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Anstößchen. Löw und seinem Team bleiben keine drei Wochen mehr bis zur WM. „Das hier ist kein Lazarett, sondern immer noch ein Trainingslager“, sagt er. Foto: dpa

© REUTERS

WM 2014 -Trainingslager: Joachim Löw konzentriert sich auf die Taktik

Bundestrainer Joachim Löw wird in der verbleibenden Zeit im Trainingslager an der Taktik feilen und auf einen anderen Fußball als den in Europa vorbereiten. Kapitän Philipp Lahm und Manuel Neuer werden dabei aber nicht mitmachen können.

Am Montagvormittag musste Kevin Großkreutz auch ganz offiziell und unter Zeugen Wasser lassen. Die Aufregung vom Vortag hatte sich gerade gelegt, da stand plötzlich überraschender, weil unangekündigter Besuch auf der Matte des Mannschaftshotels in St. Martin. Eine Abordnung des Fußball-Weltverbandes Fifa hatte sich auf den Weg ins vom Regen heimgesuchte Passeiertal gemacht. Nicht allerdings wegen des Zwischenfalls des Dortmunder Profis, dieses Mal waren sie alle dran. Guten Tag, meine Herren, zur Dopingkontrolle, bitte.

Allen anwesenden 25 deutschen Fußball-Nationalspielern wurden in der Früh Urin und Blut abgenommen, was den geplanten Tagesablauf leicht durcheinander wirbelte. Aber auch das kann den turniererprobten Bundestrainer nicht weiter aus der Bahn werfen, wo doch die deutsche Öffentlichkeit inzwischen denken müsse, dass „wir hier in einem Lazarett sind“, wie es Löw empfindet. „Aber es ist immer noch ein Trainingslager.“

Nun ist der 54-Jährige über Nacht kein anderer Mensch geworden, erst recht kein Träumer. Dass Kapitän Philipp Lahm, Torwart Manuel Neuer und Bastian Schweinsteiger in den restlichen Tagen in Südtirol vermutlich kein einziges Mal gegen den Ball treten werden, dürfte Löw als mindestens misslich empfinden. Gleichwohl fordert er in diesen Fällen Ruhe und Gelassenheit. „Wir werden mit einer guten und konkurrenzfähigen Mannschaft nach Brasilien reisen“, sagte Löw und ließ keinen Zweifel daran, dass er auch jene angeschlagenen und auch in Bälde nicht voll belastbaren Führungsspieler im Flieger zur WM sieht.

Die bis dahin auszutragenden Testländerspiele gegen Kamerun (1. Juni) und Armenien (6. Juni) werden aller Voraussicht nach für diese drei Spieler zu früh kommen. Dennoch rechnet Löw fest mit ihrem Mitwirken in Brasilien. „Ich sehe bei ihnen keine dauerhaften Probleme, sondern nur kurzfristige“, sagte Löw.

Begeistert klang das nicht, aber zumindest habe er sie bei den mindestens ebenso wichtigen Teamsitzungen dabei, wenn es im Theoretischen um Spielanalysen und teamtaktische Dinge geht. Denn man müsse insgesamt schon noch an einigen Dingen arbeiten, wie sich Löw ausdrückte: „Dinge, die wir beim Turnier unbedingt besser machen müssen.“

Es sind eben nicht nur die personellen Vakanzen, die Löw umtreiben. Auch ihm ist nicht entgangen, dass die Leistungen seiner Mannschaft in der jüngeren Vergangenheit zu beliebig waren. Dass die Mannschaft zu selten defensiv stabil wirkte und jene offensive Wucht entwickeln und Raffinesse verbreiten konnte, die sie beim vergangenen Weltturnier in Südafrika ausgezeichnet hat. „Wir haben in den letzten Jahren nicht die Performance gehabt wie 2010“, sagte Löw.

Bei der WM wird es eine andere Art von Fußball geben

Die leise Sehnsucht danach, die gestern beim Bundestrainer durchklang, ist nicht unbegründet. Besonders das seinerzeit nahezu perfekt vorgetragene schnelle Umschaltspiel, das der Nationalelf irgendwie abhanden gekommen ist, soll wieder stärker in den Mittelpunkt ihres Tuns rücken. „Uns ist in den letzten Spielen nicht immer gelungen, mit höchstem Tempo in den gegnerischen Strafraum zu kommen.“ Die Mannschaft habe zu viel Ballbesitzfußball gespielt und dadurch immer wieder gute Chancen verpasst.

Ohnehin werden die Bedingungen bei der Weltmeisterschaft in Brasilien Einfluss auf die Spielweisen der Mannschaften nehmen, besonders jener aus hiesigen Breiten. „Es wird schon eine andere Art von Fußball sein als der, den wir aus Europa kennen. Ein Fußball, der nicht dieses Tempo hat, wie wir es aus der Champions League kennen.“ Vor einem Jahr hatte Löw zur fast gleichen Zeit einige Spiele beim Confed-Cup besucht und dabei keine Mannschaft gesehen, die über 90 Minuten beispielsweise ein hohes Pressing spielen konnte, wie er berichtete. „Wir werden unsere Spielweise etwas anpassen müssen“, sagte Löw.

Weniger die sommerlichen Temperaturen im Nordosten des WM-Gastgeberlandes, wo die deutsche Elf ihre drei Vorrundespiele bestreitet, bereiten dem Bundestrainer Kopfschmerzen. Trockene Hitze wäre gut verträglich, die hohe Luftfeuchtigkeit sei aber eine Belastung. „Wir brauchen deshalb widerstandsfähige und willensstarke Spieler, die die Bedingungen annehmen und nicht lamentieren.“

Für die verbleibende Zeit im Trainingslager wird Löw mit seiner Auswahl nun schwerpunktmäßig ein paar fußballtaktische Dinge aufarbeiten. Besonderes Augenmerk liege dabei auf dem Spiel der Mannschaft im letzten Drittel, auf den richtigen Laufwegen, auf schnellen und klaren Spielzügen sowie der defensiven Organisation.

„Wenn wir zu einem Turnier fahren, wünscht sich das Land den Titel“, sagte Löw. Diesen Druck werde seine Mannschaft auch mental aushalten. An allem anderen werden das Team und er ehrgeizig arbeiten, wohl auch noch nach der Landung in Brasilien. Dort verbleibt der Nationalmannschaft bis zu ihrem Auftaktspiel gegen Portugal (16. Juni) eine weitere Woche. Denn am Ende, so sagte es Löw, sei es wichtig, „dass man auf Spieler zählt, die hundert Prozent fit sind“.

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