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Es ist ruhig geworden um Uli Hoeneß. Zeit, ein paar Bücher über ihn zu lesen.

© dpa

Willmanns Kolumne: Uli Hoeneß - die gesammelten Werke

Das deutsche Volk atmet auf. Bei der WM in Brasilien ist bis Freitag Pause. Unser Kolumnist Frank Willmann nutzt die Zeit, um sich mal wieder den einheimischen Schelmen zuzuwenden.

Wo sind eigentlich all die rührseligen Bayern-Fans geblieben, die mit Uli in den Knast gehen wollten. Ich kenne selber einen persönlich, dessen Namen ich aus manierlicher Salonfähigkeit nicht nennen mag. Das weite Feld der Uli-Hoeneß-Forschung. Der Uli selbst sitzt im Landsberger Knast und „seine“ Zeitung mit den vielen weiblichen Nackedeis fragt sich bang, ob er dort die WM-Spiele gucken darf.

Ein wenig sind wir alle Höhlenforscher. Fast niemand weiß genau, was in den finsteren Kerkern der bundesrepublikanischen Demokratie mit Knastvögeln wie Uli passiert. Hinter jeder Weggabelung kann ein noch schlimmerer Bösewicht lauern, der es womöglich auf Ulis gewaltiges Vermögen abgesehen hat. Oder sich in seiner Psyche einnisten möchte. Wie der düstere Rabe in Edgar Allen Poes gleichnamigen Poem.  

Einst, um eine Mittnacht graulich, da ich trübe sann und traulich

müde über manchem alten Folio lang vergess’ner Lehr’ –

da der Schlaf schon kam gekrochen, scholl auf einmal leis ein Pochen,

gleichwie wenn ein Fingerknochen pochte, von der Türe her.

„’s ist Besuch wohl“, murrt’ ich, „was da pocht so knöchern zu mir her –

das allein – nichts weiter mehr.“

Gleich fünf Bücher versuchen aktuell, das Leben des einstigen Wunderdoktors des deutschen Fußballs zu eruieren. Die Botschaften schwanken zwischen einsamem Eierdieb und größtem Bundesliga-Manager von gestern bis heute. Uli hat alles gebaut: Die Wurstfabriken. Die Autobahnen. Pep Guardiola. Den Knast in Landsberg.

"Das kleine Uli-Hoeneß-Buch" stammt von Claus Feldner. Es ist eine Sammlung von Uli-Anekdoten und Uli-Lebensweisheiten. Uli als eher langweilige Ikone bajuwarischer Biederkeit. Der gebürtige Ulmer erlag schnell den Reizen der Lederhose, wies der Frau des Herzens den Platz am Herde zu und stand politisch auf Seiten der Reichen. Feldner hat Restsympathie, findet manchen Machospruch ganz nice und ist beeindruckt von Ulis Rattenfängermentalität.

Christoph Bauseweins "Das Prinzip Uli Hoeneß – Ein Leben in Widersprüchen", dringt beeindruckend gründlich in den Uli-Kosmos ein. 11Freunde sprechen gar von Bauseweinscher Trüffelschweinmentalität. Die erste Auflage trug noch den Titel "Das Prinzip Uli Hoeneß – Ein Leben für den FC Bayern". Sie kam vor dem großen Steuerbetrug auf die Ladentische, versuchte aber schon in der Erstauflage, den dunklen Seiten des Uli auf die Spur zu kommen. Überlagert wurde diese Auflage allerdings von der so genannten Lebensleistung des bis dato einflussreichsten Mannes im deutschen Fußball. Was bleibt von dieser Lebensleistung? Dieser Frage möge jeder Leser selbst nachgehen. Bausewein lässt uns tief in Ulis Lebenswirklichkeit blicken. Vom Jungstar zum Jungmanager, der, aus einigermaßen soliden Verhältnissen stammend, schon frühzeitig den Verlockungen des Mammon erlag. Ein Patriarch des Goldes, ein rot angelaufener, dauergestresster und selbstgerechter Moralapostel. Unermüdlich im Einsatz für seine persönlichen Geschäfte – und die des FC Bayern München. Seine Geldgier, seine Ruhmsucht hat sich für den Fußballclub ausgezahlt. Geld, Penunse und fette Kohle. Menschliche Problemfälle waren nicht nach seinem Geschmack. Dann packte er gern den Holzhammer aus und wütete, mal geradezu pfaffenhaft moralinsauer, mal prollig wie Dieter Bohlen. Jüngster. Klar hatte er ein Herz für die Schwachen. Wenn sie sich nicht wehren konnten. Sind ja auch nur Konsumenten und Teil des Geschäfts. Business is usual, sagt der Kapitalist Uli. Was bleibt? Ein mittelmäßig reuiger Börsenjunkie, ein psychisch kranker Spieler? Ein liebevoller Hüter des deutschen Fußballs und Freund des kleinen Mannes aus der Bayernkurve? Können 27,2 Millionen Euro lügen?

"In Hoeneß – Die Biografie" wandeln zwei bayrische Urviecher des Journalismus auf Ulis ausgelatschten Pfaden. Gerade die jahrzehntelange besondere Nähe von Patrick Strasser und Günter Klein zum FC Bayern und dessen Uli sind das größte Manko des Buches. Wer sich permanent in „nächster Nähe“ des Zauberers auffällt, verfällt irgendwann dessen Tricks. Der sachliche Blick des unabhängigen Beobachters trübt sich, nutzt sich nach einer bestimmten Zeit ab. Die beiden Autoren bieten keine gründliche Analyse der Person, sie verlieren sich im etwas distanzlosen Menscheln. „…Als allseits respektierte Persönlichkeit, höchst erfolgreich, sozial engagiert und mit vielen Preisen bedacht…“  Warum müssen solche Dinge am Anfang stehen? Das ist zu wenig Widerrede. Wird sicher einem eingefleischten, vor Liebe blinden Bayern-Fan gefallen. Für einen wissensdurstigen Leser, der in die Psyche eintauchen will, hat das Buch einfach zu wenig Tiefe.

Peter Bizer hat diese Kurve in "Uli Hoeneß. Nachspiel. Mensch, Macher, Mythos" passabel genommen. In einem Interview mit dem Tagesspiegel sagte Uli einst, er hielte sich für den sozialsten Menschen, den er kenne. Bescheidenheit ist nicht Ulis Stärke. Doch unter der dicken Schale kommt mitunter der Mensch zum Vorschein. Der eine Ahnung von sozialer Verantwortung hat, mitfühlt. Bis er wieder in Klischees und persönlichen Böschungen verschwindet. Diese Extreme hat Bizer fein ausgearbeitet. Ein psychologisierendes Buch, keine Detail versessene Biografie wie bei Bausewein. Trotzdem hilfreich, da es auf eine wohltuende Art Schwächen wie Stärken Ulis benennt.

Das beste Buch zum Schluss. "Juan Moreno Uli Hoeneß – Alles auf Rot". Es ist das frostigste Werk und geht mit Uli gepflegt ins Gericht. Eine Zierde jedes Eisschranks, mein Favorit, stilistisch brillant (und fast so böse wie der Uli selbst). Das Buch zur ewigen Verdammnis. Unsere kapitalistische Fußballwelt ist hässlich und gemein. Uli hat schamlos gelogen und betrogen. Uli als kulturferner Heiliger der Gier. Uli von Ehrgeiz zerfressen. Uli hat aus dem maroden FCB einen Weltverein gebastelt. Hat er wirklich die Autobahnen gebaut? Und die deutschen Wurstfabriken? Hat er kleinen Kindern die Hand geschüttelt und den FC St. Pauli gerettet? Ein Machtschwein. Immer einen Finger an der Stricknadel zur eigenen Legende. Ein Buch ohne Gnade. Bayern-Fans werden es hassen. Zitat Moreno: "Man könnte Hoeneß' öffentliches Bild mithilfe dreier Dostojewski-Romane umschreiben: Der Spieler. Schuld und Sühne. Der Idiot."

Wer ist der wahre Hoeneß? Eine elegante Lektürehilfe:

Das kleine Uli-Hoeneß-Buch: Respektloser Scharfmacher, Besserwisser-ein Macho? Geschichten, Anekdoten, seine Sprüche, Claus Feldner, 88 Seiten, Herkules Verlag 2013,  ISBN-13: 978-3941499799, 11,90 Euro passabel, muss aber nicht im Schrank stehen

Das Prinzip Uli Hoeneß. Ein Leben in Widersprüchen, Christoph Bausenwein, 496 Seiten, Verlag Die Werkstatt Auflage 2014,  ISBN-13: 978-3730701232, 14,95 Euro, gehört in jeden Bücherschrank

Hoeneß: Die Biografie, Patrick Strasser & Günter Klein, 304 Seiten, Riva Verlag 2014,  ISBN-13: 978-3868834352,  16,99 Euro, ein Buch für Uli- & Bayernfans

Uli Hoeneß. Nachspiel. Mensch, Macher, Mythos, Peter Bizer, 240 Seiten, Ellert & Richter Verlag 2014, ISBN-13: 978-3831905652, 16,99 Euro, passabel, muss aber nicht im Schrank stehen

Uli Hoeneß: Alles auf Rot, Juan Moreno, 288 Seiten, Piper Verlag 2014,  ISBN-13: 978-3492056601, 19,99 Euro, muss man besitzen!

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