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Der HFC steht kurz vor dem Klassenerhalt in der Dritten Liga.

© Frank Willmann

Willmanns Kolumne: Wie ich in Halle eine Uli-Hoeneß-Erscheinung hatte

Uli Hoeneß ist überall. Sogar in Halle. Dort ist er unserem Kolumnisten Frank Willmann erschienen. So kurz vor einem Spiel des HFC lag da natürlich eine Frage regelrecht auf der Hand.

Ein weiß-blasser Schatten schwebte im hellen Gewande durch die Hallenser Marktkirche. Ich überlegte lang, wo mir die bullige Gestalt mit der fliehenden Stirn schon mal begegnet war. Die Gestalt hielt sich in den Ecken der Kirche verborgen. Sie schien auf dem Weg zum Altarbild. Als eine Horde bibelfester Touristen den Platz freigab, huschte sie schnell vor den Opfertisch. Mit einem Ausdruck eindringlicher Selbstzufriedenheit betrachtete sie den linken, antirassistischen Flügel des Altarbildes. Dort sahen wir Kollege heiligen Mauritius bei der Arbeit. Das besondere an diesem Kerlchen ist seine Hautfarbe. Schwarz. Ein Mohr mit dunkler Hautfarbe, sagte die Fremdenführerin. Er taucht in diversen Stadtwappen auf, schwingt zum Beispiel im Großen Stadtwappen von Zwickau seinen Speer und wird in Magdeburg geradezu kultisch angebetet. Es scheint, die Ostler fliegen auf ihn. Der Bursche soll der Sage nach anlässlich eines Gemetzels bekehrt und kurz darauf von seinen einstigen Kameraden geröstet worden sein. Ursprünglich ein waschechter Römer, wechselte er 1000 Jahre nach seinem Tod seine Hautfarbe. Wie durch ein Wunder. Er hinterließ zwanzig heilige Lanzen, vier Kilo geweihte Vorhaut und neunundneunzig Knochensplitter vom linken kleinen Finger.

Als Bote der Kultur sind mir die schmutzigen, als auch die geleckten Ecken Fußballschlands in derselben Weise recht. Mittelschnell hatte ich in der lichten Gestalt vorm Altar Deutschlands populärsten Steuersünder erkannt. Das einstige Fußballgewissen der deutschen Nation, den letzten gerechten Bajuwaren, seit sich Beckenbauer vom Russen kaufen ließ.  

Er habe sich vom lieben Gott sein angewachsenes Sünder-Gen wegmachen lassen. Uli schwebte ein bisschen, als er diese Worte an mich richtete.

Auch du Uli, schluchzte ich und wusste in diesem Moment nicht, ob ich ihn voller Inbrunst umarmen sollte. Uli sagte, er wolle im Grunde lieber in den Himmel als in die Hölle. Deshalb würde er nun als geläuterter Sünder inkognito in Halle den Rest seiner Tage verbringen. Als Hilfskrankenpfleger. Da er ja ein guter Mensch sei, habe er all sein Geld dem siechen Ostfußball gespendet, den er seinerzeit mit kaltgemacht hätte. Nur ein wenig trockenes Brot sei ihm geblieben. Nun könne er endlich wieder schlafen, wache nicht mehr schweißgebadet auf.

Auch die Amigos der CSU wären über seinen Ortswechsel sehr begeistert. Er faltete die Hände und strahlte wonnetrunken. Von oben fiel ein Sternenregen herab und eine Hand reichte Uli einen kleinen Heiligenschein. Ich sagte, Uli: Wenn ich nach Hause komme, ziehe ich als erstes mein Feenkostüm an. Aber sprich, wie spielt der HFC heute? Uli wackelte, oder drohte, oder zeigte den kleinen Finger der rechten Hand.

Halle spielt gegen Aachen - ein seltsames Stück Fußballkultur

Bevor ich komplett wahnsinnig wurde, erlöste mich die Schar Berliner Exilhallenser, mit denen ich das Drittligaspiel Halle gegen Aachen zu betrachten gedachte.

Was war das denn für ein Freak? Fragten mich meine hochanständigen Reisebegleiter.

Oh, äh. Ein Tugendmolch, äh ein Strolch. Äh, ein Dings.

Echte Liebe.
Echte Liebe.

© Frank Willmann

Mein Yogalehrer hat immer gesagt: Unser Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann. Ich wär' so gern im Bayernlande, der Führer einer Fußballbande. Ich guckte kurz hoch zu Mauritius. Nach wie vor schwarz angemalt. Sollte mir das zu denken geben? War das ein Zeichen? Werden nun bald alle Menschen Brüder?

Im Hallenser Stadion folterte uns recht merkwürdige musikalische Muzak. Zuerst dudelfunkten "Die Saaletaler" ihre Liebe zum HFC unters Volk. Erinnerte an Dröhn-Bauernbums bei Optik Rathenow. Sodann tropfte Händels Halleluja in meine geschundenen Gehörgänge, die ich flink mit einigen fein ziselierten Hallorenkugeln stopfte. Immerhin tauchte Berlins Partygrinsekatze Wowi nicht auf, um im Hallenser Stadion einen Hubschrauberlandeplatz zu eröffnen.

Bei Aachen steht der abstiegserfahrene Hippie Rene van Eck als Trainer am Rand. Aachen ist längst insolvent. Ich gönne dem Verein alles Schlechte, was auch mit meiner Liebe zum FC Carl Zeiss zu tun hat. Aber das ist eine andere Geschichte. Handgezählte einhundert Aachener Totengräber und über siebentausend sachliche Hallenser verfolgten den jammervollen Kick. Keine Ahnung, warum Halle statt 1:0 nicht 22:0 gewonnen hat. Chancen hatten sie für drei Spiele. Aachen glänzte in dieser Saison allein durch finstere Szenen innerhalb der eigenen Ultraszene. Die linken Ultras wurden von der rechten Ultragruppierung Karlsbande aus dem Stadion geboxt. Lange hat in Aachen darauf niemand reagiert. Nun wurden letzte Woche endlich zwanzig Köpfe der Karlsbande mit Stadionverboten belegt. Trotzdem wehte in Halle ihr Banner, zugegeben kopfunter, war schön anzusehen. Ab Minute siebzig verließen die Karlsbandidos als echte Fans das Stadion, hoffentlich für immer. Halle sang auf der Hintertortribüne durch, immerhin hat man als Aufsteiger fast den Klassenerhalt sicher, ein Punkt fehlt noch. Vor und nach dem Kick sammelten die Halleneser Ultras Unterschriften für den Erhalt des Hallenser Uniklinikums.

Der versierte Verlierertrainer van Eck schleuderte anfangs wie immer forsch sein Haupthaar. Die zweite Halbzeit verbrachte er komplett im Bunker der Auswechselbank. Welchen Club er wohl im nächsten Jahr gegen den Baum fährt? Ich hätte da eine sehr gute Idee...

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