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Witali Klitschko

© AFP

Witali Klitschko: "Die Leute wollen echte Schlachten"

Box-Weltmeister Witali Klitschko spricht über die erdrückende Dominanz der Klitschko-Brüder, den nächsten Gegner, seine Politikerkarriere und Parkhäuser für die Ukraine.

Herr Klitschko, Sie stecken mitten in der Vorbereitung auf Ihren Kampf gegen Albert Sosnowski am 29. Mai in Gelsenkirchen. Wie fühlt sich Ihr Körper nach den Anstrengungen der vergangenen Tage an?

Generell bin ich sehr zufrieden, mein Körper spielt hervorragend mit. Wir sind vier Stunden pro Tag in der Halle. Ich fühle mich absolut fit.

Ist denn eine solch intensive Vorbereitung überhaupt notwendig? Viele Experten sehen in Sosnowski einen etwas besseren Sparringspartner für Sie.

Diese Experten tun Sosnowski Unrecht. Er ist Europameister, er kämpft sehr aggressiv und mit viel Herz. Dazu hat er mehr Ringerfahrung als ich, weil er mehr Profikämpfe bestritten hat.

In Deutschland ist er völlig unbekannt.

Aber das ist doch gerade das Gefährliche. Man bekommt doch erst einen Namen, indem man Großes vollbringt. Der Junge hat nun die Chance, zu zeigen, was in ihm steckt. Wenn er gegen Klitschko gewinnt, dann ist er in der Weltspitze angekommen. Für ihn geht es um alles. Und ich liebe solche Situationen.

Warum?

Das wird kein Kampf, bei dem einer vor dem anderen wegrennt. Sosnowski will meinen Titel, er wird offensiv auftreten. Ein Remis oder ein Über-die-Runden-Retten macht da keinen Sinn. Die Zuschauer werden eine echte Schlacht erleben.

Hätten Sie nicht lieber gegen einen wie David Haye oder Nikola Walujew gekämpft?

Sosnowski ist kein großer Name, er ist kein Muhammad Ali. Aber wo sind denn die Alis unserer Zeit? Evander Holyfield, Mike Tyson oder Lennox Lewis haben ihren Höhepunkt überschritten und sind in Rente. Haye und Walujew sind zwar stark, aber sind sie wirklich die ganz großen Namen? Ich glaube, es ist völlig uninteressant, ob jemand einen solchen Superstar-Status hat. Was die Leute sehen wollen, sind echte Schlachten, große Kämpfe. Es geht um Spannung und um die Frage, wer von zwei richtig guten Kämpfern der Beste ist.

Man könnte auch sagen, es gibt keine großen Namen mehr, weil die Klitschkos so dominant sind.

Im Moment spielen wir eine richtig gute Rolle im Schwergewicht. Aber wie lange hält so etwas an? Es werden andere große Namen nachkommen, starke Talente entwickeln sich. Vielleicht ist Sosnowski ja so jemand.

Er sagt, er wisse, wie man Sie schlägt.

Er ist selbstbewusst, wirkt aber nicht überheblich. Das gefällt mir. Ob er seinen Worten tatsächlich auch Taten folgen lässt, müssen wir abwarten. Ich studiere seine Kämpfe momentan sehr genau, er macht es mit meinen bestimmt auch. Ich bin gespannt, was dabei herauskommt und welche Taktik er verfolgt.

Ukrainische Medien meldeten, Sie würden in Gelsenkirchen Ihren letzten Kampf bestreiten.

Das ist Quatsch. Ich habe in der Ukraine bei einem Interview gesagt, ich bereite mich auf jeden Kampf so vor, als wenn es mein letzter sei. Es ist ein gefährlicher Sport, ich weiß nicht, wie lange ich noch boxen kann. Ich habe das Gefühl, noch reichlich Pulver in mir zu haben. Das wartet darauf, verschossen zu werden.

Und Ihre politische Karriere?

Die Politik ist mir sehr wichtig, ich interessiere mich seit Jahren dafür. Ich versuche dort so gut zu sein, wie beim Boxen und investiere so viel Zeit wie möglich.

Die vergangenen zwei Bürgermeister-Wahlen in Kiew haben Sie jedoch verloren.

In der Politik ist eines noch entscheidender als beim Boxen: die Erfahrung. Ich probiere im Moment einiges aus und versuche mich zu etablieren. Ich habe es bei den vergangen zwei Wahlen leider nicht geschafft, das Volk von mir zu überzeugen. Vielleicht gelingt mir dies beim nächsten Mal. Denn ich habe viele Ideen, die dem Land helfen könnten.

Welche?

Ich lebe seit Jahren auch in Deutschland und Amerika. Ich habe viele Strukturen kennengelernt, die man auf die Ukraine übertragen kann. Die Ukraine gehört zu Europa, hat aber auch eine sehr starke Nähe zu Russland. Wir wollen in diesem Bereich Entwicklungen vorantreiben, westliche Standards einsetzen und uns weiterentwickeln. Dies fängt bei kleinen Dingen an: In der Ukraine hat man sehr viele Autos, aber man kann immer noch überall umsonst parken. Es gibt kaum Parkhäuser. Da gehen dem Land Millionen verloren.

Wäre für Sie denn auch eine Kandidatur als ukrainischer Präsident vorstellbar?

Das ist eine sehr interessante Idee, auf die sie mich bringen (lacht). Darüber muss ich in Ruhe nachdenken.

Ist das die Diplomatie eines Politikers?

Ich denke, das Präsidentenamt ist eine der wichtigsten Positionen überhaupt. Bis man sich an diese herantraut, muss man viel Erfahrung gesammelt haben. Beim Boxen wird man ja auch nicht als Weltmeister geboren. Wer weiß, wie weit ich als Politiker in fünf Jahren bin. Aber man sollte sich immer hohe Ziele stecken und diese erfüllen wollen.

Warum überlassen Sie eigentlich Ihrem Bruder den Kampf gegen Haye?

Ich hätte gerne gegen Haye geboxt. Er hat unsere Ehre beschädigt, er hatte eine große Klappe. Aber mein Bruder kam zu mir und sagte: „Bruder, bitte lass mich kämpfen. Ich habe sehr viel Wut auf Haye und will diese Rechnung begleichen.“ Ich hoffe, er bekommt die Chance dazu.

Das Interview führte Rafael Buschmann.

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