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Im Regen? Wimbledon steht mit seiner Entscheidung zumindest in der Kritik.

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Wimbledon-Ausschluss von Russen und Belarussen: Ein Fall von Diskriminierung – oder wie politisch der Sport sein darf

Wimbledon schließt Russen und Belarussen vom Tennisturnier aus – und erntet dafür teils heftige Kritik. Gehen die Veranstalter zu weit? Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jörg Leopold

Wie soll man umgehen mit russischen und belarussischen Sportlern in Zeiten des Krieges? Seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine suchen Verbände und Veranstalter nach Lösungen. Weitgehend klar war bisher, dass Nationalteams der beiden Länder von internationalen Wettbewerben ausgeschlossen sind und Athleten nicht unter der Flagge ihrer Staaten antreten dürfen.

In Wimbledon gehen die Veranstalter nun noch einen Schritt weiter und haben alle Russen und Belarussen von der Teilnahme ausgeschlossen, auch sonst dürfen diese nicht bei den Rasenturnieren in diesem Sommer in Großbritannien antreten. Bei den Frauen betrifft dies mit Aryna Sabalenka eine Top-Ten-Spielerin, bei den Männern mit Daniil Medwedew und Andrej Rubljow sogar deren zwei. Rubljow, der sich seit Beginn des Krieges wiederholt für Frieden ausgesprochen hat, findet das „diskriminierend“ und ist damit nicht allein.

Viele Tenniskollegen halten den Bann für unverhältnismäßig, Novak Djokovic nannte die Maßnahme „verrückt“, Martina Navratilova sprach davon, dass die Politik ihren Sport zerstöre und auch Billie Jean King „kann den Ausschluss einzelner Athletinnen von Turnieren nur wegen ihrer Nationalität nicht unterstützen“, wie sie bei Twitter schrieb.

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Die ukrainische Topspielerin Jelena Switolina sprach sich dafür aus, dass sich Russen und Belarussen klar gegen ihre Regierungen positionieren sollen. In einem BBC-Interview sagte sie aber auch: „Wir wollen sie nicht komplett ausgeschlossen haben.“ Die Männer-Spielergewerkschaft ATP warnte davor, einen „schädlichen Präzedenzfall“ zu schaffen und die WTA-Frauentour denkt offenbar sogar über eine Abwertung des Wimbledon-Turniers nach, in dem die dort erzielten Weltranglistenpunkte nicht gezählt werden.

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Sportler sehen sich oft als große Familie. Gerade im Tennis ist das so, wo Nationalitäten ohnehin keine so bedeutende Rolle spielen und die Profis eher als Ich-AGs unterwegs sind. Auch deshalb kommt die ablehnende Haltung vieler Spielerinnen und Spieler gegen die Wimbledon-Entscheidung nicht überraschend.

Und so stellt sich am Ende wieder die Frage, wie politisch der Sport sein darf. Hier eine klare Linie zu ziehen, ist bisher nicht gelungen. Der All England Club geht – wohl auch auf Druck der britischen Regierung – zu weit. Und er nimmt russischen und belarussischen Profis damit auch die Chance, auf der größten Bühne des Tennissports Haltung zu zeigen.

Russen und Belarussen wird die Möglichkeit genommen, in Wimbledon Haltung zu zeigen

Sportler ohne Unterschied pauschal dafür zu verurteilen, dass sie aus Ländern kommen, die ein anderes mit Krieg überziehen, führt eher dazu, die Gräben zu vertiefen. Dass diese Spieler oft gar nicht die Macht dazu haben, sich öffentlich gegen ein Regime zu stellen, wird dabei ausgeblendet. Sie nun kollektiv auszusperren, dürfte bei den Betroffenen kaum dazu führen, dass sich daran etwas ändert.

Klar ist, es gibt kein Patentrezept für den richtigen Umgang mit Sportlern aus Ländern, die Angriffskriege führen. Was Wimbledon jetzt verfügt hat, darf aber zumindest kritisch hinterfragt werden. Genau das tun Spieler und Verbände nun. Denn so demokratisch darf der Sport schon sein.

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