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Sport: Winken und weinen

Hanka Kupfernagel siegt bei der Cross-WM und zeigt ungewohnte Gefühle

Mal schlug sie die Hände vors Gesicht, dann riss sie wieder die Arme in die Höhe. Winkend und weinend rollte Hanka Kupfernagel über die Zielgerade. Auch bei der Siegerehrung im Regenbogentrikot kullerten ein paar Tränen. Dass sie ihren Gefühlen freien Lauf ließ, ist untyisch für die erfolgsgewohnte Radrennfahrerin. Die Atmosphäre vor 20000 Zuschauern im winterlichen St.Wendel und ihr Sieg bei der Radcross-Weltmeisterschaft vor der Schwarzwälderin Sabine Spitz hatte die 30-Jährige überwältigt. „Das war ein tolles Gefühl, als ich ins Stadion einbog, das kann mir keiner mehr nehmen“, sagte Kupfernagel. Sie sei zum Schluss „über den Kurs geflogen“.

Derlei Gefühle hatte Hanka Kupfernagel 2000 und 2001 bei ihren ersten beiden WM-Titeln im Querfeldein nicht gezeigt. Damals war die Favoritenrolle allerdings nicht so groß gewesen. Trotzdem sei sie jetzt lockerer als in den Jahren zuvor, hatte sie vor dem Rennen verraten. Vielleicht auch, weil ihr Trainer Mike Kluge (42) seit einem Jahr auch ihr Lebensgefährte ist. Der dreimalige Weltmeister im Querfeldeinfahren habe ihr die „Ruhe und Kraft gegeben, meine eigenen Stärken zu entdecken und selbstbewusst in dieses Rennen zu gehen“. Der Lehrer war denn auch unerbittlich gewesen. „Hanka musste, ob sie wollte oder nicht, all meine Weltmeisterschaften auf Video ansehen“, sagte Mike Kluge, „um aus meinen Fehlern zu lernen.“ Dabei ging es nicht nur um die Technik, sondern, so Kluge, auch „um das emotionale Befinden“. Er sagte: „Sie ist mit diesem Druck fertig geworden, das war hundertprozentig professionell.“

Auf dem 2,8 Kilometer langen Kurs mit Hindernissen, Treppensteigen, Eis und Schnee hatte Hanka Kupfernagel schon früh alle Konkurrentinnen abgehängt. Vor allem ihre bisherige Schwäche, die Technik beim Hürdenspringen und Treppenklettern mit geschultertem Rad, wurde zu ihrer Stärke. Beim kräftigen Tritt in die Pedale war die Olympiazweite im Straßenrennen von Sydney ohnehin bereits einsame Klasse. Vor der letzten Runde wechselte sie auf Anweisung Kluges das Rad – zur Sicherheit. Im Training hatten sie zwei Defekte verunsichert.

Im Ziel nach 17 Kilometern und 41:42,5 Minuten hatte Hanka Kupfernagel 28 Sekunden Vorsprung vor Sabine Spitz aus Bad Säckingen. Die Olympiadritte mit dem Mountainbike von Athen bestritt ihre erste Cross-Weltmeisterschaft und hatte in der vorletzten Runde an der Treppe die beiden Französinnen Leboucher und Marylin Salvetat abgeschüttelt. Für Sabine Spitz hatte sich die frühe Anreise ins Saarland ausgezahlt. „Ich habe eine Woche lang hier trainiert und den vereisten Kurs richtig kennen gelernt, das war ein Vorteil.“ Das Rad der Weltmeisterin wird nun im Internet versteigert. Ein Teil des Erlöses kommt den Opfern der Flutkatastrophe in Asien zugute, der andere Teil Kinderheimen in St.Wendel und in Kupfernagels Wohnort Werder in Brandenburg. Hanka Kupfernagel sagte, bei all den Spenden müsse man „auch vor die eigene Haustür gucken“.

Hartmut Scherzer[St.Wendel]

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