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Desolat: Die Brasilianer nach dem 0:3 gegen die Niederlande.

© Reuters

Update

WM 2014 - Brasilien - Niederlande 0:3: Brasilien verliert und ist nicht mal mehr zum Weinen

Der Gastgeber Brasilien geht auch im Spiel um Platz drei unter. Gegen mäßig motivierte Holländer verliert die tollpatschigste Seleçao aller Zeiten 0:3 und die letzten Sympathien

Vermutlich waren nicht viele Tränen übrig in ganz Brasilien, vor allem nicht bei der Seleçao, der brasilianischen Nationalmannschaft. Nach dem bitteren Halbfinal-Debakel von 1:7 gegen Deutschland wurde genug geheult, so dass selbst Neymar, der verletzte Star des Landes, irgendwann genug davon hatte und stellvertretend für sein Team beschloss: „Wir haben alles beweint, was es zu beweinen gab. Jetzt versuchen wir, zu spielen und die Partie zu gewinnen.“

Aber er wurde nicht erhört. Erst feierte ihn das Publikum, als er ins Stadion gehumpelt kam und auf der Reservebank Platz nahm, dann aber tat ihm sein Team nicht den Gefallen, sich aufzuraffen zu einer Leistung, die vielleicht wie Salbe hätte wirken können auf den weiterhin offenen Wunden. Doch Brasilien verlor auch das Spiel um Platz drei gegen die Niederlande mit 0:3 (0:2). Und zum Heulen wurde die Partie aus brasilianischer Sicht bereits exakt nach einer Minute und 24 Sekunden. Zuvor waren die Gastgeber wie schon gegen Deutschland ungestüm nach vorne gerannt, aber dabei hatten sie wieder einmal vergessen, was man in der Rückwärtsbewegung macht. Hollands erster Angriff über Robben führte sofort zum 1:0.

Letztes Spiel für Van Gaal

Ausgerechnet der nach seiner Gelbsperre gegen Deutschland wieder zurück in die Abwehr gerückte Thiago Silva hielt den Bayern-Stürmer, allerdings vor dem Strafraum. Schiedsrichter Djamel Haimoudi aus Algerien hätte auf Freistoß entscheiden müssen und Brasiliens Kapitän hätte laut Regelwerk wegen Verhinderung einer eindeutigen Torchance mit Rot vom Platz gestellt werden müssen. Stattdessen gab es Gelb und Elfmeter, den Robin van Persie sicher verwandelte.

Hollands Trainer Louis van Gaal hatte noch vor dem Spiel rechtzeitig die Kurve bekommen, nachdem er geschimpft hatte, dass doch niemand solch ein Spiel um Platz drei wolle, und gesagt, „die Aufgabe komme langsam zurück in die Köpfe“. Vor allem in seinen Kopf, denn schließlich wollte sich der Bondscoach souverän verabschieden, bevor er zu Manchester United in die Premier League wechselt. Souverän verabschieden geht aus van Gaals Sicht natürlich nur mit einer historischen Leistung.

Und so hatte er den schönen Fakt entdeckt: „Noch nie hat ein holländisches Team eine WM ohne Niederlage verlassen.“ Er meinte ohne Niederlage in regulärer Spielzeit. Jedenfalls war das ein ausreichend attraktives Ziel, um sein Team zu motivieren.

Ideen- und mittellose Brasilianer

Brasilien spielte im Prinzip 90 Minuten lang wie eine taktisch schlecht geschulte Jugendmannschaft. Und sie bewiesen damit, dass das Ergebnis gegen Deutschland keineswegs nur einem außergewöhnlichen, unerklärlichen Blackout geschuldet war, sondern schlimmen handwerklichen Fehlern. Oft standen bis zu sechs Spieler nach Ballverlust vor dem Ball in der gegnerischen Hälfte, so dass die ohnehin löchrige Viererkette hinten nur noch zu Dritt stand ohne weitere Absicherung aus dem Mittelfeld. Holland reichte ein weiterer ordentlich vorgetragener Konter über die rechte Seite, um das 2:0 zu machen. In der Mitte klärte zwar David Luiz den Ball noch per Kopf – allerdings genau vor die Füße des vollkommen frei stehenden Daley Blind, der den Ball am Elfmeterpunkt noch in Seelenruhe mit links kontrollieren konnte, um ihn dann ins Tor zu befördern.

Blind (li.) und der spätere Torschütze Wijnaldum bejubeln das 2:0 durch den Ajax-Mittelfeldspieler.
Blind (li.) und der spätere Torschütze Wijnaldum bejubeln das 2:0 durch den Ajax-Mittelfeldspieler.

© Reuters

Dabei hatte Brasiliens nun wohl sehr bald scheidender Trainer Luiz Felipe Scolari die Seleçao auf sechs Positionen geändert. Kapitän Thiago Silva kehrte für Bayern-Profi Dante in die Innenverteidigung zurück. Auf der linken Abwehrseite begann Maxwell anstelle von Marcelo, im defensiven Mittelfeld durfte Paulinho statt Fernandinho neben Luiz Gustavo starten. In der Offensive gab es gleich drei Wechsel: Ramires und Willian besetzten die Außenpositionen für Bernard und Hulk. In der Sturmspitze durfte erstmals bei dieser WM Jo beginnen, der auch beim 1:7 gegen Deutschland schwache Fred blieb zunächst draußen.

Doch alle diese Wechsel brachten keine neue Ideen, stattdessen spielten die Brasilianer lange Bälle in die gegnerische Hälfte. Es war, als ob die Seleçao noch einmal mit Absicht demonstrieren wollte, dass sie mit diesen Spielern und diesem Fußball keine Zukunft hat. Das Publikum reagierte auf seine Weise: Es amüsierte sich mit La Ola, es feierte die Mannschaft mit Sprechchören, und man sah immer wieder Neymar, wie er von der Bank aus Anweisungen aufs Feld schrie. Ganz ohne Tränen in den Augen.

Wijnaldum setzt den Schlusspunkt

Immerhin schaffte Oscar in der 22. Minute den ersten Torschuss, danach flogen nach einem Freistoß von rechts gleich mehrere brasilianische Spieler knapp am Ball vorbei. Symptomatisch für die brasilianische Mischung aus Pech und Unvermögen.

In der zweiten Hälfte war kaum noch Fußball zu sehen, die Fouls häuften sich, die Abspielfehler auch, kaum gelangen einem Team ordentliche Spielzüge, fast nur Standards wie Freistöße brachten Gefahr. Scolari hatte Fernandinho und Hernanes gebracht, beiden fügten sich gleich mit Fouls ein. Auch Hulk änderte nichts mehr am schwachen Spiel der Gastgeber. Und dann war da noch Schiedsrichter Haimoudi, der sich zu allem Unglück der Leistung der Brasilianer anschloss.

Als Oscar in der 68. Minute im Strafraum gefoult wurde, zeigte er ihm Gelb wegen Schwalbe. Das war vielleicht die Ironie dieser WM-Geschichte, denn das erste Tor für Brasilien, das 1:0 gegen Kroatien, war durch einen Elfmeter nach Schwalbe Freds gefallen. In der Nachspielzeit traf Georginio Wijnaldum zum 3:0.

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