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Sepp Blatter will das Bier aus den Stadien verbannen. Also wird eben davor, danach oder woanders getrunken. Ist eh billiger.

© dpa

Willmanns Kolumne: Das kleine Einmaleins des Fußballs

In der Bundesliga rollt der Ball wieder, aber das ist nichts für unseren Kolumnisten Frank Willmann. Der sehnt sich nach niederen Fußballregionen oder eigener Körperertüchtigung. Zumal so ein Erstliga-Bier auch richtig teuer ist.

Blicke ich aus dem Fenster auf den Nordbahnhofpark, erscheint mir die Welt von ihrer schlimmsten Seite. Nichts als Schnee, bedrohlich krächzende Krähen, dem Hungertode nahe Füchse, traurige Waschbären und ungebratene Wildschweine. Die Stadt steht still unter der Eisesstarre. Nur Wowi I. ist mal wieder Medienthema. Selbstverständlich negativ besetzt, angebliche Kuschelorgien, mit Anwalt und so. Okay, Gerüchte aus dem Unterschichtenfernsehen. Wowi I. hat ganz bestimmt nichts gemacht. Sollten wir nicht am großen Lagerfeuer zusammenrücken, wenn die Menschheit, bzw. Berlin derart bedroht werden?

Indes der Berliner Problemball zwischen kläglichem S-Bahnversagen, Schwabeninvasion und den lustigen Streichen unseres Bürgermeisters hin und her rollt, wissen die hauptstädtischen Balltreter nicht, wo sie trainieren sollen. Nun ist es ein großer Unterschied, ob man bei Hertha BSC oder beispielsweise bei Berolina Mitte kickt. Der Berolina-Mann holt sich Trost beim Vereinswirt, wenn der Platzwart hämisch grinsend: Mach dich vom Acker kreischt. Der Hertha-Mann steht frohgemut in Tegel und düst mal eben zum Training ins Land, wo die Orangenbäume blühen.

Die Bundesliga zieht seit einer Woche erneut die fußballhungrigen Massen. In der 3. Liga soll es am Wochenende weitergehen. Die dort ansässigen fünf ostdeutschen Klubs lümmeln jenseits von Gut im St. Nimmerleinbereich der Tabelle. Einzig Chemnitz träumt doch von Liga zwo. Erfurt, Babelsberg, Halle und Rostock zittern vorm Abstiegsgespenst. In trüben Zeiten des nichtrollenden Balles lebt der anspruchsvolle Sportsmann in mir im Erinnerungshotel vergangener Heldentaten.

Fußball ist eine todernste Angelegenheit. Trotzdem komme ich mir manchmal vor wie bei einem Karnevalsverein. Die jecken Verkleidungen, je nach Gruppenzugehörigkeit peinlich, cool, oder Marke Weihnachtsbaum. Die merkwürdigen Gesänge. Auch in Liga vier will Saarbrücken ewig Deutscher Meister sein und Bielefeld kennt jeder von Glasgow bis Athen. Dabei ist gerade die Bielefeld-Verschwörung doch längst deutsche Wirklichkeit: Bielefeld gibt es gar nicht.

Reden wir doch mal über die Bierpreise

Bei manchen Fangruppierungen müssen die Herzdamen im so genannten Muschishuttle auswärts fahren. Bei anderen sind Ganzkörperrasur, gezupfte Augenbrauen und niedliche Labrador-Welpen-Krawatten ein Muss. Jede Fangruppierung versteht sich selbstverständlich als Gralshüter des Fußballs und der Vereinstradition. Die T-R-A-D-I-T-I-O-N, egal wie idiotisch, ist unantastbar. In den Fanvereinigungen wimmelt es nur so von Präsidenten, Vizepräsidenten, Anwärtern, einfachen Membern, Altmembern und sogar Pressesprechern. Die Kleinen machen es den Großen nach. Ganz schön albern, lästert der Halbschwabe in mir. Und es gibt so viel zu tun und zu bereden. Einiges liegt im Argen. Von den Fanrechten bis zu den Bierpreisen. Die Bierpreise. Am besten redet sich über die Bierpreise beim Biertrinken.

Gemäß den außerparlamentarischen Richtlinien der Großmannssucht liegt der HSV bei den Bierpreisen vorn. Hamburg Elbchaussee, logisch. 8 Euro und 40 sagenhafte Cent legt der gemeine Schluckspecht für einen Liter Pils auf den Tresen der Dingsda-Arena. Endlich mal Platz eins für den HSV, mit vierzig Cent Vorsprung vor Bankfurt. Da wo das Geld lagert, lässt man es sich etwas kosten. In Frankfurts Dingsstadion zahlt man acht Euro für den Liter tiefprozentigen Alkohol. Der Legende nach besäuft man sich in Hamburg seit 1930 mit der gleichen Plärre. Das muss etwas mit der Tradition zu tun haben. Nebulös und trotzdem sonnenklar. Anders kann ich mir das nicht erklären, dass deutsche Menschen für ihre überhastet gezapfte Lieblingsdroge Bier derart tief in die Tasche greifen. Acht Euro verlangen auch die Zweitligisten Hertha, 1860 München und Kaiserslautern für einen Liter Live-Bier. Worin der lokale Betrachter eineindeutig die totale Bundesligazugehörigkeit begreift, erkenne ich ein geniales Wirtschaftsmodell. Nehmen und Geben.

Die Alternative für gemütsarme Couchlümmel und Sky-Junkies ist das preiswerte Couch-Bier. Jenes kann man beim Fernsehgucken trinken und kostet selten mehr als 1 Euro 58 pro Liter.

Bayern München erweist sich beim Bierpreis erneut als demokratischer Freudenspender. Ein Bier bei Bayern kostet so viel wie ein Bier bei 1860. Uli, du alter Schlingel! Ganz am Ende der Bierpreistabelle steht ein weiterer bajuwarischer Club. In Regensburg trinkt man eine unaussprechliche nordkoreanische Marke, die pro Liter gerade mal fünf Euro kostet. Aue bietet im Osten das günstigste Bier an. Ob es ebenfalls von fleißigen nordkoreanischen Arbeiterinnen handabgefüllt wird, wissen nur Herr Fuchs und Frau Elster.

Große Info am Rande, das Thema Outing schwuler Fußballer betreffend. Unsere DFB-Funktionäre halten sich aus allem raus, was dem deutschen Fußball schaden könnte. So bleiben die wesentlichen Fußballnachrichten an Mediengeschöpfen wie Georgina "das Sams" (neue Brüste je 300 Gramm Silikon) hängen. Folgendes erfuhr die Welt live aus dem  Dschungel: "Es gibt ja nix Geileres als eine Beziehung zu 'nem schwulen Fußballer". Warum?  "der hat Geld". Und was noch? "… man hat als Frau nicht nur seine Ruhe, sondern kann nebenbei auch noch einen Freund haben."

Die Frau hat es offensichtlich verstanden. Das kleine Einmaleins des Fußballs.

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