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Saufen, so oder so. Lebensweisheiten im Hecht.

© Mohnhaupt

WM 2014 in Berlin: Warten auf Didier Drogba im Hecht

Public Viewing for One. Sonntagnacht hat sich unser Leser-Reporter und Alles-Gucker in die Charlottenburger Kneipe "Zum Hecht" begeben, um dort das WM-Spiel zwischen der Elfenbeinküste und Japan anzusehen - alleine. Ein Ortstermin.

Stell' dir vor, es ist Public Viewing – und keiner schaut zu. Außer dir: Sonntag, drei Uhr nachts, die beste Zeit, um in Berlin wegzugehen und Freunde zu treffen. Wer es allerdings ruhiger mag, schaut sich das WM-Spiel Elfenbeinküste gegen Japan in der Charlottenburger Traditionskneipe „Zum Hecht“ am Stuttgarter Platz an.

Als ich den Laden, wo Bier und (Fürst) Bismarck fließen, eine Stunde vor Spielbeginn betrete, dudelt aus der Jukebox gerade Carlos Santanas "Samba Ti". Außer mir sind nur noch ein älterer Herr und Kellnerin Gabi anwesend. Meinen Hinweis, ich sei so früh hier, um mir die beste Sicht auf einen der drei Flachbildfernseher zu sichern, quittiert sie mit einem Schulterzucken und wohlwollenden Lächeln.

Ich begebe mich in den Raucherbereich der Raucherkneipe, also nach hinten, wo die Luft steht. Das Bier kommt prompt, auch ohne Bestellung. Man kennt sich eben. Von vorne ertönt nun ein Best-of von Helene Fischer, die die große Liebe beschwört. Der Soundtrack lässt die Ledersitze, Weinregale mit den leeren Flaschen und die Schwarz-Weiß-Fotos vergangener Abende surreal erscheinen. Warten.

Als der – wie sich später herausstellen wird – verhältnismäßig souveräne Schiedsrichter Enrique Roberto Osses Zencovich aus Chile anpfeift, befinden sich Didier Drogba und ich noch im Wartestand. Drogba wartet auf der Bank darauf, irgendwann auch mal ins Geschehen eingreifen zu können, ich warte vor dem Fernseher auf weitere Nachtschwärmer, die sich dieses Spektakel antun wollen.

ARD-Kommentator Jens-Jörg Rieck verhindert wenigstens das Wegdämmern

16. Minute: Honda erzielt das 1:0 für Japan. So steht es auch im hinteren Teil der Kneipe: Ich führe allein gegen die Müdigkeit. Noch. Ich sehne mich nach dem Halbzeitpfiff. Dieser ertönt keine Sekunde zu früh und gibt mir die Möglichkeit, vorne an der Theke durch ein bisschen Small-Talk den Schlaf zu unterdrücken. Dort hat sich der andere Gast mittlerweile direkt vor dem Zapfhahn niedergelassen und diskutiert mit Gabi, warum der BER nicht fertig gestellt wird. Die Tatsache, dass ich ein Argentinien-Trikot trage, veranlasst ihn aber zu einer kurzen Debatte darüber, wie es denn um meinen Sinn für Patriotismus bestellt sei. Von nun an nennt er mich nur noch "Messi". Helene Fischer erinnert mich daran, dass sie doch mit mir "mitten im Paradies" sein wollte.

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Pünktlich zum Wiederanpfiff bin ich aber wieder hinten im Hecht, allein vor dem Fernseher, und versuche nicht einzuschlafen. Der Einzige, der mir dabei hilft, ist Jens-Jörg "Jay-Jay" Rieck. Ausnahmsweise mal ein TV-Kommentator, der nicht so schlecht ist, dass man rufen möchte: 'Mach' den Ton aus!'" Er hält mich wach.

Endlich, der Moment, auf den die Elfenbeinküste, die restliche Fußballwelt und ich gewartet haben: kurz vor halb fünf – Drogba wird eingewechselt! Die Stimmung steigt. Er sorgt sofort mit einem Alleingang für einen Hallo-Wach-Effekt, im Stadion in Recife und im Hecht. Die "Elefanten" spielen wie entfesselt und drehen innerhalb von zwei Minuten das Spiel durch zwei fast identische Kopfballtore. Mein Jubel veranlasst einen neuen Gast, der sich in den hinteren Bereich verirrt hat, einen kurzen Zwischenstopp vorm Fernseher einzulegen. Er blickt nur kurz hoch zum Bildschirm. "Aha... Ja...", dann zieht er weiter, Richtung Klo.

Ohne weitere Gegenwehr gewinnen Drogba und Co das Spiel 2:1. Andrea Berg säuselt mir zu: "Dein Koffer wartet schon im Flur." Ich mache mich langsam auf den Heimweg. "Messi kann nach Hause fahren", bemerkt der BER-Experte an der Theke süffisant.

Abwarten.

Manfred Schürholt

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