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Sport: „Wir haben keine 100 Tore auf Lager“

Das Magnetfeldtor GoalRef soll künftig neben der Torkamera Fehlentscheidungen auf der Linie verhindern. Mitentwickler Dünkler über den Weg vom Prototyp zur Massenfertigung.

Herr Dünkler, der Weltfußballverband Fifa hat Ihre Torlinientechnologie ab sofort für alle Fifa-Turniere zugelassen. Sind für Ihr GoalRef-System schon Bestellungen aus der ganzen Welt eingegangen?

Bestellungen gibt es noch keine, die Arbeit geht aber natürlich weiter. Einerseits geht es jetzt um das Business, die Kommerzialisierung unseres Produktes. Die andere Seite ist technologischer Natur: Wir haben keine 100 Tore auf Lager, das System muss erst noch vervielfältigt werden.

Sie müssen also den Schritt vom Prototypen eines Tores, das per Magnetfeld prüft, ob der Ball vollständig über der Linie war, zur Serienproduktion machen?

Genau. Deswegen war die Entscheidung am Donnerstag ein wichtiger Meilenstein: Jetzt ist klar, dass unsere Technik wirklich zum Einsatz kommt.

Wer oder was ist GoalRef eigentlich?

Wir sind eine Projektgruppe am Fraunhofer-Institut in Erlangen. Wir haben in den vergangenen eineinhalb Jahren das System entwickelt und die beiden Testphasen der Fifa begleitet. Am Ende hatten wir ungefähr zehn Mitarbeiter.

Wird aus der kleinen Projektgruppe jetzt dank der Fifa-Entscheidung ein weltweit agierendes Unternehmen? Stellen Sie reihenweise neue Leute ein?

Das ist noch offen. Es gibt verschiedene Optionen der Kommerzialisierung. Es könnten auch Partner und Investoren mit ins Boot kommen.

Wie viel Zeit haben Sie dafür? Der Chef des englischen Fußballverbands FA hat bereits gesagt, die Premier League könnte die Torlinientechnologie schon zum Beginn der Rückrunde einführen.

Die Erwartungen der Ligen sind sehr unterschiedlich. Man muss sich zusammensetzen und schauen, ob das machbar und gewollt ist. Das kann ich bisher gar nicht einschätzen.

Wenn die Bundesliga sich jetzt bei Ihnen meldet und alle 18 Stadien so schnell wie möglich ausrüsten will: Wie schnell könnten Sie liefern?

Dann müssten wir Gespräche führen und einen Zeitplan erstellen, gegebenenfalls noch mal Testspiele planen. Eine Zeitspanne kann ich da wirklich nicht nennen. Es geht darum, das System seriös einzuführen. Das hat die Fifa noch einmal betont, darum geht es jetzt auch bei den Ligen.

Bei der gerade zu Ende gegangenen Europameisterschaft wurde ein reguläres Tor der ukrainischen Mannschaft im Spiel gegen England nicht anerkannt. Hatten Sie bei der Szene das Gefühl: „Das war die Fehlentscheidung, die wir noch gebraucht haben“?

Nein. Die Fifa hatte ja schon vorher viele Gründe, die Entwicklung hin zur Torlinientechnologie zu starten, die EM stand eher am Ende dieses Prozesses und der Testphase. Sie müssten aber die Mitglieder des Ifab (des International Football Association Board, das die Regeln festlegt, d.Red.) fragen, ob sie sich davon haben beeinflussen lassen. Ich bezweifle jedoch, dass das Tor entscheidend war.

Neben Ihrem System hat die Fifa auch die englische Hawk-Eye-Technologie zugelassen, die mit Kameras arbeitet. Wird sich am Ende nur eines der beiden Systeme durchsetzen?

Das wird die Zukunft zeigen. Das wäre jetzt ein Blick in die Kristallkugel.

Wie ist Ihre Beziehung zu den Kollegen von der Konkurrenz?

Bisher haben wir uns auf unsere eigene Technologie konzentriert. Jeder versucht, sein eigenes System zu optimieren. Da gibt es wenig Berührungspunkte.

Sie haben also in der Fifa-Zentrale in Zürich auch nicht gemeinsam auf den Erfolg angestoßen?

Wir haben uns schon gesehen und unterhalten, aber nur kurz. Sie müssen bedenken: Das Ifab hat lange getagt, dann gab es viele Fragen der Presse. Aber eine Flasche Wein haben wir schon noch aufgemacht.

Sie klingen sehr nüchtern, ganz Wissenschaftler. Angesichts der möglichen Einnahmen müssten Sie doch eigentlich mit der Champagner-Flasche um den Schreibtisch laufen.

Natürlich war es ein Meilenstein, natürlich freuen wir uns. Jetzt geht es allerdings um das Geschäftliche, jetzt müssen wir den nächsten Schritt machen und das umsetzen. Wir haben einen Schub bekommen, aber wir müssen weiter arbeiten, deswegen klinge ich wohl nicht so euphorisch. Außerdem bin ich ein bisschen müde, es ist am Donnerstagabend doch noch ziemlich spät geworden.

Das Gespräch führte Lars Spannagel.

René Dünkler, 37,

ist Wirtschaftsingenieur und Sprecher des GoalRef-Projekts am Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen in Erlangen.

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