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São Paulo unter Schock. Arbeiter beobachten die Bergung der toten Kollegen.

© AFP

WM 2014 in Brasilien: Weiße Elefanten am Amazonas

Nach dem Stadion-Unfall von São Paulo und weiteren Problemen kommt die Frage auf, ob sich Brasilien mit der Fußball-Weltmeisterschaft nicht doch übernommen hat.

30 Tage, mehr nicht! Soviel Aufschub hat die Fifa den Brasilianern zur Übergabe des WM-Stadions Itaquerão in São Paulo gegeben. Ursprünglich wollte der Weltfußballverband die 68.000 Zuschauer fassende Arena Ende Dezember abnehmen. Doch wegen des schweren Unfalls vom vergangenen Dienstag akzeptiert man in Zürich nun eine Verzögerung bis Anfang Februar.

In dem Stadion, das dem brasilianischen Club Corinthians gehört, soll am 12. Juni 2014 das Eröffnungsspiel der Fußball-WM stattfinden. Es würde dann überschattet vom Tod zweier Arbeiter, die beim Einsturz eines Krans ums Leben kamen, mit dem das letzte Stück des Stadiondachs aufgesetzt werden sollte. Bei dem Unglück wurden Teile der Fassade und der Tribüne zerstört, die Struktur jedoch nicht beschädigt, wie der verantwortliche Baukonzern beteuert. Ebenso selbstsicher geben sich die Brasilianer, was den neuen Abgabetermin angeht. José Maria Marin, Präsident des brasilianischen Fußballverbands CBF sagte, dass er sich die WM-Eröffnung an einem anderen Ort nicht vorstellen könne. Dabei sind Zweifel angebracht. Denn weder sind die Ursachen für den Unfall in São Paulo klar, noch hat man die Schäden am Stadion bisher wirklich auswerten können. Für erhebliche Verzögerung dürfte zudem das vorläufige Verbot der Behörden sorgen, die insgesamt neun Kräne zu benutzen, die auf den brasilianischen Stadionbaustellen im Einsatz sind. Die Fristen interessieren nicht, nur die Sicherheit der Arbeiter, hieß es aus dem Arbeitsministerium.

Die Fifa sorgt schon einmal vor und lässt über ihr belgisches Exekutivmitglied Michel D’Hooghe verbreiten, dass die Arena spätestens vier Monate vor Beginn der WM fertig sein müsse. Falls dies nicht gelingen sollte, müsse man sich fragen, ob das Eröffnungsspiel wirklich in Südamerikas größter Stadt angepfiffen werden könne. Obwohl D’Hooghe verneinte, dass es einen Plan B gebe, will die Zeitung „Folha de São Paulo“ erfahren haben, dass bei der Fifa darüber nachgedacht wird, die Auftaktpartie nach Belo Horizonte, Rio de Janeiro oder Brasilia zu verlegen.

Obwohl das brasilianische WM-Organisationskomitee COL über den Ex-Fußballstar Ronaldo verbreiten lässt, dass nun nicht die Zeit sei, an das Image Brasiliens zu denken, sondern an die Familien der Toten, wäre eine Verlegung der Eröffnung für Brasilien eine Blamage. Einmal mehr würde sich die Frage stellen, ob sich das Land mit der Organisation der WM nicht übernommen hat. Zahlreiche Projekte mussten mit der Zeit aufgegeben werden, etwa der Schnellzug zwischen São Paulo und Rio de Janeiro, dessen Bau sich als zu teuer, schwierig und langwierig erwies. Erhebliche Zweifel herrschen zudem am Transportsystem in Rio de Janeiro. Die Stadt mit sieben Millionen Einwohnern hat lediglich zwei U-Bahnlinien, der Großteil des öffentlichen Nahverkehrs wird mit Bussen bestritten. In Rio, so hat man ausgerechnet, fehlen zudem rund 30.000 Hotelzimmer, um die Fans während der WM aufzunehmen. Um Abhilfe zu schaffen, hat die Stadt nun 48.000 neue Hotelzimmer versprochen – allerdings erst bis zu den Olympischen Spielen 2016. Nun plant man, während der WM Hotelschiffe und Kreuzfahrtschiffe dauerhaft in der Bucht von Guanabara ankern zu lassen.

Wegen dieser infrastrukturellen Mängel gilt Rio zwar als der kritischste Austragungsort, aber ist nicht der einzige mit Problemen. Bereits vor vor dem Unglück in São Paulo wurde bekannt, dass das WM-Stadion in Manaus nicht wie geplant der umweltfreundlichste Austragungsort wird. Die Solaranlage kann aus Zeitmangel nicht mehr realisiert werden. Im südbrasilianischen Curitiba verzichtet man derweil auf das verschiebbare Stadiondach. Neben der Arena in São Paulo sind die Stadien in den Städten Natal, Porto Alegre und Cuiabá ebenfalls noch nicht fertig. Die Stadien in Manaus, Natal, Cuiabá und Brasilia wurden in Studien zudem bereits als „Weiße Elefanten“ ausgemacht, also Stadien, die nach der WM nicht mehr gebraucht werden, der Öffentlichkeit aber horrende Kosten verursachen. Die Frage, die sich viele stellen, lautet nun, ob es vor und während der WM wieder zu Massenprotesten kommt, die sich auch gegen die Kosten für das Weltereignis richten.

Der Unfall von São Paulo wirft nun auch ein Licht auf die Arbeitsbedingungen in Brasilien. Zwar gab es in Brasilien auf den Baustellen immer wieder von den kämpferischen Gewerkschaften angeführte Streiks für bessere Bezahlung und entspanntere Arbeitszeiten –, doch Sicherheit spielt in Brasilien oft erst dann eine Rolle, wenn Unfälle bereits passiert sind.

Beim Bau der WM-Stadien sind nun insgesamt vier Arbeiter ums Leben gekommen. In Manaus und Brasilia stürzte jeweils ein Arbeiter in den Tod. Die Opfer von São Paulo sind der Kranführer und ein Monteur. Er hatte sich zum Ausruhen in eine Toilette gelegt und war eingeschlummert, als über ihm der Kran zusammenbrach.

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