zum Hauptinhalt

Sport: „Wir freuen uns auch für Deutschland“

Wo gehöre ich hin? Zwei in Berlin geborene türkische Jugend-Fußballer reden über Nationalstolz und ihr Leben zwischen zwei Kulturen. Manchmal fragen sie sich, für welches Land sie wohl spielen würden

Beide wurden in Berlin geboren, beide sind Türken. Im Fußball gehen sie unterschiedliche Wege – der eine, Ömer Cay, will über Hertha 03 Zehlendorf ins Profigeschäft gelangen und ist mit der B-Jugend-Mannschaft gerade in die Bundesliga aufgestiegen. Der andere, Mustafa Kenar, spielt seit seiner Kindheit für Galatasaray Berlin. Trotzdem haben sie einen ähnlichen Bezug zur Türkei und ihrem Leben in Deutschland.

Wo habt Ihr gestern gefeiert?

ÖMER CAY: Ich war mit meiner Freundin und ein paar Freunden in einer Bar in Neukölln. Es war toll, wir haben zusammen richtig Spaß gehabt. Und danach gingen wir noch bis vier Uhr auf den Ku’damm.

MUSTAFA KENAR: Ja, da war ich auch – allerdings nur bis zwei, drei Uhr. Davor habe ich das Viertelfinale zusammen mit Freunden bei meinem Cousin geguckt. Und eigentlich hatte ich das Spiel nach dem Tor von Kroatien schon abgeschrieben, aber als die Türken dann kurz vor Schluss getroffen haben, hat mein Herz gepocht. Ich hätte nicht gedacht, dass wir bis ins Halbfinale kommen.

Dort treffen die Türken auf Deutschland. Welche Bedeutung hat das für Euch?

CAY: Für mich persönlich ist das schon etwas Besonderes. Schließlich bin ich hier geboren, aufgewachsen und habe auch viele deutsche Freunde.

KENAR: So geht es mir auch. Ich fühle mich mit beiden Ländern verbunden und deshalb ist es super, dass sie jetzt gegeneinander spielen. Ehrlich gesagt, glaube ich, dass die Deutschen weiterkommen, weil uns so viele Spieler fehlen.

Verfolgt Ihr die Spiele der deutschen Nationalmannschaft mit ähnlicher Euphorie wie die der Türkei?

KENAR: Das kann man so nicht sagen. Ich freue mich schon, wenn die Deutschen gewinnen, aber mit der Türkei fiebere ich richtig mit und jubele.

CAY: So ganz das Gleiche ist das wirklich nicht. Natürlich freue ich mich irgendwie auch für die Deutschen, aber ich bin da eher neutraler. Was ich sagen kann, ist, dass sie es auf jeden Fall verdient haben, gegen Portugal zu gewinnen und ins Halbfinale zu kommen – sie waren einfach besser.

Es macht den Eindruck, dass Ihr Euch eher mit der Türkei als mit Deutschland identifiziert, obwohl Ihr doch beide in Berlin geboren seid. Wie kommt das?

KENAR: Meine Eltern sind ja Türken und ich deshalb eigentlich auch. Es ist sozusagen mein Vaterland. Und darauf bin ich stolz.

CAY: Ich bin auch türkischer Staatsbürger und wir leben in den türkischen Traditionen. Ich bin gerne in Deutschland, aber meine Wurzeln sind eben in der Türkei. Alle zwei Jahre fahre ich da mit meiner Familie hin – da freue ich mich immer sehr drauf.

Eure Eltern sind in der Türkei geboren. Wie unterhaltet Ihr Euch denn zu Hause?

CAY: Meine Eltern sprechen relativ schlecht Deutsch, mit denen rede ich deshalb auf türkisch. Mit meinen Geschwistern dagegen spreche ich immer Deutsch.

KENAR: So ist das bei uns auch. Da wird mal so und mal so geredet.

Das muss ja ziemlich durcheinander gehen...

KENAR: Nein, das ist doch in vielen Familien so.

CAY: Für mich ist das auch total normal, ich bin an dieses Sprachgemisch gewöhnt. Für andere ist das vielleicht schon etwas komisch.

Ihr wandelt ein bisschen zwischen zwei Identitäten, einer türkischen und einer deutschen. Welcher fühlt ihr Euch persönlich näher?

CAY: Ich kann das gar nicht so genau sagen, aber eigentlich fühle ich mich eher türkisch, weil ich so aufgewachsen und erzogen worden bin.

KENAR: Ich bin eher ein Deutscher, glaube ich. Ich lebe hier seit 18 Jahren und fühle mich wohl in dem Land, die türkischen Traditionen habe ich auch nie so kennengelernt wie meine Eltern.

Ihr spielt in unterschiedlichen Vereinen: Einer bei einem deutschen Klub im beschaulichen Zehlendorf, der andere in einer rein türkischen Mannschaft. Warum habt Ihr Euch für diesen Weg entschieden?

CAY: Ich bin erst vor einem Jahr zu Hertha gewechselt, davor habe ich bei Tasmania gespielt. In Zehlendorf kann ich einfach mehr erreichen.

KENAR: So einen Wechsel würde ich auch in Erwägung ziehen. Aber ich kenne hier bei Galatasaray Berlin so viele Leute und habe so viele Freunde gewonnen, dass mir das schwer fallen würde. Ich habe hier angefangen, Fußball zu spielen und werde wohl hier auch weitermachen.

Was wollt Ihr denn im Fußball noch erreichen?

CAY: Ich würde schon gerne ein ganz Großer werden, weiß aber auch, dass man dafür hart kämpfen und alles geben muss. Am liebsten würde ich einmal selbst in der türkischen Nationalmannschaft spielen.

KENAR: Davon habe ich auch geträumt, als ich noch jünger war. Mittlerweile denke ich aber, dass ich dafür zu alt bin. Und wenn die deutsche Nationalmannschaft mich fragen würde, würde ich natürlich auch für sie auflaufen. Trotzdem würde ich immer das türkische Trikot vorziehen.

Die Fragen stellte Katrin Schulze.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false