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Rodler auf dem Teufelsberg in Berlin-Grunewald, im Hintergrund der Funkturm und der Fernsehturm und Berlins Stadtsilhouette.

© Rainer Jensen/dpa

Wintersport in Berlin: Als die Skiwelt auf dem Teufelsberg zu Gast war

1986 fand das erste und bisher einzige Ski-Weltcuprennen in Berlin statt. Viele bedauern bis heute, dass es kein weiteres gegeben hat – und träumen von neuen Initiativen.

Der 28. Dezember 1986 beginnt für Matthias Mikolajski mit dem Blick aus dem Fenster: Regen! Am Abend zuvor hat es noch geschneit, jetzt das. Dem Geschäftsführer des Berliner Skiverbandes kommen Zweifel. Hält die Piste? Mikolajski eilt zum Teufelsberg. Mit einer eigens aus den Alpen verfrachteten Pistenraupe und jeder Menge Brezelsalz versuchen Mikolajski und etliche Ehrenamtliche den Kunstschnee in Form zu bringen. Mit Erfolg: Um 11 Uhr steht er durchnässt mit einer Bohrmaschine auf halber Höhe der 400 Meter langen Strecke. Vor ihm ein Stangenwald, durch den die Skistars des Weltcups in Richtung Tal rasen, wo sie von 13.000 Zuschauern bejubelt werden. Es hat geklappt. Ein Skirennen – mitten im geteilten Berlin.

32 Jahre später hat sich vieles verändert. Matthias Mikolajski-Kusche hat einen Doppelnamen, Berlin keine Mauer mehr und der einst vom Ski-Weltverband zertifizierte Skihang am Teufelsberg verwuchert von Jahr zu Jahr mehr. „Es war ein Spektakel, aber hätten wir vorher gewusst, auf was wir uns da einlassen, hätten wir direkt abgewunken“, sagt der inzwischen 60-jährige Mikolajski. Der Berliner Skiverband, dem er nun schon fast 20 Jahre vorsitzt, geht damals trotz der Großsponsoren Bogner und Audi fast insolvent. „Die Unterstützung der Stadt hätte größer ausfallen können“, sagt Mikolajski.

Dass der 28. Dezember 1986 ein einmaliger Höhepunkt des alpinen Wintersports am Teufelsberg bleibt, bedauert er. An eine Wiederholung glaubt er nicht: „Ohne eine Agentur könnten wir als Verband das nicht stemmen und ein Skirennen können wir schon wegen des Klimawandels vergessen.“ Ein Langlauf- oder Biathlon-Event – beispielsweise am Brandenburger Tor – hält er aber für realisierbar. Interesse gebe es, sagt Mikolajski, der schätzt, dass rund 500.000 Berliner regelmäßig alpinen Wintersport betreiben. „Die Skibegeisterung ist hier groß.“ Wie groß, zeigt eben jenes historische Weltcuprennen im Grunewald. „Das war eine unvergessliche Stimmung“, erinnert sich Leonhard Stock, der den Parallelslalom überraschend gewinnen kann.

Die amerikanische Abhörstation darf im TV nicht gezeigt werden

Nach seinem Abfahrts-Olympiasieg von 1980 in Lake Placid bleibt der Österreicher sechs Jahre lang ohne Erfolg, dann kommt er an den Teufelsberg. „Das war damals noch total ungewöhnlich, in Städten zu fahren“, sagt Stock. Im strömenden Regen kann er sich auf der vergleichsweise flachen Strecke unterhalb der amerikanischen Abhörstation, die von den TV-Kameras nicht gezeigt werden darf, gegen große Namen wie Markus Wasmeier, Ingemar Stenmark und Bojan Krizaj durchsetzen. „Es war ein geiles Gefühl, endlich wieder zu gewinnen“, sagt Stock, der heute ein Hotel in Tirol betreibt und nach seinem Sieg nie wieder in Berlin war.

Als Helfer an der Strecke dabei waren an jenem Dezembertag auch Carsten Krüger, Hubertus Müller und Wolfgang Schley. Sie gehören zum Vorstand des Skiclub Pallas, der in den 1920er Jahren das Skispringen nach Berlin brachte. Erst auf einer 15-Meter Schanze in Zehlendorf, dann in den 30er Jahren auf einer doppelt so großen Schanze im Grunewald und schließlich auf einer von der Stadt erbauten 50-Meter-Schanze am Teufelsberg. „In den 60er Jahren gab es hier Veranstaltungen mit den damals überragenden Tschechen und vielen tausend Zuschauern“, erinnert sich Schley, der sich damals selbst vom Sprungturm stürzte.

Drei Männer im Wald: Hubertus Müller (l.), Wolfgang Schley (m.) und Carsten Krüger (r.) stehen am Ort des früheren Schanzentisch.
Drei Männer im Wald: Hubertus Müller (l.), Wolfgang Schley (m.) und Carsten Krüger (r.) stehen am Ort des früheren Schanzentisch.

© Felix Hackenbruch

Inzwischen erinnert an diese glorreichen Sportzeiten nichts mehr. Längst ist der gesamte Hang bewaldet, der Sprungturm seit 1999 abgerissen und die Zufahrtswege verwachsen. Wo früher der Schanzentisch war, stehen heute nur noch zwei vermooste Stangen. „Ende der 60er Jahre war Skispringen nicht mehr populär, heute ist das anders. Da könnten wir in Berlin tolle Nachwuchsarbeit aufziehen“, sagt Wolfgang Schley. Neubaupläne für eine kleine Schanze am Teufelsberg gibt es auf der Webseite des Skiclubs, doch dafür interessiere sich niemand, bedauert er.

Dass der Senat seine Sportstätten am Teufelsberg, dazu gehörten zeitweise auch zwei Skilifte, verkommen ließ, ärgert die Männer. „Die Stadt und Berliner Forsten hatten nach der Wende am Teufelsberg nur ein Interesse – die Renaturierung. Dabei ist das doch eigentlich ein Trümmerberg und keine Natur“, sagt Hubertus Müller. Selbst das Gras-Skifahren, das in Berlin lange professionell ausgeübt wurde, sei durch die mangelnde Unterstützung nicht mehr möglich. Der 70-jährige Müller, der noch immer als Skilehrer tätig ist, versteht nicht, warum niemand über eine Neuauflage des Skirennens nachdenkt: „Es ist ärgerlich. In Oslo, Stockholm und Moskau gibt es populäre Stadtrennen. Berlin verpennt diese Chance.“

Müller träumt von einer Skihalle auf dem Teufelsberg

Mehr noch als ein erneutes Weltcuprennen treibt Müller aber seine Vision einer im Teufelsberg integrierten Skihalle um. „Die Steigung wäre schon da, das spart Geld“, sagt er. Mit den Skihallen in Wittenburg bei Hamburg und im brandenburgischen Senftenberg gebe es zwei erfolgreiche Skihallen, in denen ein ganzjähriger Skibetrieb möglich ist. Doch die sind fast zwei Autostunden von Berlin entfernt. „Mit einer Skihalle kann man den Nachwuchs für unsere Sportart begeistern“, glaubt auch Carsten Krüger. Selbst für Leistungssportler seien Skihallen interessant, sagt Krüger und verweist auf den Briten Dave Ryding, der in Wittenburg trainiert und im vergangenen Winter in Kitzbühel Zweiter im Slalom wurde.

Ihre Pläne haben sie dem Senat jedoch nie mitgeteilt. „Man würde uns doch nur auslachen“, sagt Müller betrübt und ergänzt wehmütig. „Es ist schade, dass ich mit meinen Enkeln zum Skifahren immer ins Mittelgebirge muss. Wir haben doch einen Berg vor der Haustür.“

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