zum Hauptinhalt
Die roten Bullen von Leipzig.

© imago

Willmanns Kolumne: Report von der butterweichen Seite der Macht

Unser Kolumnist Frank Willmann war am letzten Samstag in der Arena in Leipzig - dem kältesten Fanort-Deutschlands. RB Leipzig ist neu, revolutionär und gehasst. Ein Bericht aus dem Inneren eines "Produkts".

Während gut informierte Kollegen in Stockholm anlässlich des Großen  Eierzeigens der Unionfans die Kamera schön draufhielten, begab ich mich für meine geliebte Leserschaft am Samstag in die Kammer des Schreckens. Fünfzehn Grad unter null in der Red Bull Arena - dem kältesten Fanort Deutschlands. RB lud zum Scheibenschießen gegen den Tabellenletzten Burghausen. Aufsteiger RB Leipzig hat in der 3.Liga die Hosen an. Platz zwei,  da gibt’s nichts zu löten. Für heute, für immer. Soweit der Plan.

In der Woche hatte RB-Trainer Zorniger glänzend das Treiben verrückt gemacht und der interessierten Öffentlichkeit mitgeteilt, sein Job sei es auch, einem Spieler in den Arsch treten zu können. Samstag betrat seine Mannschaft ratzekahl verängstigt das Spielfeld. Neben den rustikalen Burghausenern belagerte ein Trupp Tauben lässig die Rasenfläche. Es waren keine Friedenstauben. Sie hatte bestimmt der Fankongress geschickt. Schlimme Sache. Angst ließ die Knie der Rasenballer schlottern. Ganze neunzig Minuten. Weder in der Coachingzone noch in der Kabine kam Zorniger an die Ärsche ran. Seit Samstag ist klar: RB will nicht aufsteigen. Weil man nicht muss. Ja. Man muss nicht. Überhaupt nicht. Gar nicht. Obwohl RB noch immer auf einem Direktaufstiegsplatz steht. Schicke Taktik. Vermutlich, um Deutschlands zentrales Fangemüt zu beruhigen. Nochtrainer Zorniger wird auch keinesfalls mit einem vergoldeten Arsch (ohne Tritt) vor die Tür gesetzt. Wenn er die nächsten Spiele verliert.

Das Gewissen des Fußballs wurde in Leipzig durch sechsunddreißig gewaltfreie Ultras vertreten. Vorm Spiel zeigten sie, stellvertretend für das Gute in der Welt des Fußballs, ein Banner mit folgender aufständischer Aufschrift. Vorderseite: 50 + 1 muss bleiben. Rückseite:  Red Bull vertreiben.

Fanlogik. Einfach und geradeaus. Wir haben Tradition und waren zuerst da. Davonjagen wie eine Herde Zuchtochsen, diese lästigen Eindringlinge, diese Zuwanderer in unser zuckersüßes Fußballdeutschland e.V?

Lok Leipzig, Chemie Leipzig, Sachsen Leipzig, VFB Leipzig -  die Nachwendegeschichte des Leipziger Fußballs ist eine Story des elenden Scheiterns.

Dunkel nach der Wende, Leipzig war am Ende, Jetzt Kommen wir wieder RBSL!, singen die RB-Fans.  e.V. war gestern. Leipzig will Spitzenfußball. Ob mit oder ohne Mitgliedervotum, wenn das große Geld in den Fußball einsteigen will, macht die Mehrheit der Fans Männchen. Sie wollen Siege, Meisterschaften, Europapokale. Wer will es ihnen verübeln?

Knapp 8000 Zuschauer bevölkerten den Eispalast, keine schlechte Zahl. Nach jedem Sieg fordern sie ihr Recht auf Party ein. Der halbe Fanblock wird von ganzen Familien bestückt. Vater, Mutter, Kind. Viele der Fans gehen zu RB, um etwas Neues zu erschaffen, gegen das vermeintliche Vorrecht der Etablierten. Sie sehen sich als Gegenstück zu den verkrusteten Leipziger Strukturen. Fans mit Spaß am erfolgreichen Fußball, ohne Gewalt und politischen Hintergrund. Weder Ultrarechts noch Ultralinks. In ihren Liedern äußern sie ihre Verbundenheit mit ihrer Heimatstadt. Leipzig wird besungen, nicht Red Bull. Es gibt einen kleinen Prozentsatz kritischer Fans, die auf Distanz zum Dosenhersteller gehen. Sie nennen sich Rasenballisten. Fußballfanatiker, die ihren Verein nicht konsumieren, sondern leben wollen. Volkes Stimme wird durchaus beachtet. Die RB-Chefs  geben sich bisher tolerant, vielleicht sind sie es auch. Das blutjunge Leipzig geht heute zu RB. Weil dort richtiger Fußball gespielt wird. Weil sie schon ihren Kindergeburtstag im Stadion gefeiert haben. Weil Red Bull toll schmeckt und nach Sebastian Vettel riecht. Weil es dort abgeht. Weil RB die Revolution des Profisports ist. 2025 ist RB wahrscheinlich ein normaler Verein.

Neben mir stehen fünf entspannte Zivilpolizisten. SKB. Szenekundige Beamte. Sie haben bei RB nicht viel zu tun. Nur wenn Ostclubs kommen, wird’s brenzlig. Für die Rasenballfans. Dann werden die versteckten Fanutensilien erst im Stadion aus den Jacken geholt. Der Leipziger Emporkömmling vereint den Rest Deutschlands in gerechtem Zorn. Sie nennen den Club DAS PRODUKT. Ersonnen von Red Bull einzig und allein, um Geld zu machen. Nicht umsonst tritt das kleine, ultra-affine Häufchen von RB im Internet mit verpixelten Gesichtern auf. RB-Fan sein bedeutet, Hass auf sich zu ziehen. Von allen anderen Fans gejagt und mordsmäßig verdroschen zu werden. Das erinnert an das Aufkommen des BFC Dynamo Ende der 70er Jahre in Ostberlin. Die waren auch am Anfang nur wenige Dutzend pubertierender Jungs. Häufig aus dem abbruchreifen Arbeiterbezirk Prenzlauer Berg, dort stand das Stadion des BFC, der Jahnsportpark. Die BFC-Fans bekamen anfangs Dresche von Stahl Riesa, Motor Suhl und Vorwärts Frankfurt. Und wurden jahrelang von Unionern durch Ostberlin gejagt. Euer Hass macht uns stärker. Das war doch geil, von allen gehasst zu werden. Neunundneunzig mal verkloppt. Irgendwann stehen geblieben. Von da an die Anderen verkloppt.

Einer der SKB`s  erzählt, beim Spiel gegen Halle haben sich letztens erstmalig RB-Fans gewehrt. Und auswärts bei Chemnitz sollen im Zug ein paar dicke Arme gesessen haben, die niemand kannte.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false