engagiert sich deutlich.

Dynamos Fans machen mobil gegen den DFB und Ex-Präsident Theo Zwanziger.
Dynamos Fans machen mobil gegen den DFB und Ex-Präsident Theo Zwanziger.

© dpa

Am 6. März findet im Dresdner Fanprojekt ein Infotag statt, wo verschiedene Parteien offen über die Zukunft des Fußballs in Dresden diskutieren wollen. Neben Fans und Cluboffiziellen sind Polizeieinsatzleitung und Vertreter der Stadt geladen. Etwa zeitgleich tritt Doktor Z. als DFB-Präsi zurück. Momentan dichtet er seine Memoiren. Ob er neben der Dichtung noch weiß, was in Dresden und anderswo in seinem bröckelnden Fußballreich geschieht? Theo, setz ein Ausrufezeichen und begnadige Dynamo. Poschie Poschmann, der infolge des DFB Pokalspiels Dortmund-Dresden im ZDF Front gegen Dynamo machte, hat eine Einladung zum 6. März erhalten. Deutschlandweit kamen seine verbalen Ausfälle bei Faninitiativen schlecht an. Ob er den Mut besitzt ins Lager seiner Kritiker zu hechten?

Genug Positives gibt es zu berichten. Naturgemäß ziehen Bad News Quote. Drischt man das Dresdner Randaleimage hat man schnell einen Sack Leser. Die sich wohlig auf dem heimischen Sofa gruseln. Und vernehmen was sie schon immer wussten: der Dresdner ist ein bissel buggi. In der Tat ist er das. So kümmert sich die Faninitiative Zukunft Dynamo seit einem Jahrzehnt um den Nachwuchs. Es wurden Gelder für Jungkicker gesammelt und investiert. Denn nicht jeder Geschäftsführung war in den letzen zwei Jahrzehnten Dynamo Dresden zu trauen. Dynamo für Alle nennt sich ein weiteres Projekt. Dort sammeln Fans Geld für Kinder aus einkommensschwachen Familien, um ihnen Stadionbesuche zu ermöglichen. Am 13.02.2011 reihte sich die gesamte Dynamomannschaft in die Menschenkette gegen den Naziaufmarsch in Dresden. Weitere Projekte wie etwa "meindynamo" findet man im Netz. Wenn man sie finden will.

Frank Willmann, 48, hat mehrere Bücher zur Fußballkultur in der DDR veröffentlicht. Zuletzt erschien 2011 im Verlag Neues Leben Berlin 2011 "Zonenfußball: Von Wismut Aue bis Rotes Banner Trinwillershagen". Willmann lebt in Berlin. Für Tagesspiegel.de schreibt regelmäßig über den Fußball in den neuen Bundesländern.

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