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Bald ist dritte Liga: Die Fankurve vom Halleschen FC.

© dpa

Willmanns Kolumne: Der Hallesche FC entfernt die Schmuddelkinder aus seinem Stadion

Unser Kolumnist Frank Willmann schaut sich den Fußball im Osten an, begibt sich nach Halle, damit natürlich in die 3. Liga und endet an der Saalefront.

Kommenden Samstag 14 Uhr startet die 3. Liga in die neue Saison. Der Osten ist dank diverser Abstiege aus der 2. Bundesliga gleich mit sechs Clubs dabei. Ob sich eines dieser Teams am Ende der langen Saison durchsetzt? Ich habe das mittels Kaffeesatzleserei untersucht. Meine außerterrestrischen Forschungen sehen Energie Cottbus am Ende vorn. Der Rest verdämmert seine Zeit im Mittelmaß. Geheimfavorit ist die SG Sonnenhof Großaspach, allein die Sonne im Clubnamen erheitert mein Gemüt. Die Sonnehöfler stammen der Sage nach aus dem Land der bienenfleißigen Schwaben. Angeblich soll es eine ehemalige Stammtischmannschaft sein. Angeführt von einem fetten Sponsor, so RBmäßig. Vom fortschreitenden Untergang des Fußballs wird gemunkelt. Ich glaube das nicht. Für mich steht Sonnenhof für ein Fußballwunder. Nette Menschen aus dem erweiterten Stuttgarter Speckgürtel. Sie gehen pünktlich zweiundzwanzig Uhr zu Bett und halten das Sandmännchen für einen Talibanführer.

Während unsere altgedienten Zonentruppen immer tiefer in den fußballerischen Abgrund rutschen, erblüht anderswo der Fußball. Der moderne Fußball ist ein Handelsgegenstand. Edle Wahrheit, Reinheit und Ehrenhaftigkeit sind in ihm weiß Gott nicht zu finden. Insofern ist es albern und töricht, permanent die Tradition zu beschwören. Diese verwirrende Verbundenheit der Fans zur geheiligten Tradition, die sie in regelmäßigen Abständen zum Ausdruck bringen. Schaut ins Mutterland des Fußballs. Dann seht ihr, wie dort die Tradition an den meistbietenden Teppichhändler verscherbelt wurde. Außer dem alten Namen verbindet die Fans nichts mit den aktuellen Besitzern der Vereine. Hier die Eigentümer, dort die Konsumenten. Die sich möglichst still verhalten, brav auf ihrem Sitzplatz verharren und fleißig die im Stadion beworbenen Artikel erwerben. Wenn Thomas Müller sagt, bayerischer Leberkäse ist gesund, dann ist der auch gesund! Krabbelgruppe ahoi!

Reine Not und Langeweile

Fußballfans existieren aus Not und Langweile gern herdenweise. Die Herde gibt Schutz, Asyl, hier wird der gemeine Fanmichel noch verstanden. Alle wollen das Gleiche. Dafür wird gestritten, gekämpft und gelebt. Manchmal entsteht eine zwanghafte und ziemlich masochistische Verbundenheit. Neben kreativen Zeitgenossen finden sich hilflose Wesen, deren Ich nur im Wir gedeiht. O Fußball, O seliges Fangeschick! Eine Gemeinschaft, gedüngt durch gemeinsames Tränenvergießen auf den traurigen Buckelpisten der Verzweiflung. Zuletzt gab es in Dresden und Cottbus viel zu heulen, auch Rostock praktiziert trostloses Ballgemurmel. Chemnitz, Erfurt und Halle gewährleisten in der 3. Liga solide Hausmannskost. 

Der Hallesche FC hat es gleichwohl über die Jahre geschafft, von ganz unten etwas wiederherzustellen. Zu DDR-Zeiten war der HFC eine Fußballmacht. Dann der Absturz bis in die Verbandsliga, überholt selbst vom Lokalrivalen VFL Halle. Auf leisen Sohlen ist der HFC Stück für Stück nach oben geschlichen. Stadionumbau, solides, kleinteiliges Wirtschaften. Immer im Schulterschluss mit den Fans, die mit den Jahren wieder zahlreich zu den Spielen des Clubs erschienen. Doch nun hat der Club der tonangebenden Ultragruppierung die Tür gezeigt. Diese hört auf den etwas kriegerischen Namen Saalefront. XYZ-Front ist nicht unüblich im Ultrabereich, sollte man nicht überbewerten.

Das Hallenser Stadion ist eng. Gut für die Atmosphäre. Aber der Sicherheitsbeauftragte hat nach jedem Problemspiel eine nasse Unterhose. Gehen die Emotionen hoch, fliegt gern mal was auf den Platz. Verliert die Heimmannschaft das Landespokalfinale gegen den Intimfeind, wird gewissermaßen von Magdeburg im eigenen Wohnzimmer mordsmäßig verdroschen, neigt manch gedemütigter Fan zu hässlichen Aktionen. Statt still den Kummer zu beweinen, ist es grimmige Tradition, den Frust raus zu lassen. Gewissermaßen mit fliegenden Fahnen untergehen. Natürlich ist das albern, kleingeistig – aber so funktioniert Fußball. Auch der HFC-Präsident konnte samt Mannschaftskapitän die Freaks nicht beruhigen, die Böller flogen munter an seiner Nase vorbei.

Saaleengel, Saaleargonauten, Saaletalsperrenwegsprenger

Der Präsident kochte, die Sponsoren runzelten die Stirn, die Polizei zählte einige verletzte Polizisten. Magdeburg freute sich, zeigte den Mittelfinger und darf in der 1. Hauptrunde des DFB-Pokals antreten. Die Fans auf den Sitzplätzen, die sich von den Anfeuerungen der Ultras gern anstecken lassen, finden Pyrotechnik, Böllerwürfe und so weiter im Allgemeinen Scheiße. Selbst wenn sie früher eventuell zu ähnlichen Reaktionen tendierten, wollen sie heute nur noch Fußball sehen. In den verwegenen Herden der Ultras macht sich Unruhe breit. Das alte Problem der Religionsstifter: die Gegenreformation! Samt wechselnden Schafherden, Wachhunden und bösen Schlachtern. Wie weit soll man sich von seiner Liebe zum angebeteten Club emanzipieren, wenn die Mehrheit der Fans „Ultras raus!“ schreit? Wo hört Stolz auf und beginnt Infantilismus?

"Man scheint beim Vorstand des HFC-Fanszene e.V. den Weg der Säuberung zu gehen und sich somit den kritischen und teilweise auch über die Stränge schlagenden Fans endgültig entledigen zu wollen", stellt die Saalefront aus ihrem Schmollwinkel fest. Die letzten streunenden Köter, die letzten bunten Spielverderber, die Wahnsinnigen, alle weggesperrt.

"Da im Rahmen mehrerer Treffen in den vergangenen Jahren zwischen dem HFC und der Ultragruppierung Saalefront getroffene Absprachen und die durch den Verein ausgesprochenen Anordnungen wiederholt missachtet worden sind, wird der Saalefront in Zukunft untersagt, jegliche Symbolik, die auf die Saalefront hinweist, im Sportpark zu tragen bzw. öffentlich zu dokumentieren.", stellt der Verein aus seinem Schmollwinkel fest und droht mit Stadionverboten bei Zuwiderhandlung.

Die Polizei freute sich und setzt nach. Aufenthaltsverbote für Stadionverbotler, die frechen Spatzen müssen vom Dach geholt werden.

Wer mit Dreck wirft, macht sich die Hände schmutzig. Irgendwie muss es weiter gehen. Für solche Fälle sind Fanprojekte der richtige Ansprechpartner. Auf gewissermaßen neutralem Gelände Kompromisse schließen. Verbote sind immer die falschen Signale, wirkliche Veränderungen schafft man nur im Dialog.

Der Saalefront empfehle ich schon morgen eine Neuformierung unter jungfräulichen Namen. Saaleengel, Saaleargonauten, Saaletalsperrenwegsprenger. Lasst eurer Fantasie freien Lauf! Das erfrischt die Strukturen, herunter mit den alten Zöpfen, dem martialischen Machoscheiss. Macht eine Lady zur Vorsängerin, den Polizeichef zum Ehrenpräsidenten, lasst Blumen sprechen. Da geht noch einiges in der deutschen Fankultur!

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