zum Hauptinhalt
Er spricht mit den Mächtigen, aber einige zeigen mit dem Finger auf ihn. Franz Beckenbauer, Lichtgestalt und Werbeträger für internationale Problemfälle.

© dpa

Willmanns Kolumne: Das ungeheuerliche Beckenbauergeschnatter 

Die lebende Dauerwerbesendung hat zugeschlagen. Der, die oder das Beckenbauer wurde vor wenigen Tagen als ganz großer Fisch vom russischen Staatskonzern Gazprom an Land gezogen.

Ein güldenes Kalb legte kürzlich in München an. Es hatte einen streng geheimen Auftrag auszuführen. Unser aller Franz, der einzig legitime Kaiser Deutschlands, sollte bei der Besorgung gewisser Sachlagen, nun sagen wir mal halbgnädig: helfen. Franz verfügt über einen großen Bekanntheitsgrad. 102,7% aller Deutschen wissen um seine Ruhmestaten für das deutsche Volk.

Er hat uns 1990 den ballernden Glanz zurückgegeben, als sein Eleve Andi Brehme den Elfmeter zum 1:0 verwandelte und wir alle Weltmeister wurden. Sein Urkompetenz verratender Geistesblitz „schaun' mer mal“ prägte eine komplette Generation von Fernsehfußballguckern. Alle deutschen Sekretärinnen wollten ein Kind von ihm, doch nur wenige erlangten diese Gnade. Beckenbauer besprang 1990 endgültig den Thron! Danach gelang unseren Scheinriesen Berti, Ribbi, Rudi, Klinsi, Jogi rein erfolgsmäßig wenig.

Ach Franz, dein Volk lag dir zu Füssen! Die Taschen voll Geld könntest du als verdienter Schneeforscher dein Altenteil auf dem Golfplatz verdaddeln.

Früher lief sämtlichen Deutschen bei Beckenbauers Namensnennung ein Schauer der Seligkeit über den Rücken, inzwischen ist er eine für Jeden käufliche Medienfigur. Ist das einfach nur Geldgier? Oder hat Beckenbauer eine Mission?

In seinem Herzen ist Beckenbauer Frühbucherrabattkunde geblieben. Trotz Villa und dicker Tasche nagt in ihm die Angst vorm Untergang. Und sei es nur die Angst, vergessen zu werden. Vergessen von jenen, die er liebt! Ja, er liebt uns doch alle. Und Dank dieser schier übermenschlichen Liebe hat er nun eine neue Verkaufsmission! Dem deutschen Fußballvolk die Seele Russlands schmackhaft machen.

Gazprom ist Russlands Tor zur EU. Was kann also schöner sein, als über den angeblich unpolitischen Sport in Europa Punkte zu machen? 2014 finden in Sotschi die Olympischen Winterspiele statt. In Sotschi sind auch die ersten Formel-1-Rennen Russlands geplant. 2018 richtet Russland die Fußball-Weltmeisterschaft aus. Der Sportbotschafter Franz wird ab sofort gute Laune verbreiten und der Welt zeigen, was Gazprom für ein toller Konzern ist. Natürlich wurde in der Öffentlichkeit keine Summe genannt. Kicher kicher, hüstel, hüstel, räusperten sich die wichtigen Wichte und malten eine eins mit vielen Nullen in den deutschen Sonnenuntergang.

Können wir denn gar nichts gegen den Dauerexperten machen? Doch.

Seien wir gespannt auf die zahlreichen Charity –und Promiquatschereien: Jo mei, die versemmelte Menschenrechtsgefühlsduselei muss endlich vom Tapet! Das sind doch auch nur Menschen. Dort gelten gewisse Gesetze, Regeln. An die muss man sich halt halten. Wie bei uns… Ist schon sehr kurios, der stramme CSU-Wähler Beckenbauer holt uns die Russen ins Haus.

Jürgen Roth sagte 2005 dem Spiegel, Gazprom stehe „für Korruption, für eine gigantische Selbstbereicherung der früheren sowjetischen Nomenklatura, der neuen russischen Business-Elite und kriminellen Strukturen.“ Der begeisterte Jäger und Angler Wladimir Putin kann sich jetzt schon die Hände reiben, ist doch der russische Staat mit 50%  der Aktien Krösus bei Gazprom und hält auch die Mehrheit der Sze im Aufsichtsrat.

Unser gefallener Kaiser Franz hält bis auf Weiteres die Pfötchen auf - und dem lustigen Pferdchen Gazprom die europäischen Steigbügel. Agitation und Propaganda. Der Kaiser hat schon für allen möglichen Kram geworben. Ob Bier, Tütensuppe, Telefonanbieter oder Rasierapparate, wenn die Marge stimmte, schwatzte Franz brav nach, was man von ihm verlangte.

Die ehemalige Lichtgestalt ist heute ein zum kleinen Lichtlein verkommener Problemrepräsentant. Doch können wir das ändern?

Klar geht das! Indem wir ihm nicht mehr zuhören. Indem wir ihn durch unser Desinteresse von der Mattscheibe und aus den Schlagzeilen verbannen und vom Thron schubsen, ihn wie einen Gockel vom Misthaufen jagen. Liebe Expertenaussucher im deutschen Fernsehen, sucht euch einen neuen Experten! Es gibt doch so viele, die uns Nullen und Einsen dringend etwas zu sagen haben.

PS: Endlich! Ab Freitag ist Europameisterschaft. Den Thron besteigt diesmal Holland. Sieg nach Elfmeterschießen gegen Deutschland. Robben trifft gegen Neuer zum 5:4-Endstand.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false