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Völlig losgelöst. Die Snowboardcrosser heben im Finale ihres Wettbewerbs im wahrsten Wortsinne ab. Die spätere Olympiasiegerin Eva Samkova ist schon ganz vorn.

© Reuters

Winterspiele in Sotschi: Das Prinzip Olympia funktioniert

Ob Ski Alpin, Eiskunstlaufen oder Rodeln: Millionen Deutsche geben sich in diesen Tagen der Macht der Bilder hin. Vergessen ist die Vorgeschichte von Sotschi, die von Korruption, Ausbeutung und Umweltzerstörung handelte.

Durchs Ziel fahren, auf die Anzeigetafel schauen – auf welchem Platz bin ich gelandet? Arme hochreißen. Oder enttäuscht die Hände überm Helm zusammenschlagen. Seit einer Woche wiederholen sich täglich diese Szenen, auf den Pisten, Loipen, Eisbahnen von Sotschi. Ein simpler Ablauf, aber er fasziniert offenbar immer wieder. Denn so künstlich die Olympischen Spiele auch sein mögen, hineingeworfen mitten in die Landschaft, so echt sind die Gefühle der Sportler.

Die Macht der Bilder wird gerade bei diesen Olympischen Winterspielen deutlich. Weil auf ihnen die Politik so schwer wie wohl noch nie lastete. Es gab Bedenken, Vorbehalte, auch Ressentiments gegen Russland. Die Vorgeschichte dieser Spiele handelt von Korruption, Ausbeutung und Umweltzerstörung. Jetzt geben sich in Deutschland Millionen Menschen der Macht der Bilder hin: Vor dem Fernseher sitzen an manchen Tagen sogar mehr als noch vor vier Jahren. Damals fanden die Winterspiele in Kanada statt.

Gold ist die olympische Währung

Die Fernsehbilder behaupten sich auch gegen all die anderen Bilder. Die geposteten Handyfotos von unfertigen Hotelzimmern sind in der Qualifikation fürs olympische Finale ausgeschieden. Das Prinzip Olympia funktioniert also auch in Sotschi und für den Fernsehzuschauer selbst beim Rodeln, obwohl der Wettbewerb so abläuft, als würde man ein Buch von hinten lesen, denn es steht schon fest, dass sowieso immer die Deutschen gewinnen.

Gold ist die olympische Währung, die meisten Goldmedaillen sind bislang an deutsche Athleten gegangen, das erhöht die Einschaltquote. Und das Spannungsverhältnis: Sich gleichzeitig zu freuen und über die Spiele zu nörgeln, geht kaum. Dazu kommt, dass auf einmal der Frühling in Sotschi ausgebrochen ist. Winterspiele unter Palmen wirkten vor der Eröffnung lächerlich. Jetzt scheinen sich viele umso lieber die Bilder anzuschauen. Bunt sind die Spiele bisher, was auch daran liegt, dass sie um neue Disziplinen auf Skiern und auf Snowboards ergänzt worden sind, in denen sich junge Athleten auf andere Art und Weise bewegen. Es sind auch immer mehr Frauen dabei, von der Skischanze sprangen Frauen erstmals um olympische Medaillen.

Der olympische Mikrokosmos hat seine Naturgesetze mit nach Russland gebracht. In diesem Mikrokosmos gewinnen Athletinnen, über die Fernsehkommentatoren sofort erzählen, dass sie in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung leben. Als sei dies auch ein Sieg gegen das homophobe Gesetz in Russland. Manche Athletinnen sagen, dass ihnen dieses Gesetz eine Extraportion Motivation gegeben habe. So haben sich Sport und Politik doch vermengt.

Der kleinste gemeinsame Nenner dieser Winterspiele in Sotschi ist vielleicht dieser: Olympia ist ein Weltereignis und wir leben in einer Welt der Unterschiede. Die westeuropäische Perspektive auf Olympia ist jedenfalls eine andere als die russische.

Die Perspektive des Gastgebers ist vom Stolz geprägt

Von Olympischen Spielen erwartet der Westen Leichtigkeit, Fröhlichkeit. Die Perspektive des Gastgebers dagegen ist auch vom Stolz geprägt, die Welt zu Gast zu haben und ihr zu zeigen, was in den vergangenen Jahren alles aufgebaut worden ist. Die Kritik des Westens an den Spielen empfinden viele als arrogant und überzogen, auch Russen, die Wladimir Putin genauso für einen Autokraten halten wie die Westeuropäer.

Olympia bleibt das Sinnbild für die Möglichkeiten und die Auswüchse des Leistungssports. Und so, wie der Leistungssport im Körper des Athleten zu Verschleiß führt, so haben diese Winterspiele ihren Tribut gefordert, von der Natur, bei Menschen, die dafür umziehen mussten, bei Arbeitern, die nicht gerecht entlohnt worden sind. Das ist keine russische Spezialität. Aber in Sotschi hat die Entwicklung einen Gipfel erreicht, der das Internationale Olympische Komitee zum Umlenken zwingt. Der Druck wird zunehmen, wenn am nächsten Sonntag das olympische Feuer erlischt. Und die Macht der Livebilder wieder verschwindet.

Hier gelangen Sie zu unserem Sotschi-Liveticker.

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