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Sport: „Wir brauchen eine schnelle Lösung“

DFB-Präsident Theo Zwanziger über den Schuhstreit der Nationalspieler, die Doppelspitze und Wetten im Sport

Herr Zwanziger, Sie sollen am 8. September beim DFB-Bundestag zum alleinigen Präsidenten gewählt werden. Freuen Sie sich, nach zwei Jahren Doppelspitze mit Gerhard Mayer-Vorfelder allein entscheiden zu können?

Die Doppelspitze war für mich eine gute Chance. Ich hatte den Nachteil, dass ich über keinen hohen Bekanntheitsgrad verfügte und auch nicht eine solche Nähe zum professionellen Fußball hatte wie Herr Mayer-Vorfelder. Trotzdem gab es Momente, wo ich mich gefragt habe, wie sinnvoll diese Doppelspitze ist. Zum Beispiel zu Beginn des Wettskandals um Robert Hoyzer Anfang 2005. Dort wurde eine Schwäche des Systems deutlich. Jeder glaubte, mitreden zu müssen – und das geht nicht. Und nach diesem Auftritt (Anm. der Redaktion: Auftritt von Mayer-Vorfelder in der ARD-Talkshow „Christiansen“) gab es eine außerordentliche Präsidiumssitzung, in der ich klar gemacht habe, dass ich mit dieser Geschäftsverteilung so nicht leben kann. Der DFB hätte an Glaubwürdigkeit verloren, wenn der eine aus Stuttgart etwas sagt und der andere aus Frankfurt etwas anderes. Herr Mayer-Vorfelder hat das respektiert.

Auf Stress müssen Sie nicht verzichten. Die Nationalspieler streiten momentan dafür, ihr Schuhwerk künftig selbst auszusuchen. Vor dem Länderspiel am Samstag gegen Irland soll es eine Lösung geben. Wie soll die aussehen?

Wir haben mit unserem Hauptsponsor Adidas gesprochen, der sehr viel Verständnis für unsere Situation gezeigt hat. Die Gesamtkonzeption wird vor dem Spiel am Samstag mit dem Spielerrat abschließend besprochen. Einzelheiten können aber erst nach diesem Gespräch bekannt gegeben werden.

Haben Sie sich von den Spielern erpresst gefühlt?

Nein, die Spieler haben dieses Thema lange auf der Agenda. Ich habe aber, als ich damit konfrontiert wurde, das Gefühl gehabt, dass wir zu einer schnellen Lösung kommen müssen und die soll es auch vor dem Spiel am Samstag geben. Es wird ein Gesamtpaket sein, in dem der DFB auf keinen Fall als wirtschaftlicher Verlierer herausgeht. Insgesamt ist es eine schwierige Gemengelage geworden zwischen den Interessen der Nationalmannschaft, der Vereine und der einzelnen Spieler.

Viele Diskussionen gab es in den vergangen Tagen um die Reform der Regionalliga. Eine Kommission hat einen Vorschlag erarbeitet, der auf dem Bundestag verabschiedet werden soll. Doch nun treten Sie auf die Bremse. Wieso?

Ich glaube nicht, dass es die nötige Zweidrittel-Mehrheit für den Vorschlag geben wird, wie er jetzt auf dem Tisch liegt. Das heißt nicht, dass ich gegen die Reform bin. Im Gegenteil. Die Kommission hat vorgeschlagen, eine eingleisige dritte Liga, also eine nationale Liga, zu gründen, was ich sehr unterstütze. Allerdings gibt es dabei zwei Haken. Zum einen haben sie vorgeschlagen, die zweiten Mannschaften der Bundesligisten auszugliedern. Aber es ist nicht ausreichend bedacht worden, dass große Klubs in dem Bereich Nachwuchsförderung mit ihren zweiten Mannschaften sehr viel investieren. Davon profitiert der gesamte deutsche Fußball. Gerade im DFB haben wir uns lange beschwert, dass unser Nachwuchs nicht zum Zug kommt. Dann muss man ihn aber auch dort ranlassen, wo er gebraucht wird. Gerade Vereine wie der VfB Stuttgart, der FC Bayern, Hertha BSC oder Bremen, die viel in ihren Nachwuchs investiert haben, fühlten sich durch den Vorschlag nicht mehr gewürdigt. Ein Kompromiss könnte so aussehen, dass einige zweite Mannschaften zugelassen werden. Zum anderen gibt es das Problem, das die Oberligen betrifft. Diese würden fünftklassig werden und müssten komplett auf die Fernsehgelder verzichten, die sie jetzt noch bekommen.

Sie rechnen also für diesen Bundestag nicht mit einer Gesamtlösung?

Ich bin kein Mensch, der mit dem Holzhammer die Dinge durchhaut. Deshalb habe ich lediglich die Empfehlung gegeben, in der Kommission alles noch einmal zu bedenken. Geklärt werden müssen auch die Fragen, ob die zweiten Mannschaften der Bundesligavereine noch Fernsehgelder brauchen und die Abstiegsregelung aus der zweiten Liga neu geordnet werden kann, denn vier Absteiger sind zu viel. Zwei Absteiger und ein Relegationsspiel wären meiner Meinung nach ideal. Ich bin aber nicht die Kommission. Ich warne davor so zu handeln, als seien wir die Besten und wüssten alles. Man muss die Menschen überzeugen und mitnehmen.

Überzeugungsarbeit ist auch anderswo nötig. Das Verhältnis zwischen Teammanager Oliver Bierhoff und Sportdirektor Matthias Sammer birgt Streitpotenzial.

Ich habe Oliver Bierhoff und Matthias Sammer gewollt, weil es meiner Grundphilosophie entspricht, dass dieser Verband künftig nicht nur durch Funktionäre wie mich repräsentiert wird, sondern durch Leute die eine sportliche Vita haben, die Leistungssportler waren und etwas können. Daraus ergeben sich auch mal Konfliktlinien. Aber ich sehe keine Konfliktlinie zwischen Oliver Bierhoff und Matthias Sammer, die wirklich prekär wäre. Außerdem ist mir so eine Situation lieber als wenn Friedhofsruhe herrscht im Verband. Ich will mich nicht jeden Tag damit befassen, ob richtige Spieler für die Nationalmannschaft abgestellt worden sind, geschweige denn durch Trainingsbesuche die Arbeit des Bundestrainers kontrollieren. Mein Job ist es, sportliche Qualität durch gute Leute zu verbessern und ich denke, da sind wir einen Schritt weiter als früher.

Wann werden Sie in internationale Gremien rücken?

Ein DFB-Präsident wird irgendwann auch den Verband in den internationalen Gremien vertreten müssen. Herr Mayer-Vorfelder muss sich entscheiden, ob er seine Amtszeiten zu Ende führen wird. Bei der Fifa wird er 2007 ausscheiden. Es ist kein Geheimnis, das ich mir Franz Beckenbauer dort als Nachfolger wünsche. Er kann uns die internationalen Türen öffnen wie kein anderer. Bei der Uefa ist Herr Mayer-Vorfelder noch bis Mitte 2009 gewählt. Er wird selbst entscheiden, wie er seine Zukunft da sieht. Es gibt auch keine Absprachen irgendwelcher Art. Ich dränge ihn nicht, sondern ich respektiere Wahlzeiten.

Aber Ihnen wäre ein früherer Einstieg als Mitte 2009 schon lieber?

Ich kann meine internationale Tätigkeit auch außerhalb von Gremien erfüllen. Wenn ich die Aufgaben übernehmen darf, dann werde ich das aber mit gleichem Engagement machen, wie ich andere Dinge auch mache.

Ähnlich unklar wie ihr Auftritt auf der internationale Funktionärsbühne ist im Moment die Situation auf dem deutschen Sportwettenmarkt. Das jüngste Urteil des Bundeskartellamtes, das das staatliche Lottomonopol in Frage stellte, müsste den deutschen Fußball bestärken, auf Zusammenarbeit mit privaten Wettanbietern zu setzen.

Wir wollen nicht als Besserwisser der Nation auftreten. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass in der europäischen Entwicklung Monopole noch lange Bestand haben. Alle, die das geglaubt haben, wurden überrollt als beispielsweise das Bosman-Urteil kam. Ich habe das Gefühl, dass es den Bundesländern bei dem, was sie machen, auch so geht. Das Bundesverfassungsgerichtsurteil wird von ihnen zu einseitig interpretiert. Sie glauben, wenn man Werbung bei Sportwetten verbietet, könnte man sie bei Lotto trotzdem machen. Das geht eben nicht. Dahinter steht die Befürchtung, dass ihnen der Lotteriebereich aus der Hand gleitet und ich fürchte, genau das wird kommen und sie sind auf diese Situation nicht eingestellt. Das ist fast ein Schildbürgerstreich, was man da gerade erlebt.

Wann rechnen Sie mit einer Lösung?

Das kann dauern. Die Länder müssen die Auflagen des Bundesverfassungsgerichts erfüllen, wenn Sie das Monopol aufrecht erhalten wollen. Das wird schwer genug. Zu den Auflagen gehört ein Werbeverbot, daran arbeiten sie. Eine zweite Auflage ist die Reduzierung der Verkaufsstellen und da werden Arbeitsplätze in der Fläche vernichtet. Außerdem dürfen die Gelder, die eingenommen werden, nicht für fiskalische Zwecke benutzt werden. Deshalb müssen im Grunde neutrale Kommissionen eingesetzt werden, die das Geld im Sinne der Suchtprävention einsetzen. Der Sport kann vielleicht einen kleinen Teil bekommen, aber das meiste wird wohl in Entziehungsanstalten gehen. Wenn das dann da ist, wird es die nächste Verfassungsklage geben und spätestens dann ist die Sache zu Ende.

Haben Sie eigentlich noch Kontakt zu Jürgen Klinsmann?

Ich habe ihm zum Geburtstag einen langen Brief geschrieben, ihm gratuliert und ihm auch noch mal meine persönliche Wertschätzung für seine Arbeit dargelegt. Außerdem habe ich ihm gesagt, dass beim DFB immer eine Tür für ihn offen steht.

Das Gespräch führte Christian Tretbar.

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