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Pike, Schuss und Tor! Der Chilene Charles Aranguiz führt diese Art der Schusstechnik vorbildlich vor.

© AFP

WM 2014: Sensationeller Siegeszug der Pike: Die hässlich-schöne Schusstechnik

Eigentlich ist sie als Schusstechnik im Fußball geächtet: die Pike. Aber bei dieser WM in Brasilien erleben wir lauter Tore, die mit der Fußspitze erzielt werden. Dies geht einher mit dem Comeback der Gerd-Müllerschen-Abschlusstechnik.

Es ist eine erstaunliche Auferstehung, eine Art "Hässliches-Entlein-wird Prinzessin"-Geschichte. Bei dieser Weltmeisterschaft ist der Siegeszug der Pike in Brasilien offensichtlich unaufhaltbar. Kaum eine Schusstechnik ist im Fußball so verpönt und geächtet, wie der Schuss mit der Fußspitze - Pieke, Pike oder Picke genannt -, aber in den bisherigen Spielen haben wir nun schon drei Tore mit dieser Art des Schusses gesehen.

Gleich im ersten Spiel das erste Beispiel: Es lief bereits die 90. Minute, Brasilien führte dank eines unberechtigten Elfmeters mit 2:1 gegen Kroatien, da setzte sich Brasiliens Oscar im Halbfeld durch und lenkte den Ball mit seiner rechten Pike flach ins linke Eck. Die Entscheidung.

Die bisher schönsten, ja geradezu edlen Pike-Schüsse dieser WM aber haben die Chilenen erzielt, und damit ausgerechnet die Technik-Freaks aus Spanien besiegt. Wobei das erste Tor durch Eduardo Vargas keine klassische Pike war, sondern eher ein abgerutschter Spannstoß, wobei er den Ball sehr weit unten traf - halb Pike sozusagen. Wichtiger noch als diese Schusstechnik im Speziellen ist die Tatsache, dass es überraschend viele schnelle Torabschlüsse in den Strafräumen gibt.

Eine Art Pike-Außenristtor

Nicht nur die Pike feiert damit ein Comeback, sondern die, nennen wir sie "Gerd-Müllersche-Abschlusstechnik" vor dem Tor. Dafür war der zweite Treffer der Chilenen ein wunderbares Beispiel - für schnelles Reagieren im Strafraum. Als Spaniens schlecht aufgelegter Casillas den Ball mit beiden Fäusten vor die Füße von Charles Aranguiz abwehrte, stoppte dieser kurz, um den Ball dann blitzschnell mit der Pike ins Tor zu stiefeln. Dabei traf er den Ball mit der rechten Außenseite, also eine Art Pike-Außenristtor.

Der Mann für die schnellen Torabschlüsse bei dieser WM aber heißt ja tatsächlich Müller, Thomas Müller, seine Tore zwei und drei gegen Portugal waren keine Pike-Tore, aber ähnlich blitzschnelle Reaktionstore wie die der Chilenen. Die Tagesspiegel-Kolumnistin und TV-Moderatorin in Brasilien für Sky, Monica Lierhaus, schrieb gerade erst: "Von Thomas Müller können sich einige bei uns im Team eine Scheibe abschneiden." Sie meinte vor allem Mario Götze und Mesut Özil, die beide bisher nicht unbedingt für Effektivität und Konsequenz im Strafraum standen.

Weidenfeller wusste es schon immer

Allerdings ist es nicht so, dass Mario Götze das gar nicht könnte. Im Gegenteil: Im Hinspiel der vergangenen Bundesliga-Saison erzielte er ausgerechnet gegen seine früheren Dortmunder Teamkollegen das 1:0. Tolle Ballannahme mit der linken Innenseite, schneller Abschluss mit der rechten Pike. Tor! Am Ende gewann Bayern 3:0 gegen Dortmund. Auf der Gegenseite wurde vielleicht Torwart Roman Weidenfeller von diesem Tor inspiriert, denn in der Rückrunde kritisierte er seine Mannschaft mit den Worten: "Wir müssen den Ball auch mal mit der Pike reinmachen."

Berühmte Vorbilder gibt es zu Genüge. Auch ein Ronaldo, der brasilianische, schoss etwa bei der WM 2002 im Spiel gegen die Türkei ein Tor mit dieser Technik. Selbst Messi ist sich nicht zu schade, im Zweifel, wenn es eben schnell gehen muss, auf diese Art abzuschließen.

Die Pike hat übrigens im Futsal längst eingang gefunden in die "normale" und anerkannte Schusstechnik. Denn dort steht die Pike eher für technische Fertigkeit auf engem Raum. Im herkömmlichen Sinne, also als Schusstechnik draußen, sollte sie außerhalb des Strafraums tatsächlich nicht angewandt werden. Deshalb werden schon die kleinsten Fußballer ab der G-Jugend ermahnt, wenn sie den Ball mit der Pike treffen. Draußen, beim Kicken auf der Straße, haben Pike-Tore übrigens nie gezählt.

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