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Feuer und Flamme für Olympia. Thomas Bach gehört dem IOC seit 1991 an. Vizepräsident war er von 2000 bis 2004 und ist es seit 2006 wieder. Foto: dpa

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Sport: Wir sind IOC?

Thomas Bachs Kandidatur für das höchste Amt im Weltsport hat die Erwartung geweckt, dass Deutschland davon profitieren könnte. Dem widersprechen nun zwei ehemalige IOC-Mitglieder.

Berlin - Auf einem Teppich von Grußadressen könnte Thomas Bach ins höchste Amt des Sports gleiten. Erst in dieser Woche hat Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich im Deutschen Bundestag Bach alles Gute für seine Bewerbung um die Präsidentschaft im Internationalen Olympischen Komitee (IOC) gewünscht und von einem „historischen Moment“ gesprochen, sollte der ehemalige Fechter als erster Deutscher diesen Kampf gewinnen. Bach könnte die deutschen Belange ideal im Weltsport vertreten, sagte Friedrich. Eine Kandidatur wird zur nationalen Frage. Wir sind IOC?

IOC-Ehrenmitglied Walther Tröger sieht das ganz anders. „Ich kann nicht erkennen, dass es irgendeinen großen Vorteil gibt“, sagte Tröger dem Tagesspiegel über den Nutzen von Bachs Präsidentschaft für Deutschland. Und er sieht auch kaum Spielraum für Bach, um deutsche Interessen wahrzunehmen: „Viel kann er nicht riskieren, denn wenn er dann Fehler machen würde, würden die ihm sofort um die Ohren gehauen.“

Tröger kennt das IOC bestens von innen, von 1983 bis 1990 war er Sportdirektor des IOC, von 1989 bis 2010 IOC-Mitglied, seit seinem altersbedingten Ausscheiden ist er Ehrenmitglied. In der Geschichte des IOC hätten die Präsidenten meistens nichts für ihr Land erreicht. „Brundage hat es nicht getan, Killanin hat es nicht getan, Rogge hat es auch nicht getan. Für Belgien war allerdings auch nicht viel rauszuholen. Und bei Bach wird es auch nicht anders“, sagt Tröger. Die einzige Ausnahme sei Juan Antonio Samaranch gewesen. „Samaranch hat es vielleicht getan, wenn Sie an die Spiele von Barcelona denken. Das war ja eine sehr persönliche Entscheidung für ihn, weil er aus Barcelona kam.“

Auch Roland Baar, Olympiazweiter von 1996, mehrfacher Ruderweltmeister und von 1999 bis 2004 IOC-Mitglied, glaubt nicht an einen Wettbewerbsvorteil für den deutschen Sport, wenn der oberste Repräsentant aus Deutschland käme. „Das ist so wie in der Politik. Wenn der niedersächsische Ministerpräsident Bundeskanzler wird, vertritt er auch nicht niedersächsische Interessen“, sagte Baar dieser Zeitung. Überhaupt sei das IOC nicht auf die Vertretung nationaler Interessen ausgerichtet. „Ein deutsches IOC-Mitglied vertritt das IOC in Deutschland und nicht Deutschland im IOC.“ In der olympischen Charta heißt es auch: „Mitglieder des IOC repräsentieren und fördern die Interessen des IOC und der Olympischen Bewegung in ihren Ländern und in den Organisationen der Olympischen Bewegung, denen sie angehören.“

Für eine deutsche Olympiabewerbung könne ein deutscher IOC-Präsident jedoch kein Nachteil sein, glaubt Baar: „Ich verbinde damit schon die Hoffnung, dass ein deutscher Präsident beitragen kann, die Spiele nach Deutschland zu holen. Das billigt man einem IOC-Präsidenten auch zu.“ Als IOC-Mitglied beziehungsweise auch als Vizepräsident des Komitees hat Bach bei Olympiabewerbungen bislang nichts für Deutschland ausrichten können. Berlin scheiterte bei seiner Kampagne für die Sommerspiele 2000 deutlich, Leipzig schied im Wettbewerb um die Sommerspiele 2012 schon in der Vorrunde aus, und München hatte zwar für die Winterspiele 2018 ein konkurrenzfähiges Konzept, unterlag aber am Ende ohne Chance gegen den südkoreanischen Mitbewerber Pyeongchang. Ende September will der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) entscheiden, ob er sich mit München für die Winterspiele 2022 bewirbt.

Der Einfluss Deutschlands innerhalb des IOC sei in den vergangenen Jahren schwächer geworden, sagt Tröger. „Im IOC waren wir stärker, das sage ich jetzt mal ganz offen und ohne persönlichen Anspruch, als ich noch Präsident des Nationalen Olympischen Komitees war. Da waren wir beim Ansehen die Nummer eins in der Welt.“ Diese Stellung sei vor allem auf die Entwicklungsarbeit und den Einfluss der beiden deutschen IOC-Mitglieder Willi Daume und Berthold Beitz zurückzuführen gewesen. Inzwischen hätten andere Nationen ihren Einfluss im IOC deutlich gesteigert.

Neben Bach gehört derzeit auch die ehemalige Degenfechterin Claudia Bokel dem IOC an, wie Bach sitzt sie im Exekutivkomitee, der Regierung des IOC. Die deutsche Athletenkommission wünscht sich Bach nicht vorrangig deshalb als neuen IOC-Präsident und Nachfolger von Jacques Rogge, weil er Deutscher ist, sondern weil er die Interessen der Athleten besonders gut vertrete. „Thomas Bach hat nicht nur die deutsche Athletenvertretung als Aktiver aufgebaut, sondern war vor über 30 Jahren Mitbegründer der IOC-Athletenkommission“, sagte Christian Breuer, der Vorsitzende der DOSB-Athletenkomission, und erklärte weiter: „Die Sportlerinnen und Sportler müssen zukünftig noch stärker in den Mittelpunkt der Olympischen Bewegung rücken. Thomas Bach verkörpert dieses Anliegen als einziger Kandidat.“

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