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Lachen ist gesund, findet unser Kolumnist Frank Willmann, erst recht beim Länderspiel Deutschland gegen Österreich.

© dpa

Willmanns Kolumne: Tomanischer Nationalfußball

Unser Kolumnist Frank Willmann ist kein Anhänger der deutschen Nationalelf. Das liegt weniger am spielerischen Geschehen auf dem Rasen als vielmehr an sangestechnischen Possen auf den Rängen im untergehenden Abendland.

Ich bin kein Fan der deutschen Nationalmannschaft. Das hat sich unter Jogi Löw nicht geändert, obgleich der von ihm inszenierte Fußball anschaubar ist. Was mir nicht behagt, sind die nationalistischen Geräusche, die als staubiges Lüftchen um die Spiele wabern. Explizit der in gehobener Feierlaune angestimmte Kurzgesang „Sieg“, eingeleitet durch rhythmisches Klatschen, behelligt mein ästhetisches Fußballempfinden ungemein.

Insofern blieb ich bis auf eine Ausnahme den Spielen der Bundesrepublik Deutschland fern. Das eine Spiel sah ich eines Tages in Nürnberg. Ich glaube, es war die glorreiche Elf von Liechtenstein, die sich in einer Art inoffiziellen Spielerei kurz vor einer Weltmeisterschaft von Deutschland versohlen ließ. Die Szenerie im Stadion - grausig. Neben sämtlichen Kegelbrüdern- und Schwestern Deutschlands auf Naherholung tollschockten die bösen Buben Nürnbergs und Umgebung die Gemütslage. Teigiger Blues in Edelweiß, allein fränkisches Bier blieb als halbschaler Trost.

Nach jedem der gefühlten zwanzig Tore hob die Bubenschar die Hände und ließ ihr „Sieg“ durchs Stadion schallen. Einige der mich umgebenden Kegelbrüder- und Schwestern fügten grinsend ein klitzekleines „Heil“ hinzu, fast ein Heilchen nur. Es bereitete ihnen fühlbar Freude. War es die Lust an der Provokation, einmal frech sein, wenigstens in der Freizeit? Oder entsprach es dem heimlichen Sehnen nach einer heroischen Gestalt als Panzersperre in den Stürmen der Zeit? Vielleicht war es auch einfach nur dumm. Die Mehrzahl der Zuschauer beteiligte sich nicht am „Sieg“ Spektakel. Es wurde als folkloritische Traditionseinlage registriert. Ich bin damals aus dem Stadion desertiert, die Kakophonie war nicht auszuhalten.

Auch die in den Nullerjahren von findigen Geschäftsleuten organisierten Massenfeste für fußballhungrige deutsche Partygänger waren mir ein Graus. Diese Form der sakramentalen Segnung erfreut sich seither großer Beliebtheit. Die Amüsiermeile als erhabener Ort der Massenorgie. In schwarzrotgoldener Bemalung und Kostümierung Eins sein mit dem zufälligen Nachbarn und der Nachbarin. Die Bürden des Lebens vergessen. Seltsamerweise nur anlässlich der Spiele der Männernationalmannschaft, wie uns die letzte Frauenfußballweltmeisterschaft bewies. Das deutsche Feiervolk amüsiert sich am liebsten beim formvollendeten Ballgetändel halbnackter Männerkörper. Ich bin mir nicht ganz darüber im Klaren, ob ich das als puren Sexismus verstehen darf. Gegebenenfalls gibt es daran auch nichts zu verstehen.

Zweitklassige Österreicher und sechstklassige Färöer erfreuten dieser Tage wieder die Fußballherzen an den Fernsehern der Republik. Als ich am Freitag den Apparat mit dem Herbeizaubern des Spieles Deutschland gegen Österreich beauftragte, klangen überraschende Laute an mein Ohr. „Schwuler, schwuler DFB“ dröhnte es im Austriasprech. Wo ist Deutschland, fragte ich mich. Wie konnten verrückte Österreicher unser München erobern? Wer hatte es ihnen so leicht gemacht? Wo sind all die „Sieg“-Brüller geblieben, die früher so schöne Stimmung im Stadion gemacht haben?

Leider trat auf dem Rasen keine Gestalt wie Kevin-Prince Boateng auf den Plan, der anlässlich rassistischer Pöbeleien gegen seine Person einfach mit der gesamten Mannschaft des AC Mailand das Spiel beendete. Die deutschen und österreichischen Spieler taten, als hörten sie nichts. Vielleicht hörten sie auch wirklich nicht mit ihren Ohren, die einzig dazu gemacht sind, bei Kopfbällen dem Ball mit einer ganz bestimmten Berührung das exakte Drifting zu verschaffen? Auch der Schiedsrichter und die UEFA taub auf allen Ohren. Und der DFB?

Zivilcourage steht bei den DFB-Opas oft und gern auf unschuldigem Papier. In echt reagierten die Ohren der Adressaten der „Schwuler, schwuler DFB“-Schnulze nicht. Da auch aus dem Himmelreich kein Himmelswesen herabschwebte, wurde weiter gekickt. Desgleichen blieben im öffentlich rechtlichen Fernsehen, welches gern als Gewissen der Nation auftritt, wenn es beispielsweise um das Abbrennen von bengalischen Feuern durch gefährliche Ultras geht, die Finger der Tugend ungehoben. Vielleicht ist das auch etwas viel verlangt von einer Person wie Katrin Müller-Hohenstein, die sich gern mal vor schlichter Verzückung einen inneren Reichsparteitag gönnt. Das wir uns in den von der Fifa ausgerufenen sogenannten Fairplay-Wochen befinden, interessierte alle Beteiligten einen Dreck. Vor Spielbeginn schnackten die beiden Kapitäne noch mutig ihren Text runter, begleitet vom rechtschaffenem Applaus des Publikums.

Doch nun schauten die Münchner Fans an ihren Klatschpappen ängstlich zur österreichischen Wand, voll böser Ahnung, welche Gestalt sich denn nun wieder aus dem homophoben Mob erhöbe. Ja, wo waren nur die deutschen Jungs mit den schwarzen Hälsen, den roten Blumenkohlohren und den gelben Zähnen, um dem Meer der Ösis wenigstens ein entschlossenes „Sieg“ entgegen zu jodeln? Mein Sohn und icke hatten was zu lachen. Wir lachten über diesen Haufen anständiger Narren. Denn wie schon die heilige Dietlind, festgezurrt am Bio-Döner-Spieß der Teufelsanbeter beim Stanglwirt (Gazprom, Beckenbauer, Blatter und der ganze Rest) voll Freude verkündete, ist Lachen die beste Medizin.

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