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Geballte Kräfte. Venus Williams beeindruckt derzeit in Wimbledon.

© AFP

Wimbledon-Halbfinale gegen Angelique Kerber: Venus Williams - Superheldin ohne Kostüm

Venus Williams spielt mit 36 Jahren in Wimbledon wieder groß auf – im Halbfinale trifft sie am Donnerstag nun auf Angelique Kerber.

Wenn Venus Williams im August bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro den Tennisplatz betritt, dann wird die Amerikanerin ein ganz besonderes Outfit tragen. Venus Williams hat sich neben ihrer Karriere längst einen Namen als Designerin gemacht, und ihre Olympia-Kreation ist weit mehr als nur den blau-rot-weißen Farben der US-Flagge gewidmet. „Es ist inspiriert von Wonder Woman“, sagt Venus Williams. „Sie ist immer meine Inspiration, das ändert sich nie.“

Die älteste Comic-Heldin, in den 1940er Jahren als weibliches Pendant zu Superman erschaffen, verkörpert als Kämpferin gegen das Böse und für die Gerechtigkeit vor allem Stolz und Mut. Und es ist kaum verwunderlich, dass Venus Williams eine Bindung zu dieser Figur spürt. Besonders während der vergangenen sechs Jahre, als bei ihr die Autoimmunerkrankung Sjögren-Syndrom diagnostiziert wurde. Sie hätte mit dem Schicksal hadern können oder gleich aufgeben, doch sie hat gekämpft und tut es noch immer Tag für Tag. Nun ist sie zurück, im Halbfinale von Wimbledon – und das mit 36 Jahren. Mit ihren ganz eigenen Superkräften.

Fünfmal hat sie Wimbledon schon gewonnen

„Ich spüre in meinem Innern so eine Unendlichkeit, die einem das Gefühl gibt, ich könnte immer so weitermachen“, sagt Venus Williams. „So fühle ich mich zumindest auf dem Tennisplatz. Und solange ich halbwegs ordentlich spiele, meinen Schläger noch an den Ball kriege, so lange ist bei mir immer noch viel möglich.“ Und sie spielte mehr als ordentlich bei ihrem 19. Wimbledon-Turnier, das sie bereits fünf Mal gewann. Belohnt wird sie mit dem ersten Halbfinale bei einem Grand Slam seit den US Open vor sechs Jahren – und einem Duell mit der Deutschen Angelique Kerber.

Nur wenige hätten der älteren der beiden Williams-Schwestern ein derartiges Comeback zugetraut. Denn die Diagnose im Sommer 2011 war niederschmetternd für die siebenmalige Grand-Slam-Turniersiegerin. Dauernde Müdigkeit, Schwäche und fehlende Energie waren die Folge. Monatelang war nicht an Tennis zu denken, sie rutschte aus den Top 100. Doch ihre Willenskraft ist von jeher enorm gewesen.

Venus Williams trat die Herausforderung gegen ihre Krankheit an. „Aufzugeben wäre sicher der einfachste Weg gewesen“, betont sie. „Aber damit kann ich nichts anfangen.“ Sie stellte ihr Leben komplett um, ihre Ernährung, ihre Ruhephasen, ihr Training. Zusehends bekam sie die Auswirkungen der Krankheit mit ihrer eisernen Disziplin besser in den Griff. Die schlechten Tage wurden seltener. Inzwischen gewinnt sie wieder Titel, ist gar seit zwei Jahren zurück in den Top Ten der Weltrangliste.

Ihre Autoimmunerkrankung hat sie überwunden

„Ich hadere nicht mit dem Schicksal“, sagte Venus Williams. „Ich kann es nicht ändern. Aber die sechs Jahre sind zum Glück schnell vorbei gegangen. Es war eine lange Reise, doch die hat mich stärker gemacht.“ Auch in Wimbledon, da fühlte sie sich mit ihrer Aufschlaggewalt bei ihren 1,85 Meter Körpergröße von jeher zu Hause. Nun bezwang sie dreimal Gegnerinnen, die 20 Jahre jünger waren als sie. Zweimal musste sie über drei Sätze gehen, einmal sogar bis 10:8 im entscheidenden Durchgang. Insgesamt stand sie mehr als zehn Stunden auf dem Platz – im Einzel.

Denn nebenbei erreichte sie mit ihrer Schwester Serena noch das Doppel-Viertelfinale. Nur Martina Navratilova war 1994 mit 37 Jahren als Halbfinalistin ein wenig älter, aber Venus Williams’ Lauf beeindruckt noch mehr. „Venus ist so eine großartige Kämpferin“, sagt Serena Williams bewundernd. „Mit allem, was sie durchgemacht hat, ist sie als Mensch unglaublich stark geworden. Sie inspiriert mich.“ Manche Heldinnen brauchen eben kein Kostüm.

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