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Und Gott hatte nicht geholfen. Thomas Müllers emotionale Leere nach der bitteren Finalniederlage.

© dpa

WM 2014 - Deutsche Final-Pleite gegen Argentinien?: Zuviel Druck im Spiel

Brasilien ist raus, jetzt ist Deutschland der Hoffnungsträger der Brasilianer bei der Fußball-Weltmeisterschaft. Kann das gutgehen? Kann Deutschland die Erwartungen von 200 Millionen erfüllen? Falls nicht - hier sind die gesammelten Ausreden.

„Der Druck war zu groß“, stammelte ein um Fassung bemühter Manuel Neuer mit tränenerstickter Stimme ins Mikrofon. „Ich möchte mich bei allen Brasil… äh… bei allen Deutschen entschuldigen. Wir wollten dem Land Hoffnung geben“, sagte der Keeper, der noch ein „das haben wir nicht geschafft“ hervorpresste, bevor er mit einem Weinkrampf in den Armen des Fieldreporters das Interview abbrach. Und während im Hintergrund Benedikt Höwedes auf dem Platz kniete und mit geschlossenen Augen und gen Himmel gerichteten Zeigefingern ein Gebet sprach, wurde klar: Die Sympathien der Brasilianer, die sich nach dem 1:7 im Halbfinale so schlagartig auf die Deutschen übertragen hatten, waren des Guten zu viel gewesen. Der Druck, dieser verdammte Druck.

Bereits bei der Hymne hatte das Team eine bisher unbekannte Dünnhäutigkeit an den Tag gelegt. Mats Hummels, ansonsten der sprichwörtliche Fels in der Brandung, kämpfte bereits vor den ersten Takten mit den Tränen, neben ihm stand Thomas Müller, der sich zitternd wieder und wieder bekreuzigte. Als die 78.000 Fans im vollbesetzen Maracana gemeinsam mit den Spielern dann die Hymne ohne Begleitung weitersangen, war den Spielern die Rührung deutlich anzusehen. Aber das Emotionale dieses Moments drohte zu kippen. War die Euphorie von den Tribünen noch beschwingend für die deutsche Elf? Oder schon eine Blockade?

Zumal die Stimmung bereits im Vorfeld des Finals zum Zerreißen angespannt war. Insbesondere die bittere Verletzung von Kapitän und Hoffnungsträger Philipp Lahm, der sich im Campo Bahia beim Versuch, eine Kaffeetasse aus dem oberen Regalboden zu nehmen, einen Lendenwirbel gebrochen hatte, hatte im deutschen Lager, aber vor allem auch unter den brasilianischen Fans für Entsetzen gesorgt.

Die Fans verhöhnen Miroslav Klose

Schnell machte der Hashtag #forlahm die Runde, unter dem ganz Brasilien dem verletzten Superstar kondolierte. Eine Zeitung druckte Lahm-Masken zum Ausschneiden, der Star selber meldete sich mit einer Videobotschaft zu Wort. Mit roten Augen bedankte er sich beim ganzen Land. Jetzt würde man eben ohne ihn Weltmeister, ein zweites Maracanaço werde es nicht geben, sagte der Jungstar und strich sich schüchtern den blondierten Pony aus der Stirn.

Zur hässlichen Randnotiz des Spiels wurde schließlich der Umgang der Fans mit Mittelstürmer Miroslav Klose. Zu behäbig, technisch limitiert, so die einhellige Meinung, die sich während des Spiels in gellenden Pfeifkonzerten Bahn brach. „Ich verstehe nicht, warum das Publikum mich so behandelt“, sagte ein sichtlich angefasster Klose nach dem Spiel und rieb sich nachdenklich den neu gewachsenen Schnäuzer. „ Ich habe immer alles für Brasi… äh… für Deutschland gegeben.“

Am Ende, so schien es, war das nicht genug. Der Druck, dieser verdammte Druck, er war einfach zu groß.

Stephan Reich

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