zum Hauptinhalt
Ein Held auf den Inseln: Färöer-Torwart Jens Martin Knudsen

© dpa

WM 2014: Nordischer Fußball ist so was von Neunziger

Die WM findet erstmals seit 1982 ohne Skandinavier statt – die Fans dort schauen nostalgisch zurück und haben ihren Spaß auch wenn ihre Teams in Brasilien fehlen.

Was macht ein Däne während der WM in Brasilien? Er schaut sich eine Wiederholung des alten Finalspiels der Europameisterschaft von 1992 in Schweden an. Damals, vor 22 Jahren, gewann die dänische Nationalmannschaft als Außenseiter gegen den Favoriten Deutschland mit 2:0 – und viel Glück, wie Kritiker sagen. Dennoch: Ein legendäres Finalspiel. Während die großen Fußballnationen in Brasilien um den Titel kämpfen, zieht sich der dänische Fan also in die guten alten Erinnerungen zurück und genießt die Nostalgie von „dengang“ (damals), als Dänemark plötzlich beim Fußball eine Größe wurde. Der staatliche Sender TV2 wiederholte noch bis vor einigen Jahren die Partie regelmäßig zu großen Turnieren. Fans und Familien versammelten sich vor dem Fernseher und fieberten erneut mit, wenn das kleine Dänemark (wieder) gegen den großen Nachbarn triumphierte. Doch auch im Jahr 2014 wird diese Tradition auf DVD und im Internet gepflegt. Dänemark konnte sich für die WM 2014 nämlich nicht qualifizieren. Wieder ein Anlass, alte Spiele zu schauen.

Eine weiße Pudelmütze

Seit 1982 findet ein WM-Turnier erstmals wieder ohne Skandinavier statt. Sonst wechselten sich Norweger, Dänen und Schweden meist mit WM-Teilnahmen ab. Dabei sagte der schwedische Stürmerstar Zlatan Ibrahimovic vor Kurzem, dass es ohne ihn keine gescheite Weltmeisterschaft geben kann. Für seine derben Sprüche wird er in Schweden verehrt und verschmäht. Doch irgendwie müssen die Fans zwischen Grön- und Lappland ihre erste WM-Abstinenz seit langer Zeit verarbeiten. Die Ibrahimovic-Selbstbewusstseinstherapie verspricht für viele Skandinavier keine Heilung. Über die Jahre haben sie sich die jeweiligen Länder eigenwillige Methoden angeeignet, um mit dem Schmerz der Nichtteilnahme umzugehen. „Man sucht sich einfach eine Ersatzmannschaft“, sagt Gerhard Fischer bei einer Lesung seines Buches „Die unhaltbare Pudelmütze“ im Gebäude der Nordischen Botschaften in Berlin. Der deutsche Autor bereiste alle skandinavischen Länder und Inseln und schrieb seine Eindrücke über skurrile Sporttraditionen im Norden auf. Inspiriert wurde er vom Färöer-Torwart Jens Martin Knudsen. Die Elf der Färöer Inseln besiegte bei einem Qualifikationsspiel zur Europameisterschaft 1992 Österreich sensationell 1:0. Knudsens Markenzeichen, eine weiße Pudelmütze, vergab der Schmach der Österreicher eine besondere Note. Ja, die Neunziger waren eine gute Zeit für den nordischen Fußball. Und sie erinnern sich im Norden gerne daran.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Andere Bälle sind wichtiger

Die Norweger qualifizierten sich selten für Weltmeisterschaften. Die goldenen Neunziger mal ausgenommen. Deswegen drücken sie der englischen Mannschaft die Daumen weil die meisten Fans in Norwegen Premier League gucken. Doch speziell ein Team aus dem Süden wird da attraktiver. „Viele Skandinavier finden, dass die deutsche Nationalmannschaft schöner spielt“, sagt Autor Fischer. Neben dem Blick auf alte Erfolge und der Suche nach Alternativnationalmannschaften gehen die Fans im Norden kreativ mit der WM-Abstinenz um. Zum Beispiel organisieren die Finnen, die noch nie bei einer WM oder EM dabei waren, jeden Sommer ein internationales Turnier im Schlammfußball. Dort gilt auch die Formel „das Runde muss ins Eckige“, aber dabei müssen die Spieler der mehr als 200 teilnehmenden Mannschaften aufpassen, nicht bis zum Hals im Schlamm zu versinken. Wenn sie schon nicht bei den ganz großen Turnieren mitmachen können, erspielen sie sich den Spaß zuhause. Gerhard Fischer meint, dass es sowieso ernstere Sportleidenschaften im hohen Norden gibt. In Dänemark schauen die Menschen lieber Handball, in Schweden Eishockey, da sei die Chance bei einer WM zu gewinnen für die jeweiligen Teams deutlich höher.

Zur Startseite