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Aggressiv, aber ohne Präzision. Philipp Kohlschreiber unterlag dem Italiener Simone Bolelli.

© dpa

Wimbledon: Philipp Kohlschreiber scheitert in Runde zwei

Nach zuletzt guten Leistungen auf Rasen und großem Optimismus scheitert Philipp Kohlschreiber in Wimbledon schon in der zweiten Runde.

Nach seinem Erstrundensieg am Dienstag hatte sich Philipp Kohlschreiber noch gewünscht, er möge von der Turnierleitung im All England Club doch möglichst früh für seine nächste Partie angesetzt werden – der 30 Jahre alte Augsburger wollte nachmittags unbedingt noch das WM-Spiel zwischen Deutschland und den USA anschauen. Ob es ein Zufall war oder seinem Wunsch tatsächlich entsprochen wurde, blieb offen. Doch noch lange bevor das letzte Gruppenspiel der deutschen Mannschaft angepfiffen wurde, stand fest, dass Philipp Kohlschreiber nun ausgiebig Zeit haben würde, sich der Fußball-WM zu widmen. Denn der seit dem verletzungsbedingten Saisonaus von Thomas Haas beste deutsche Tennisprofi unterlag in der zweiten Runde von Wimbledon Simone Bolelli nach drei Stunden mit 6:4, 4:6, 3:6, 6:2 und 5:7. Nachdem auch Julian Reister ausgeschieden war, ist nun kein männlicher deutscher Tennisprofi mehr im Turnier.

Dabei hatte Kohlschreiber nach seinem Auftaktsieg gegen Igor Sijsling noch so selbstbewusst und zufrieden mit sich gewirkt wie bereits in den vergangenen Wochen. „Ich habe heute alles richtig gemacht“, betonte er am Dienstagabend noch, „ich bin sehr zufrieden mit meiner Rasenform und natürlich Favorit gegen Bolelli.“ Der 28 Jahre alte Italiener war zwar mal die Nummer 36 der Welt, doch das ist fünf Jahre her. Seither dümpelte er durch Verletzungen und Motivationsprobleme bedingt in tieferen Gefilden der Rangliste. Zum Saisonbeginn war Bolelli noch die Nummer 320, mittlerweile hat er sich auf Rang 132 vorgearbeitet. Damit liegt er dennoch mehr als 100 Plätze hinter Kohlschreiber, der Nummer 28. Es hätte eine klare Angelegenheit für den Deutschen werden müssen, der beim Vorbereitungsturnier im westfälischen Halle noch im Halbfinale stand. Doch schon von Beginn an geriet Kohlschreiber gegen den Außenseiter ins Hintertreffen. Beinahe hätte er im ersten Satz gar mit 0:4 hinten gelegen, Bolelli wirkte in jeder Hinsicht spritziger und präsenter und mitunter so gut wie in seinen besten Tagen. Vor drei Jahren hatte Bolelli zuletzt in Wimbledon die dritte Runde eines Grand Slams erreicht. Damals bezwang er Stanislas Wawrinka.

Nun gelang ihm sein größter Triumph seit langer Zeit. Auf dem Weg zurück von Court No. 17 zur Umkleide ließ sich der Italiener dann auch immer wieder drücken und umarmen, für ihn war es vielleicht die Rückkehr zu besseren Zeiten. Für Kohlschreiber dagegen war es ein Rückschlag, und wohl ein schmerzlicher. Denn offenbar hatte der Viertelfinalist von 2012 Probleme mit seinem Rücken. Beim Stand von 1:4 im dritten Satz nahm Kohlschreiber eine Verletzungspause und ließ sich auch bei einem weiteren Seitenwechsel nochmal behandeln. Er wirkte leicht gehandicapt, dennoch schien er auch im fünften Satz mit Bolelli noch mithalten zu können. Kohlschreiber brachte es auf 45 Winner und 35 leichte Fehler, sein Kontrahent hatte fast identische Werte. Es war ein Indiz, dass sie beide aggressiv und mit Risiko spielten. Für Bolelli ging die Rechnung am E, als Kohlschreiber beim Stand von 5:5 zum ersten und einzigen Mal seinen Aufschlag abgab.

Auch Julian Reister konnte beim 6:7 (7:9), 4:6, 4:6 gegen den Usbeken Denis Istomin nicht verhindern, dass erstmals seit 2011 kein Deutscher in der dritten Runde von Wimbledon steht. Kohlschreiber indes verließ mit hängendem Kopf den Platz. Für einen, der derzeit so offensiv seine Top-Ten-Ambitionen vor sich herträgt, war das frühe Aus eine Enttäuschung. Erst kürzlich hatte sich der ehemalige Davis-Cup-Spieler von seinem Coach Markus Wislsperger getrennt und dafür seinen Manager Stephan Fehske auch noch zu seinem Trainer gemacht. Kohlschreibers Turniersieg in Düsseldorf, der Fünfsatzkrimi gegen Andy Murray in der dritten Runde von Paris und die meist überzeugenden Leistungen in Halle bestätigen den eigensinnigen Profi in den vergangen Wochen in seinem Weg. Obwohl der in der Branche auch kritisch gesehen wird. „Ich habe hart gearbeitet und dran geglaubt“, sagte Kohlschreiber. Es wird sich nach Wimbledon zeigen, ob er tatsächlich auf dem richtigen Weg ist.

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