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Er ist der Star, der Spielmacher der Argentinier: Lionel Messi.

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WM 2014 - Argentiniens Star: Lionel Messi lässt sich von niemandem aufhalten

Lionel Messi will sich auf dem Weg zum WM-Titel von niemandem aufhalten lassen. Erst recht nicht von Nationaltrainer Sabella. Längst wirkt es, als würde der Spieler die Entscheidungen treffen.

Argentiniens Einzug ins Achtelfinale war gerade perfekt, da wusste die Zeitung „Diario Popular“ aus Buenos Aires schon, wem der Dank gebührte. „Danke Gott“, titelte das Blatt in überdimensionalen Lettern. Das machte Sinn, schließlich hatte die Mannschaft beim knappen 2:1 gegen Bosnien-Herzegowina und dem gefühlt noch knapperen 1:0 gegen Iran himmlischen Beistand in Form von kuriosen oder späten Toren erhalten. Auch beim wenig überzeugenden 3:2 zum Abschluss gegen Nigeria hatte Argentinien Glück.

Weil das mit der bildlichen Darstellung des Allmächtigen aber so eine Sache ist, druckte „Diario Popular“ auf dem Titel einfach das Bild seines irdischen Vertreters: Lionel Messi, 27 Jahre alt, Argentinier.

Die heldenhafte Verehrung für den Angreifer des FC Barcelona kennt in seiner Heimat inzwischen keine Grenzen. „Pagina 12“ nannte ihn „eine Traummaschine“. Eine, die Argentiniens Obsession vom dritten WM-Titel mit Hoffnung nährt. Bosnien, den Iran und Nigeria fertigte der viermalige Weltfußballer allein ab. Von den insgesamt sechs Toren der Argentinier erzielte Messi vier. Hinzu kamen ein Eigentor des Bosniers Sead Kolasinac (von Messi eingeleitet) und ein Treffer von Marcos Rojo. Im heutigen Achtelfinale soll nun die Schweiz Messis linken Fuß zu spüren bekommen.

Lionel Messi scheint fest entschlossen, sich auf dem Weg nach Rio von niemandem aufhalten zu lassen. Nicht von den Schweizern und nicht von Alejandro Sabella. Der ist Argentiniens Trainer und wirkt wie ein Lehrer, dem die Meute während der Klassenfahrt abhandengekommen ist. Es gibt einige Anzeichen, die dafür sprechen, dass längst Lionel Messi die relevanten Entscheidungen verantwortet. Auch wenn das aus dem Kreis der Nationalspieler heftig dementiert wird.

Es war im ersten Spiel gegen Bosnien, als Messi sich auf dem Weg in die Halbzeitpause seiner Kapitänsbinde entledigte und mit bitterböser Miene Richtung Kabine eilte. Sabella hatte es gewagt, seine mit Offensivstars gespickte Mannschaft im defensiven 5-3-2-System auflaufen zu lassen. Nichts funktionierte, Messi war isoliert. Zur zweiten Halbzeit korrigierte Sabella zwar seinen Fehler, aber Messi tobte. Auf das in der zweiten Halbzeit praktizierte 4-3-3 sagte er: „Dieses System passt besser zu uns. So müssen wir weitermachen. Unter dem anderen leiden wir Stürmer.“ Messi sagte müssen, nicht können oder sollten.

Fortan schickte Sabella seine Spieler stets im 4-3-3-System aufs Feld. Seinen Versuch mit dem 5-3-2 räumte er nach dem Spiel demütig als „klaren Fehler“ ein und geißelte sich dafür. Argentinische Zeitungen spekulierten, Messi hätte in der Halbzeit veranlasst, das System zu ändern. Darauf angesprochen, verweigerte Sabella eine klare Aussage. Lieber betonte er etliche Male, Messi sei der beste Fußballer der Welt.

Um Sabellas Autorität wieder herzustellen, sah sich der ehemalige Kapitän Javier Mascherano genötigt, seinem Trainer verbal zu Hilfe zu eilen. Über die Systemumstellung und die Schwierigkeiten mit dem 5-3-2 sagte er im Interview mit der Zeitung „Ole“: „Alejandro hat das gesehen. Natürlich hat er entschieden, es zu ändern.“

Zweifel bleiben trotzdem

Sabella wäre nicht der Erste, der mit dem inzwischen sehr bestimmt auftretenden Lionel Messi aneinandergerät. Aus der Traummaschine kann genauso gut eine werden, die Albträume hervorruft. Für Trainer. Als Pep Guardiola noch den FC Barcelona verantwortete, wagte er es einmal, den von einer Länderspielreise geschwächten Messi auf der Bank zu lassen. Der Angreifer bedankte sich für die Pause auf seine Weise: Als er eingewechselt wurde, verweigerte er die Arbeit. Anschließend sprach er mehrere Tage nur das Nötigste mit Guardiola. Seitdem ist Messi quasi unauswechselbar. Selbst als Argentinien gegen Nigeria 3:2 führte und Messi zwei Tore erzielt hatte, verzichtete Sabella darauf, seinen Kapitän vom Feld zu nehmen. Nichts wäre fataler, als den besten Fußballer der Gegenwart zu verärgern. Als Barcelonas Vizepräsident Javier Faus sich Ende des vergangenen Jahres weigerte, Messis Bezüge zum wiederholten Male aufzubessern, wurde er rüde vom Argentinier zurechtgewiesen. „Herr Faus ist eine Person, die von Fußball keine Ahnung hat.“ Am Ende musste sich Faus öffentlich bei Messi entschuldigen, Barça hob das Einkommen des wichtigsten Spielers auf rund 21 Millionen Euro an – pro Jahr.

Schüchtern ist er längst nicht mehr. Die Geschichte, dass seine heutigen Kumpels Gerard Pique und Cesc Fabregas vermuteten, Messi wäre stumm, gehört in die Mottenkiste der Fußball-Anekdoten.

Messi bestimmt, wo es langgeht. In seinem Klub und in der Nationalmannschaft. Seine noch immer kindliche Begeisterung für das Spiel lässt sein Handeln oft unreif erscheinen. Nach schweren Niederlagen hat Messi oft tagelang damit zu tun, diese zu verarbeiten. Dann zieht er sich zurück, ist für kaum jemanden zu sprechen. Nach dem WM-Aus gegen Deutschland in Südafrika saß er in der Kabine auf dem Boden und schrie und heulte dermaßen, dass Mitspieler glaubten, er würde einen Anfall erleiden. Vor dem Hintergrund dieser Erfahrung erscheint sein Protest gegen Sabellas System wie eine Schutzreaktion.

Argentiniens Trainer versucht vor dem Beginn der K.o.-Runde mit aller Macht, ein intaktes Verhältnis zu seinem Star zu demonstrieren. Nach Messis spätem Tor gegen den Iran lobte Sabella: „Nicht einmal zwei Torhüter hätten Lionels Tor verhindern können.“ Die Sache mit dem kolportierten Streit kommentiert er so: „Leos Worte haben mich nicht verletzt. Er hat doch schon oft gesagt, dass er lieber 4-3-3 spielt. Er war sehr respektvoll.“

Wichtiger als die Wahrung seiner Autorität ist Sabella vermutlich der Gewinn des WM-Titels. Wen er dafür braucht, weiß er nur zu gut: „Messi. Wenn du den hast, ist alles möglich.“

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