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Sport: WM 2006: Bewegte Erde

Fortuna Düsseldorf hat in den vergangenen Wochen seltene Erfahrungen gemacht: Zweimal in Folge waren die Heimspiele des Fußball-Regionalligisten ausverkauft. Nun gut, die Fortuna spielt inzwischen nicht mehr wie früher im riesigen Rheinstadion.

Fortuna Düsseldorf hat in den vergangenen Wochen seltene Erfahrungen gemacht: Zweimal in Folge waren die Heimspiele des Fußball-Regionalligisten ausverkauft. Nun gut, die Fortuna spielt inzwischen nicht mehr wie früher im riesigen Rheinstadion. Mitte März ist der Klub an den Flinger Broich zurückgekehrt. Da ist die Kapazität nicht gar so groß, zumal das Stadion gerade umgebaut wird. Trotzdem sind 5800 Zuschauer nicht schlecht für einen Verein, der wohl in die viertklassige Oberliga absteigt und dort gegen Klubs wie Adler Osterfeld, Borussia Freialdenhoven und den Rheydter SV spielt.

Der Düsseldorfer Stadtrat hat sich durch solch trübe Aussichten nicht beirren lassen und im März den Neubau des Rheinstadions beschlossen. Von den 184 Millionen Euro trägt die Stadt - also der Steuerzahler - knapp 64 Millionen. Wenn die neue Arena 2004 fertig ist, wird sie 51 500 Zuschauern Platz und allerhand Schnickschnack bieten: ein verschließbares Dach, Hotel, Restaurants, Büros und Showrooms. Ob Fortuna das braucht? Wohl kaum. Aber Düsseldorf verfolgt nun mal höhere Interessen. Die Stadt will 2006 Spielort bei der Fußball-Weltmeisterschaft werden und sechs Jahre später die Olympischen Spiele austragen. Das übernächste Großereignis ist bei der Planung bereits berücksichtigt. Zumindest in der Theorie. 2006 soll das neue Rheinstadion nämlich eine reine Fußballarena werden. Das heißt: Für die Olympischen Spielen müsste es noch einmal umgebaut werden. Auf Kosten der Steuerzahler, versteht sich.

Obwohl vom neuen Stadion in Düsseldorf lediglich Päne existieren, hat es in der Tat gute Chancen, WM-Spielort zu werden. Am Montag werden in der Alten Oper in Frankfurt am Main die Städte bekannt gegeben, die den Zuschlag erhalten. Ursprünglich sollten es zwölf sein, inzwischen heißt es, der Deutsche Fußball-Bund (DFB) wolle der Fifa vorschlagen, dreizehn Städte zu berücksichtigen. Damit auch Düsseldorf nicht leer ausgeht. Fünfzehn Bewerber gibt es, Leverkusen, der sechzehnte, hat bereits seinen Verzicht erklärt. Dafür trainiert die deutsche Nationalelf während der WM in der Bayarena. Auch die anderen glücklosen Kandidaten sollen in ähnlicher Weise entschädigt werden. Treffen wird es vermutlich Bremen und Mönchengladbach, die Städte, die die geringste Lobby haben und auch nicht den Vorteil besitzen, Landeshauptstadt zu sein (wie Düsseldorf), Wohnsitz des Bundeskanzlers (Hannover) oder des DFB-Präsidenten (Stuttgart).

"Hart, aber objektiv"

Offiziell spielen solche Faktoren natürlich keine Rolle. "Wir werden eine zwar harte, aber auch transparente, objektive Entscheidung treffen", sagt Wolfgang Niersbach, der Vizepräsident des WM-Organisationskomitees (OK). "Alles, was bis Montag veröffentlich wird, sind Spekulationen." Das muss er schon deshalb sagen, weil die Bekanntgabe als großes Ereignis inszeniert werden soll. Nach offizieller Lesart fällt die Entscheidung erst am Montagvormittag in einer Sitzung des OK mit dem Aufsichtsrat und der WM-Kommission der Fifa. Das letzte Wort hat der Weltverband. Der DFB besitzt lediglich ein Vorschlagsrecht. Allerdings gilt es als sicher, dass die Fifa den Vorschlägen des OK folgen wird, zumal die Deutschen alle Bewerber eindringlich untersucht haben. "Wir haben jedes Stadion seziert", sagt Niersbach. "Bis zum letzten Kabelweg, bis zur letzten Steckdose und zum letzten ISDN-Anschluss haben wir den Städten mitgeteilt, was 2006 Standard sein muss." Der Katalog "Stadion 2006" mit allen Vorgaben ist 141 Seiten dick.

Mehr als 200 Journalisten haben sich für den Tag der Entscheidung akkreditiert, 20 Fernsehsender berichten, die ARD überträgt die Zeremonie sogar live. Für die Bewerber geht es um viel: ums Prestige, ums Image und vor allem um viel Geld. Nicht von ungefähr hat Franz Beckenbauer, in seiner Eigenschaft als Präsident des FC Bayern München, Kaiserslautern angedroht, er werde sich, in seiner Eigenschaft als OK-Präsident, dafür einsetzen, dass die Stadt nach den Ausschreitungen der FCK-Fans gegen die Bayernprofis kein Spielort werde. Das schmerzt.

"Wer würde in Deutschland León kennen, wenn die Deutschen nicht bei der WM 1970 dort gespielt hätten?", fragt Berti Vogts. Und wer Cordoba? Gijon? Oder Lens? Vogts, der schottische Nationaltrainer, ist, neben dem Regisseur Sönke Wortmann, dem Künstler Heinz Mack und anderen, einer der WM-Botschafter Mönchengladbachs. Die zweitkleinste der Bewerberstädte hat mir einer aufgeweckten Kampagne ("Mönchengladbach für Deutschland") um ihre geringe Chance gekämpft. Als Beleg für die Ernsthaftigkeit ihrer Bemühungen haben die Gladbacher sogar den Baubeginn ihres Stadions um einen Monat auf den 15. März vorgezogen.

Mönchengladbach kann zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Spielorte immerhin ein wenig bewegte Erde vorweisen. Düsseldorf und München können das nicht. Insgesamt werden bis 2006 noch fünf Stadien (Düsseldorf, Frankfurt, Leipzig, Gladbach, München) neu und fünf komplett umgebaut (Berlin, Bremen, Hannover, Köln, Nürnberg). Drei werden modernisiert (Stuttgart, Dortmund, Kaiserslautern). Nur die beiden Arenen in Schalke und Hamburg sind in dem Zustand, in dem sie sich auch in vier Jahren präsentieren werden. Die WM ist damit ein riesiges Konjunkturprogramm für die deutsche Baubranche. Mehr als 1,5 Milliarden Euro werden alle Maßnahmen noch kosten.

Ein lohnendes Geschäft

Und trotzdem gilt die WM als lohnendes Unternehmen. Bis zu 3,1 Millionen Besucher werden erwartet. Und die kaufen nicht nur Eintrittskarten, sie müssen auch essen und trinken und irgendwo übernachten. "Die Weltmeisterschaft ist ein großes Geschäft", sagt Jürgen Laskowski, der Direktor des WM-Büros der Stadt Düsseldorf. Schon deshalb halten die Politiker fast aller Düsseldorfer Ratsfraktionen den Neubau des Rheinstadions für eine gute Idee. Nur die Grünen sprechen von Größenwahn. "Es wird auf jeden Fall gebaut", sagt Laskowski zu Spekulationen, dass die Umsetzung der schönen Pläne von der Entscheidung am Montag abhängt. Dass durch die notorische Erfolglosigkeit der Fortuna ein ständiger Mieter und damit eine sichere Einnahmequelle fehlt, sieht Jürgen Hanßen, der Projektleiter der Arena, nicht als Problem an: "Wir können flexibel anbieten, weil wir keinen Liga-Spielbetrieb haben." Die neue Arena ist mehr als Veranstaltungshalle konzipiert denn als Fußballstadion. Für Berti Vogts, den WM-Botschafter Mönchengladbachs, könnte das die Lösung sein: "Düsseldorf bekommt schöne Popveranstaltungen, Mönchengladbach die WM."

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