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Am Boden. Arjen Robben bleibt nur das kleine Finale.

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WM 2014 - Louis van Gaal gescheitert: Trotz Arjen Robben in Topform: Holland bleibt der ewige WM-Verlierer

Mit einer konfusen Umdeutung seiner Taktik raubt Trainer Louis van Gaal dem Spiel der Holländer jegliche Durchschlagskraft. Die Mannschaft fährt trotz großer Möglichkeiten wieder mal ohne WM-Pokal nach Hause.

Die herzzerreißenden Tränen von Luka Robben konnte selbst sein Vater Arjen nicht stoppen. Nach dem 2:4 im Elfmeterschießen gegen Argentinien versuchte er seine Frau Bernadien und den bitterlich weinenden Sohn auf der Tribüne zu trösten, doch der Kleine wollte partout nicht zu Papa auf den Arm. Mit einem kurzen Winken verabschiedete Robben seine Familie und wünschte sich dann möglichst weit weg vom Weltturnier. „Der dritte Platz kann mir gestohlen bleiben“, schimpfte er. Nun geht es für die Niederlande gegen Brasilien am Samstag nur um Bronze anstatt um den ersehnten ersten WM-Pokal.

„Allein der Titel zählt, das Spiel um Platz drei dürfen sie von mir aus echt abschaffen.“, sagte Robben, der in zuvor 120 Minuten Spielzeit kein Glück hatte. Als Schiedsrichter Cuneyt Cakir zum dritten Mal keine Lust gehabt hatte, seinen Mätzchen nur den Hauch von Aufmerksamkeit zu schenken, verließ ihn unübersehbar die Lust. Soeben war er das dritte Mal im argentinischen Strafraum zu Boden geglitten, weil er eine leichte Berührung durch einen Gegenspieler gespürt hatte, doch erneut hatte der türkische Unparteiische kein Foul erkannt. Robben neigt in Momenten größter Unzufriedenheit zu einer Mimik, die an dickköpfige Heulsusen aus der Kindheit erinnern. Er schimpfte wie ein Rohrspatz, boxte die Luft und seine Augen verzogen sich zu Schlitzen, als kämpfe er in seiner Wut mit den Tränen.

Er ahnte wohl schon, dass alles wieder einmal umsonst gewesen war. Auch bei ihrer zehnten Turnierteilnahme fahren die Holländer ohne WM-Pokal nach Hause. Dabei hatten sie nach dem rauschhaften 5:1 zum Auftakt gegen Spanien so große Hoffnungen gehegt. Doch als es drauf ankam, war es vorbei mit der Herrlichkeit. Das alte Problem der Niederländer: In entscheidenden Momenten verlässt sie allzu oft der Mut, sich auf ihre Stärken zu verlassen.

Auch bei ihrer zehnten Turnierteilnahme verpassen die Holländer den Titel

Dabei war Louis Van Gaal nach dem Kantersieg gegen Spanien anzumerken, wie stolz er auf seine taktischen Kniffe war. Was hatten sie ihn daheim – allen voran Johan Cruyff – für die Abschaffung des sakrosankten 4-3-3-Systems kritisiert. Doch Van Gaals Geniestreich mit einer 3-4-3-Taktik zu spielen, die bei Ballverlust in rasantem Tempo auf 5-2-3 umschaltet, hatte müde Iberer fast um den Verstand gebracht. Seine Hinwendung zu jungen Talenten, der kategorische Schnitt mit der Verbannung altgedienter Stars wie Johnny Heitinga, Joris Matheijsen oder des verletzten Rafael van der Vaart hatte sich ausgezahlt.

Seit Anfang Mai, so van Gaal nach dem Sieg gegen Spanien, hätte er über nichts anderes nachgedacht, als darüber, wie sein Team das Auftaktmatch gewinnen könne. Dass dies nur die halbe Wahrheit war, erkannte der kundige Betrachter spätestens beim souveränen 2:0-Sieg über Chile. Robin van Persie, Wesley Sneijder und ein Arjen Robben in der Form seines Lebens, schickten sich an, zu ganz großen Stars der WM zu werden.

Gekämpft wie die Löwen und trotzdem gescheitert. Auch unter Taktikfuchs van Gaal gelingt den Niederlanden nicht der ganz große Wurf.
Gekämpft wie die Löwen und trotzdem gescheitert. Auch unter Taktikfuchs van Gaal gelingt den Niederlanden nicht der ganz große Wurf.

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Während sich die deutsche Elf gegen Algerien durchs Achtelfinale würgte, eliminierten die Niederländern in Mexiko – und mit Unterstützung von Robbens Schauspieltalent, sowie der Nachsicht des Referees – einen weiteren Mitfavoriten. Es zeigt die Leidenschaft und Lebensfreude, die in diesen Wochen im Team geherrscht haben muss, dass Robben und van Persie eines Nachts aus ihrem Hotel in Ipanema ausbüchsten – und schließlich bei einem Beachsoccermatch am Strand mittaten.

Berauscht von der Funktionalität seiner Entscheidungen, packte ausgerechnet Coach van Gaal in dieser Phase der Übermut. Er düpierte seinen Schlussmann Jasper Cillessen, als er ihn vorm Elfmeterschießen gegen Costa Rica gegen Ersatzmann Tim Krul aus dem Spiel nahm. Als ihn ein Journalist fragte, ob ihm sein Erfolg bei dieser WM eigentlich Genugtuung verschaffe, antwortete van Gaal: „Sowas habe ich nicht nötig.“

Zweifel sind dem Mann, der die „Elftal“ nun gen Manchester verlässt, seit jeher fremd. Das hat schon Uli Hoeneß erleben müssen, daran wird auch Alex Ferguson zu knabbern haben. Doch bereits gegen Costa Rica ging dem spektakulären Tempofußball des Teams die Luft aus. Gegen Argentinien setzte van Gaal dann auf eine Fünferkette in der Abwehr und Nigel de Jong als Bouncer gegen Lionel Messi davor. Damit hatte van Gaal im sechsten Spiel eine fundamentale Umdeutung seiner Taktik vollzogen. Von Angriffsfußball aus einer gesicherten Defensive hatte er auf totale Passivität umgestellt. Während Robin van Persie schon zu Beginn des Spiels gegen Argentinien wirkte, als befände er sich bei einem Freundschaftsspiel in der mittelenglischen Provinz in sehnlicher Erwartung einer baldigen Auswechslung, verlor Robben erst im Verlaufe des Spiels seine Aura und seinen Witz, die ihn im bisherigen Turnier so unwiderstehlich gemacht hatten. Nichts gelang.

Die rudernden Arme, mit denen der Angreifer des FC Bayern seine Unzufriedenheit über die Ereignisse anzeigte, waren noch das Spektakulärste, was die Niederländer in 120 Minuten zustande brachten. Das erkannte auch Louis van Gaal, der auf der Bank immer kleinlauter in sich zusammensackte. Er hatte seine Mannschaft ihrer natürlichen Philosophie beraubt, nun musste er mit ansehen, wie seine Spieler fragend über den Rasen trotteten. Vom Champagnerfußball der ersten Wochen war nur ein abgestandener Lightbierkick geblieben.

Kein Wunder, dass neben Robben auch van Gaal vehement die Abschaffung des Spiels um den dritten Platz forderte.

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