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© X01771

Wintersport: Blinde Fahrt aufs Tor

Wenn die Deutschen bei Olympia im Slalom um Medaillen kämpfen, fehlt Kathrin Hölzl: Sie hat Angst.

Die wilden Gestalten hüpfen ein paar Meter von Mathias Berthold entfernt. Sie sind in bodenlanges, zotteliges Fell gehüllt, und an ihren Hüften hängen an einem Gürtel mächtige Kuhglocken. Das Dröhnen der Glocken mischt sich mit dem Jubel der restlichen Zuschauer, Party-Time im Skizentrum von Maribor. Die slowenischen Fans feiern Platz zwei ihres Stars Tina Maze beim Weltcup-Slalom, und die Atmosphäre gefällt Berthold. Natürlich hüpft er nicht vor Begeisterung, so etwas macht ein Cheftrainer der deutschen Frauen nicht nach einem Rennen, aber er war überaus zufrieden. „Wir haben das seit langem beste Rennwochenende erlebt“, sagt Berthold. Vier Fahrerinnen waren am Samstag unter den Top Ten beim Riesenslalom, darunter Maria Riesch als Zweite, und jetzt im Slalom wieder vier Fahrerinnen unter den ersten zehn. Maria Riesch diesmal Dritte, ihre Schwester Susanne Vierte.

Es sieht also gut aus für Olympia, speziell im Slalom, der Paradedisziplin der deutschen Frauen. „Maria und Susanne haben dort seriöse Medaillenchancen“, verkündet Berthold, während der Lärm in seinen Ohren dröhnt. Maria Riesch, die Slalom-Weltmeisterin, sowieso. Aber so langsam stabilisiert sich auch Susanne Riesch im Slalom. „Die Maria ist mental noch stärker als ich“, das räumt sie zwar ein. „Aber eine Medaille ist jetzt in Vancouver mein Ziel. Damit gehe ich ganz offensiv um.“ So gefällt das Berthold. Er muss schließlich Topresultate bringen, das ist die Vorgabe des Verbands. „Bei Olympia“, sagt der Chefcoach also folgerichtig, „zählen nur Medaillen.“

Vier Frauen darf er im Slalom nominieren, Maria Riesch ist gesetzt, Susanne Riesch wohl auch, für die restlichen beiden Plätze hat Berthold noch drei Kandidatinnen: Fanny Chmelar, Christina Geiger und Katharina Dürr. Und egal, wer startet, „alle vier werden vorne mitfahren“.

Da wäre auch gerne Kathrin Hölzl dabei, immerhin ist sie Weltmeisterin. Im Riesenslalom , da gehört sie in Vancouver zu den Medaillenkandidaten, im Slalom dagegen gilt sie als eine Art Problemfall. „Wir hätten uns bei ihr im Slalom eine etwas bessere Entwicklung erwartet“, sagt Berthold diplomatisch. In Maribor belegte sie am Sonntag Platz 14.

Das ist immerhin besser als bei früheren Auftritten in dieser Saison. In Are landete sie auf Platz 16, in Flachau auf Platz 25, in Levi und Aspen kam sie nicht mal ins Ziel. Im Januar 2009 wurde sie einmal Elfte. Ihre Diagnose fällt entsprechend aus: „Im Slalom habe ich eine Formkrise.“

Erstaunlich ist das nicht, denn Kathrin Hölzl sagt auch: „Ich habe Angst.“ Angst vor den Torstangen, die sie wegboxen muss, Angst vor den Schmerzen. „Ich habe so oft die Stangen ins Gesicht und gegen die Schienbeine bekommen“, sagt sie, „da fehlt jetzt das Selbstbewusstsein.“ Die Schienbeinschützer federn nicht alles ab. Im Slalom muss man „ganz brutal aufs Tor zufahren“, aber wie soll das gehen, wenn man das Tor gar nicht so richtig sieht? Denn Hölzl macht „vor dem Tor die Augen zu“. Sie erschrickt fast vor ihrem eigenen Geständnis, als sie das erzählt.

Ja, sagt auch Berthold, sie habe enormen Respekt vor den Stangen, „wir arbeiten aber daran“. Hölzl ärgert sich „extrem über diese Schwäche“. Aber mehr als kleine Schritte nach vorn erwartet sie nicht. „Jetzt geht’s erst mal darum, dass ich stets unter den ersten 30 in der Welt bleibe.“ Sonst muss sie mit einer hohen Startnummer in die Rennen.

Dass sie Weltmeisterin im Riesenslalom ist, das „hilft mir gar nichts“, sagt sie. Wenn es gar nicht mehr vorwärts geht im Slalom, dann muss sie sich wohl einfach mit der Einschätzung von Berthold abfinden. „Die Kati“, sagt der Cheftrainer, „ist einfach besser für den Riesenslalom talentiert als für den Slalom.“

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