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Wer ist verantwortlich für die Scheiß-Stimmung auf der Jahreshauptversammlung des FC Bayern Pjöngjang?

© AFP

Willmanns Kolumne: FC Bayern München nach Nordkorea verkauft

Gelangweilt von der Meisterschaft und gekränkt vom fehlenden Respekt beim FC Bayern München flüchtet sich Trainer Pep Guardiola in Traumwelten.

Manchmal träumt Guardiola, er liege auf dem Bauch und der Sand seines Exerzierfeldes verstopft ihm die Lungen. Sein Marschallstab hängt ihm schwer am Leib, doch er hat es gelernt, jeden Schmerz zu vergessen, wenn es darum geht, das Glaubensbekenntnis Bayern München zu verbreiten. Um die Anbetung der Menschen zu erlangen, ist jedes Mittel recht.

In seinem kadettischen Traum wandelt Guardiola durch Landschaften des Krieges. Eisen liegt in der Luft. Arbeitet er an einem Plan der stufenweisen Abschaffung bestimmter charakterlicher Besonderheiten der Spieler Thiago, Lahm und Robben? Oder forscht er in den frühen Morgenstunden in der Seele des gemeinen Münchners?

Diese Münchner haben, das ist die Wahrheit, heute noch nicht einmal den Pep Guardiola anerkannt, ja ihn und seinen großen Plan nicht einmal richtig zur Kenntnis genommen, das ist die Tatsache, weil sie dazu viel zu perfid sind. Welche Rolle beispielsweise der Rummenigge und der Uli Hoeneß wirklich bei der sogenannten Verleihung der Schale zum Gewinn der deutschen Meisterschaft spielten, ist für Guardiola nicht einwandfrei geklärt. Freundschaftsbeweise sind nicht gleich Freundschaftsbeweise. Wahre Liebe lebt durch die tägliche Wiedererringung und Erneuerung. Der ganze durchtriebene Unsinn des täglichen Fußballeinerleis.

Der Titelkampf in der Bundesliga langweilt ihn selbstverständlich zu Tode. Deshalb hat er sich nun für uns Fußballverdrehte etwas Besonderes einfallen lassen. Das Große RausBistDuSpiel. Möglicherweise zitterten ihm die Hände vor der Lancierung der Nachricht. Kann auch sein, dass er einen heißen Kopf hatte. Da war dieser Flickenschuster, Lord Helmchen, der ihn und seine edlen Kleidungsstücke bisher nur ignoriert hatte, bestimmt sogar im kleinen Kreis verhöhnt. Dieses Subjekt, dieses modrige Urzeitwesen.

Die Bayern-Spieler sind zu satt, Götze ist zu fett

Nicht ohne Stolz trat Guardiola am Morgen mit heißem Kopf aus seinem Ankleidezimmer heraus, ging auf die Straße zum wartenden Chauffeur, um von diesem Herrn in die Geschäftsstelle gebracht zu werden. Er sah recht gut aus in seinem Anzug. Er hatte ein Hochgefühl, als ihn sein Chauffeur an all diesen bayrischen Kulturdenkmälern vorbeifuhr. Ja, er fühlte sich mit einem Mal diesen Botschaftern vergangener Tage zugehörig. Er lauschte dem Wind. Der Wind flüsterte: Übermorgen wird Bayern München nach Nordkorea verkauft. Neue Reize schaffen. Die Spieler sind zu satt, schauen sie sich mal die fette Wampe bei Götze an. Ein kleines bisschen Arbeitsurlaub im Kittchen.

Großer Bahnhof in der Kommandozentrale Guardiolas. Die verwegenen Fußballdichter der Sportseiten zwischen Dings und Bumms, hatten inzwischen dankbar die ihnen zugewiesenen Informationen zu herrlichen Stanzen verwurstet. Den Laberwochen der Münchner Possenreißer stand nichts mehr im Weg. Es wurde gesammert und gebeckenbauert. Austüten, reinbeißen, wegschmeißen. Der Blumenstrauß landete schlussendlich bei der Klofrau, weil der gefallene Exmitarbeiter plötzlich von einem Gefühl der Freiheit übermannt wurde. Aber keine Sorge. Nur für drei Sekunden war er in der Lage, die Wahrheit zu sagen. Dann erblickte er den Bayernanwalt. Streitkultur, keine Beweise, doch verzeiht, ein Sammer hat, wie ein Guardiola oder ein Hoeneß, naturgemäß immer recht. Der verbissene ewige Ossi Sammer widersprach Puppendoktor Pille. Er stellte klar, justierte die Kanone, stopfte einen Spatz ins Rohr, seilte die gute Botschaft ab, schickte den Vogel auf die Reise. Bundesliga-Spiel nicht Schuld. Porto Familie Werte. Irgendwer packte ein Taschentuch aus, drückte ein Tränchen raus und sagte: das trifft den FC Bayern hart. Die armen Spieler kuschelten immer so gern mit Pille. Es roch verdächtig nach der Helmut Kohl Ranküne, den die selige Angela einst durch den heiligen Geist empfing, um den Nimmersatt der deutschen Einheit auf die Schlachtbank der Geschichte zu hieven.

Regeln sind dazu da, um vergessen zu werden

Guardiola vermisste den nötigen Respekt. Steht er nicht kurz vorm Eintritt in den Olymp? Die katalanische Akademie für Fußballwissenschaften hat ihm das kürzlich bestätigt. Die Wände in München haben Ohren. Irgendwo, im hintersten Medizinschrank, sollen Worte wie: „Der ist doch nur ein kleiner, dummer Spanier“ gefallen sein. Kleiner dummer Spanier! Man kann den überzeugten Nationalisten Guardiola verstehen. Die schlimmste aller Beleidigungen für einen Katalanen: ihn mit einem Spanier zu verwechseln. Beispielsweise so schlimm: wenn Dortmund nach Klopp das nächste Mainzelmännchen verpflichten würde. Perverse Gedanken voll Bösartigkeit. Das ist ein Durcheinanderwerfen auf niedrigstem Niveau. Das schadet der Sportgesundheit und dem Fanempfinden. Regeln sind dazu da, um vergessen zu werden. Oder um gegen sie zu verstoßen. Aber nur, wenn Guardiola das Sammer erlaubt. Gegen die Regeln zu verstoßen. Aus denen Sammer gemacht ist. In die es ihn verschlagen hat, die ihn herstellen und überflüssig machen. Die Regeln, die Pille nicht eingehalten hat, die ihn verstoßen haben, denen er zu schwer wurde, die ihm nicht mehr halfen.

Sorry, liebe Leser, können Sie bitte für einen Moment die Regeln halten? Ich nehme sie Ihnen gleich wieder ab. Danke, aber das sind sie nicht! Das sind die falschen Regeln. Ach, geben Sie sie mir wieder, diese neuen Regeln. Die alten können Sie vergessen.

Der Sammelband "Kassiber aus der Gummizelle" mit Frank Willmanns Tagesspiegel-Fußballkolumnen ist im Verlag Die Werkstatt erschienen und im Tagesspiegel-Shop erhältlich.

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