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© AFP

Wimbledon-Finale: Finale Familienaffäre - Venus gegen Serena:

Venus und Serena Williams sollen am Samstag in Wimbledon um den Titel streiten. Wer von beiden die goldene Schale auch gewinnen mag, es wird in jedem Fall ein Sieg für die Familie.

Es bedarf nicht viel Fantasie, um sich das Szenario vorzustellen: Irgendwo im Wimbledon Village, unweit der weltberühmten Tennisanlage, hat sich Familie Williams in ihrem angemieteten Haus um den Frühstückstisch versammelt. Cornflakes und Müsli stehen bereit, die Schwestern Venus und Serena albern und kichern ein wenig herum, wie sie es so oft tun. Irgendwann wird dann ihr gestrenger Vater Richard das Wort ergreifen und verkünden, wer von beiden am Ende des Tages das Finale gewinnen darf. Und sie würden gehorchen. So in etwa könnte es ablaufen, wenn die Gerüchte stimmten, die sich hartnäckig seit dem Ende der neunziger Jahre halten, als die beiden US-Amerikanerinnen begannen, im Frauentennis für Furore zu sorgen. Fünf Jahre lang hatte es keinen Grund mehr für derartige Verdächtigungen gegeben, da sich Venus und Serena nicht mehr in einem Endspiel gegenüberstanden. Doch in Wimbledon wird es am Samstag den dritten finalen „Sister Act“ geben, das 16. Duell der beiden Weltklassespielerinnen insgesamt. Und prompt ist die einstige „Familien-Affäre“ wieder präsent.

Jelena Dementjewa war die Erste, die nach ihrer 1:6 und 6:7-Niederlage im Halbfinale gegen Venus Williams ihre Vorbehalte äußerte: „Natürlich wird es eine familieninterne Entscheidung. Ich weiß nicht, wie das genau aussehen wird. Aber die beiden stehen sich sehr nahe und für einen richtigen Wettkampf wäre es ohnehin besser, wenn jemand anderes im Finale wäre.“ Erwartet barsch reagierte die 28-jährige Venus auf die Unterstellung der Russin: „Das ist eine Unverschämtheit. Ich bin sehr professionell, sowohl auf als auch neben dem Tennisplatz. Ich finde solche Andeutungen sehr respektlos mir und meiner Familie gegenüber.“ Ihre Schwester Serena zog es vor, nur mit einem sarkastischen Kommentar zu antworten: „Ich werde Venus einfach sabotieren und ihr alle Cornflakes wegessen. Dann hat sie keine Chance mehr gegen mich.“

Es habe jedoch eine Zeit zu Beginn ihrer Karrieren gegeben, fügte Venus Williams hinzu, da habe sie gespürt, dass ihre Familie den ersten Titel für sie gewollt hätte: „Ich bin die Ältere und sie dachten wohl, Serena hätte später noch Zeit. Aber gesagt haben sie nie etwas.“ Inzwischen hat Venus Williams sechs Grand-Slam-Titel gewonnen, ihre um ein Jahr jüngere Schwester sogar acht. Sie scheinen längst über das Stadium hinweg, in dem der Sieg für eine von beiden eine größere Bedeutung hätte und eine familiäre Entscheidung überhaupt von Nöten wäre. Recht hat Dementjewa wohl einzig mit ihrem Einwand, dass ein Finale der beiden den Zuschauern nicht das besondere Prickeln bescheren wird, den ein erbitterter Zweikampf zwischen Rivalinnen normalerweise verspricht. Dafür kennen sie sich zu gut, dafür stehen sie sich zu nahe und wollen der anderen im Grunde nicht weh tun. So war es bereits bei ihren beiden letzten Begegnungen in Wimbledon 2002 und 2003, als Serena sich nach ihren Siegen fast nicht einmal traute, ausgelassen zu jubeln.

Doch nachdem die besten vier Spielerinnen im Feld allesamt noch vor dem Viertelfinale ausgeschieden waren und damit eine historische Negativmarke setzten, stürmten die Williams-Schwestern mit ihrem harten und kraftvollen Spiel nahezu ungehindert bis ins Endspiel. Und obwohl Venus Williams als Titelverteidigerin antrat, war ein finales Familientreffen im Vorfeld nicht unbedingt zu erwarten gewesen. Denn das Jahr ihrer absoluten Dominanz der Williams-Schwestern lag bereits sechs Jahre zurück, als beide nacheinander die Nummer eins der Welt wurden und keine anderen Gegnerinnen in den Grand-Slam-Finals duldeten. Doch langwierige Verletzungen warfen beide stetig zurück und auch ihre vielfältigen Interessen abseits des Tennis, wie eigene Modelinien, schauspielern, ein Fernstudium oder die Gründung eines Innenarchitekturbüros beanspruchten ihre Zeit. Und so traten sie nur bei wenigen ausgewählten Turnieren an.

Als Nummer sechs und sieben stehen sie sich nun erneut gegenüber. Es sei „wie ein Neubeginn für uns“, sagt Serena Williams. „Wir haben es verdient, weil niemand so hart arbeitet, wie wir. Und wir glauben immer daran, dass wir die Besten sind.“ Wer von beiden die goldene Schale heute in Wimbledon auch gewinnen mag, es wird in jedem Fall ein Sieg für die Familie Williams.

Petra Phillipsen[London]

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