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Wladimir Klitschko: Der Weltmeister und sein Sparringspartner

Nach acht Jahren kehrt Wladimir Klitschko zurück in seine Wahlheimat Hamburg. Er kommt als Champion und boxt gegen einen Mann, der schon für ihn gearbeitet hat.

Wladimir Klitschko hatte Anfang der Woche mit einigen Irritationen fertig zu werden. Unten, auf der Straße vor dem Hamburger Hotel Atlantic, krakeelte ein Mann im Auftrag des Profiboxers Alexander Powentkin: „Wladimir, ich warte auf dich!“ Und oben lief Tony Thompson durch den Festsaal, er trug ein T-Shirt mit der Aufschrift: „Ich bin kein Basketball-Spieler.“ Sticheleien, wie sie zu den Ritualen im Profiboxen gehören, und doch wirkte Wladimir Klitschko, der Weltmeister im Schwergewicht der Weltverbände IBF und WBO, ein wenig genervt. „Darauf gebe ich nichts“, sagte Klitschko und guckte mit starrer Miene in die Kameras.

Ob er bei der Pressekonferenz genervt war oder nicht, spielt keine große Rolle, entscheidend ist aus seiner Sicht, dass er sich heute Abend nicht irritieren lässt. In der Hamburger Color-Line-Arena verteidigt er seine WM-Titel gegen Thompson (ab 22.10 Uhr/RTL). Die Sache ist nämlich so: Im Februar hatte Wladimir Klitschko als IBF-Champion im ersten Titelvereinigungskampf im Schwergewicht seit 1999 gegen den Russen und WBO-Weltmeister Sultan Ibragimow gewonnen. Es war ein lauer Kampf in New York, aber seitdem darf sich Klitschko Doppelweltmeister nennen. Zwei Titel verpflichten den Champion aber auch, in festgelegten Fristen gegen die jeweiligen Herausforderer zu boxen. Klitschko entschied sich erst einmal für den Kampf gegen den Amerikaner Thompson, der durch einen Sieg in Hamburg vor einem Jahr Luan Krasniqi aus Rottweil besiegt hatte.

Eigentlich wäre eine Pflichtverteidigung gegen den Russen Alexander Powetkin an der Reihe gewesen, der das Elimination-Turnier der IBF durch Siege über die beiden Amerikaner Chris Byrd und Eddie Chambers gewonnen hatte. Nach der Zahlung eines fünfstelligen Betrages an die IBF, angeblich sollen 20 000 Dollar geflossen sein, akzeptierte der Weltverband die veränderte Reihenfolge. Der Sieger des Kampfes von heute hat dann gegen Powetkin anzutreten.

Der vorerst vertröstete Russe nutzte nun noch einmal die Gelegenheit, auf sich aufmerksam zu machen. Das Management des früheren Olympiasiegers, der seine Profikämpfe ausnahmslos gewonnen hat, beorderte einen roten doppelstöckigen Bus an den Ort des Klitschko-Auftritts. Der Bus war voll mit einem guten Dutzend Models in russischen Armeeuniformen, die schwarze T-Shirts an Passanten verteilten. „Wladimir Klitschko, I want You“, stand drauf, was der Angesprochene nicht lustig fand. „Alexander ist noch sehr jung, ich gebe ihm noch etwas Zeit“, sagte der 32-jährige Klitschko. Den Russen jetzt zu boxen sei sehr einfach, sagte Klitschkos Trainer Emanuel Steward. „Der Beste, der derzeit auf dem Markt ist, ist Tony Thompson.“ Der 55-Jährige Coach aus Amerika lobte den Kontrahenten seines Boxers in den höchsten Tönen. „Er ist der einzige Schwergewichtler der Welt, der keine Angst vor Wladimir hat. Deshalb ist er so gefährlich.“ Auch solche Hymnen gehören zum Geschäft.

Tatsächlich kann sich die Kampfbilanz des 36 Jahre alten Mannes aus Washington D.C. sehen lassen. Thompson ist fast zwei Meter groß und damit auf Augenhöhe von Klitschko. Er gilt als schlagstarker und selbstbewusster Boxer. „Er ist siebenfacher Familienvater, da muss man selbstbewusst sein, er liebt es, im Ring zu diktieren“, sagt Klitschko. Über die Schwächen des Gegner, die in der Wendigkeit und im Deckungsverhalten liegen sollen, mag Klitschko nicht sprechen. „Ich werde im Ring die Fäuste sprechen lassen, um seine Schwächen zu zeigen.“

Tony Thompson, der auf Anregung einer seiner Töchter den Kampfnamen „The Tiger“ trägt, hat 31 seiner 32 Profikämpfe gewonnen, die einzige Niederlage liegt acht Jahre zurück. „Ich kann mich daran nicht mehr erinnern“, sagt Thompson jetzt. „Ich fühle mich gut, ich fühle mich wie ein Champion.“

Ebenfalls acht Jahre liegt Klitschkos letzter Auftritt in seiner Wahlheimat Hamburg zurück. Damals war der Ukrainer noch kein Weltmeister, hatte aber auch noch keine Erfahrung mit dem Ringboden gemacht. Im März 2003 und April 2004 wurde er jeweils von Corrie Sanders und Lamon Brewster auf die Bretter geschickt. Übrigens, vor dem Sanders-Kampf diente ein gewisser T. Thompson Klitschko als Sparringspartner, aber daran kann oder will sich der Weltmeister nicht mehr erinnern. „Ich freue mich, ihn in einem realen Kampf zu treffen.“ Tony Thompson zieht daraus sogar seinen Optimismus. „Ich habe das Beste von Wladimir schon gesehen, aber er kennt das Beste von mir noch nicht.“ Klappern gehört eben zum Geschäft.

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