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Trist ist das Leben des BFC-Fans dieser Tage. Und das liegt nicht nur am Wetter.

© Frank Willmann

Willmanns Kolumne: Der BFC Dynamo und die ökologische Unterwanderung

Unser Kolumnist Frank Willmann hat sich mal wieder nach Hohenschönhausen begeben, um dem dort heimischen BFC Dynamo einen Besuch abzustatten. Dabei hat er eine ganz erstaunliche Beobachtung gemacht.

Auch wenn sich nur noch einige von uns daran erinnern können, es gab sie! Die Zeit, als wir halb nackig durchs Leben sprangen, mit prächtigen Märzenbechern das Haar der Liebsten schmückten und Schmetterlingen nachstellten. Heute bin ich froh über jede Mücke, die mir nachts den Schlaf raubt. Meine lieben Ballfreunde, ein Blick nach draußen treibt uns die Tränen der Trauer ins Antlitz und lässt uns für die kommenden Fußballwochenenden schlimmes ahnen. Nicht mal ein Schneeglöckchen bimmelt unsereins den Trauermarsch!

So mag es uns itzo fast unglaublich erscheinen, dass ich letztes Wochenende bei sommerlichen drei Grad für euch in Hohenschönhausen weilte. Findige Geister wissen, dort ist der BFC Dynamo ansässig. Es soll schlafende Riesen geben, die man nie mehr wach bekommt. Dieser altgermanischen Weisheit folgend, garnierte ein Trupp Ökofreunde in weinrotweiß den vermutlich einzigen Hohenschönhausener Ökoladen vorm Anpfiff. Sogar der Pate und Konrad-Wolf-Straßen-Gott ehrenhalber, erwies den Ökofreaks des BFC Dynamo seine Referenz. Er residiert direkt auf dem Wilhelmsberg im wunderschönen Hohenschönhausen und überzeugte mich von den vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten einer ökologisch angebauten Jurke.

Öko-Power weit und breit. Ganz außerordentlich entzückten mich die Riesenputeneier. Mordsmäßige Dinger, allein im Dotter kann man sein Seepferdchen machen! Alle tranken nahrhaftes Ökobier, nur ich blieb meiner ehrlichen Chronistenpflicht treu und schluckte brav einen lauwarmen Brennnesselsaft. Neben mir träumten einige ergraute Dynamo-Männer von der einstigen Meisterschaft. Der Verbandsligatitel 2004 ist das letzte Triumphgemüse im Reliquienschrank des BFC. Auf meine Frage, was man denn von der gegenwärtigen Mannschaft so erwarten könne, war erst mal nix zu hören. Dann sagte Schriftstellerkollege Andreas Gläser „Viktoria, Viktoria, wer ist Viktoria? Auch wenn se dreimal Deutscher Meister waren vor Christi Geburt!“

Obgleich im Hohenschönhausener Stadion noch König Bratwurst,  Prinzessin Jagdwurstscheibe und Großwesir Nackensteak regieren, bin ich sehr wohl der Meinung, dass binnen kurzem das gebratene Riesenputenei das Rennen machen wird. Eier sollen ja Glückshormone streuen. Glück braucht der BFC im ewigen Kampf um den Aufstieg. Trotzdem Dynamo vorm Spiel nur zwei Pünktchen hinter dem Führungsduo aus Fürstenwalde und Viktoria 89 Berlin lag, war die Aufstiegseuphorie noch nicht in Berlin-Nordost angekommen.

Ein grausames Fußballspiel, Mitleid mit den 400 Unentwegten kam auf

Grün ist die Zukunft beim BFC. Jetzt muss noch die Mannschaft nachziehen.
Grün ist die Zukunft beim BFC. Jetzt muss noch die Mannschaft nachziehen.

© Frank Willmann

Es fanden sich kaum mehr als 400 Berliner zu diesem Spiel ein. Der Gast kam aus Wismar, stand auf dem letzten Platz und trampte, nach meinem Dafürhalten, ohne Fans in die Hauptstadt. Fürstenwalde, Wismar, Viktoria Berlin – alles andere als Glitzersterne auf der Landkarte des Großfußballs.

“Aber was soll`s! – Auf geht’s Dynamo schieß ein Tor“, grummelte trotzig der Bio-Block und nuckelte heimlich an der mitgebrachten hochprozentigen Obstbrühe. Ein fieser Wind feilte an mancher Frisur. Ich suchte und fand Abwechslung. Dem Stadionzaun konnte man beispielsweise beim Rosten zugucken, da der Blick aufs Spielfeld wenig Grund zur Freude bot.

Die rustikale, irgendwie abgerissen wirkende Truppe aus Wismar, versaute dem Ensemble um die BFC-Altkicker Patsche Patschinski und Brunne Brunnemann den Nachmittag. Ein grausames Fußballspiel, Mitleid mit den 400 Unentwegten und ihren Fünftligahelden kam auf. In dieser Form ist der nächste Spielausfall vermutlich sogar ein Segen. Denn niemand geringeres als der Emporkömmling und Tabellenführer Viktoria 89 wartet als nächstes auf den BFC.

Kurz dachte ich darüber nach, sie alle von den Fleischständen in den Ökoladen zu treiben. Mal ordentlich Tofu mampfen! Allein BFC-Trainer Volkan Uluc versprühte verhaltene Lebensfreude.

Nach dem 0:0 kehrte ich ein im Vereinsheim. Vor der Leinwand fanden einige Fans beim 1:2 des einstigen Rivalen Union Trost. Ich machte meinen Nachbarn, den Herrn Rekordmeister, auf das Riesenputenei aufmerksam.

„Eier, ihr braucht Eier. Der BFC benötigt neue Energiequellen, ihr esst alle nicht die richtigen Eier!“

Mein Gegenüber hörte mir nicht zu. Er schaute nur die Wand an. Die Wand schmückten Fotos vergangener, glorreicher Tage. Obgleich mein Gegenüber fast zwei Meter maß, einen dicken Bauch und dicke Arme sein eigen nannte, hatte er etwas Feuchtes oberhalb der Nase deponiert.

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