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Talfahrt oder Sprungchance? Im Gegensatz zu Sotschi stehen in Garmisch-Partenkirchen vor der Wahl schon Sportanlagen.

© dpa

Winterspiele 2018: Mauscheln zum Olympiasieg

Ob München am Mittwoch den Zuschlag für die Winterspiele 2018 erhält, hängt nicht vom Konzept ab – es geht ums Strippenziehen und um große Versprechungen.

Berlin - Viele bunte Bilder werden am Mittwoch in Durban gezeigt, strahlend blauer Himmel, schneebedeckte Berge, fröhliche Menschen. In jeweils einer Stunde werden München, Pyeongchang und Annecy, die drei Bewerberstädte um die Olympischen Winterspiele 2018, alles versuchen, um die 110 Mitglieder des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) endgültig für sich zu gewinnen. Denn am Mittwochnachmittag stimmt das IOC ab und entscheidet wieder einmal über ein Milliardenprojekt.

Gut möglich, dass all diese bunten Bilder umsonst gezeigt werden. Weil sich ohnehin schon alle Mitglieder für einen Kandidaten entschieden haben und sich in den drei Stunden nur noch berieseln lassen werden. Doch die Präsentation zu verkürzen, käme dem Eingeständnis gleich, dass längst andere Faktoren über die Stimmen entscheiden als das beste Konzept für die Spiele und die Sportler.

Die allgemeine Einschätzung lautet derzeit: München liegt knapp hinter Pyeongchang, Annecy ist abgeschlagen. Es ist ein gefühlter Eindruck von Sportfunktionären, Politikern, Journalisten, der sich auf Erfahrungswerte beruft und auf die Faktoren, die für die Abstimmung am Ende entscheidend sind.

Der Evaluierungsbericht. Weil den IOC-Mitgliedern seit dem Korruptionsskandal um die Winterspiele 2002 in Salt Lake City der Besuch der Bewerberstädte verboten ist, reist eine Evaluierungskommission herum und erstellt einen Bericht. Seine Bedeutung für das Abstimmungsergebnis ist jedoch gering. Der Bericht beruht im Wesentlichen auf den Angaben der Bewerberstädte, nur an wenigen Stellen bringt die Kommission den Mut zu eigener Bewertung auf. Als es beispielsweise vor vier Jahren in Guatemala um die Winterspiele 2014 ging, gewann ein Kandidat, der beim Evaluierungsbericht deutlich schlechter abgeschnitten hatte als die beiden Mitbewerber: der russische Badeort Sotschi. Er konnte damals noch keine einzige olympiareife Sportstätte vorweisen.

Der Sportmarkt. Im IOC sitzen einige Vertreter von Sportverbänden, die genau im Auge haben, wo sie mit ihren Sportarten noch Geld verdienen können. Wo etwa neue Sportanlagen errichtet werden könnten, wo die Bevölkerung noch für Sport gewonnen werden kann. Das Geld lockt vor allem in weniger erschlossenen Märkten. München ist bereits Wintersportort, Deutschland Wintersportland, Olympische Spiele machen da nicht mehr viel aus. Neue Märkte liegen in Asien – ein Plus für Pyeongchang.

Die Sponsoren. Für das IOC zählt nicht nur, was aus einem Sportmarkt herauszuholen ist, sondern auch, was aus diesem Land an Geld kommt. Auf diese Weise hat Sotschi die Winterspiele bekommen. Mit Zusagen von Oligarchen, aber auch von der Regierung. Wladimir Putin nahm 2007 in Guatemala auch persönlich Einfluss und lud mehrere IOC-Mitglieder entgegen den Regeln zum Essen ein. Auch dieser Punkt spricht für Pyeongchang. Denn der südkoreanische Samsung-Konzern ist ein treuer und potenter Sponsor des IOC. Praktischerweise ist Samsung-Chef Kun-Hee Lee Mitglied im IOC. Deutsche Konzerne halten sich dagegen mit Engagement in der olympischen Bewegung weitgehend zurück.

Die Umwelt. Ein neuer Faktor, aber ein sehr weicher, obwohl der Naturschutz bei Winterspielen eine besonders große Rolle spielt. Bei der letzten Vergabe setzte Salzburg stark auf die grüne Karte – und wurde von Sotschi verdrängt, das erst einmal großflächig roden musste. Jetzt tritt München als grünster Kandidat an und hofft, dass der öffentliche Aufschrei nach dem Zuschlag für Sotschi noch nicht verhallt ist.

Die Bevölkerung. Dass in Deutschland immer gerne gemeckert wird, dessen ist sich das IOC bewusst. Meinungsumfragen haben – wenig überraschend – in Pyeongchang höhere Sympathiewerte für die Olympiabewerbung gemessen als in Bayern. Doch das dürfte nur wenig ins Gewicht fallen. Zumal die Generalprobe der Münchner Spiele, die alpine Ski-WM in Garmisch-Partenkirchen, einen stimmungsvollen Eindruck hinterlassen hat.

Die sportpolitische Großwetterlage. Die letzten Entscheidungen über Großveranstaltungen wie die Vergabe der Fußball-WM 2022 an Katar zeigen, dass Sportfunktionäre die öffentliche Meinung nicht fürchten, wenn sie ihre eigenen Interessen durchsetzen wollen. Es ist eine spannende Frage, ob sich daran einmal etwas ändern wird. Das IOC gilt als weniger unanständig als die Fifa, weil seine Mitglieder kultivierter sind und sich zu einem kleinen Teil sogar aus Adelshäusern rekrutieren. Trotzdem hat Sotschi den Zuschlag bekommen. Ein Zeichen des Anstands können die IOC-Mitglieder diesmal schwer setzen, weil keiner der Kandidaten als unlauter gilt. Wenn überhaupt, hätte hier München einen leichten Vorteil. Denn Pyeongchang war wegen Sponsoringaktivitäten im Bewerbungsprozess gerügt worden. Interessant dürfte auch sein, ob den Mitgliedern Pyeongchangs langer Bewerbungsatem eher kritisch oder angenehm auffällt. Die Südkoreaner sind bereits zum dritten Mal im Rennen.

Die Taktik. Der entscheidende Punkt. Im IOC gibt es viele Mitglieder, zum Beispiel aus Afrika, die sich für Wintersport nicht interessieren und daher allein aus taktischen Erwägungen abstimmen. Wenn sie auch ihre Stimme nicht verkaufen – verschenken wollen sie sie auch nicht. Hier beginnt das Dickicht der Absprachen und Angebote. Das kann der Bau einer Sportanlage sein oder auch das Versprechen, bei einer anderen Abstimmung behilflich zu sein. Auch Stimmenpakete werden hier geschnürt. Und hier mischen Agenturen mit. Ob München oder Pyeongchang die besseren Strippenzieher angeheuert hat, wissen sie wohl nicht einmal selbst.

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