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Selbst der Bomber kommt nicht durch. Die DDR gewinnt 1:0.

© AFP

WM Analyse: Lieber nicht Platz eins?

Wie damals gegen die DDR? Manchmal ist es besser, Zweiter in der Vorrundengruppe zu werden. Stefan Hermanns analysiert die Möglichkeiten der Deutschen und einiger anderer vermeintlicher Spitzenteams.

Genau rekonstruieren lässt sich die Angelegenheit 36 Jahre danach nicht mehr. Aber Berti Vogts meint sich zu erinnern, dass die frohe Nachricht die Mannschaft auf dem Weg nach Hamburg erreichte. Chile und Australien hatten sich bei der WM 1974 im letzten Vorrundenspiel 0:0 getrennt, damit stand schon vor der Begegnung der Bundesrepublik gegen die DDR fest, dass beide Mannschaften sicher weiter waren. Es ging nur noch um Platz eins oder zwei und damit die Frage, auf welche Gegner man in der nächsten Runde treffen würde. Vogts hat die Diskussionen noch im Ohr: „Vielleicht ist es gar nicht schlecht, wenn wir Zweiter werden, dann kommen wir in die leichtere Gruppe.“ Statt Holland, Argentinien und Brasilien würden es die WM- Gastgeber mit Jugoslawien, Schweden und Polen zu tun bekommen. So kam es auch. Aber dass das so gewollt war, will Jürgen Sparwasser, der Torschütze zum 1:0 für die DDR, nicht glauben. Das klingt ihm zu sehr nach nachträglicher Rechtfertigung einer peinlichen Niederlage.

Wie auch immer es war: Taktieren gehört zum Geschäft, und selten schien die Notwendigkeit so groß zu sein wie bei der WM in Südafrika. Bedingt durch die anfängliche Schwäche der Favoriten Spanien, Italien und England ist der gedachte Turnierplan ein wenig in Unordnung geraten. Schon im Achtelfinale könnte es mehrere Begegnungen geben, die eines Endspiels würdig wären. Geborene Gruppenerste müssen froh sein, sich überhaupt für die nächste Runde zu qualifizieren – sollten sie es schaffen, droht ihnen gleich im Achtelfinale ein fetter Brocken.

Als nach der Auslosung die Szenarien für die Zeit nach der Gruppenphase durchgespielt wurden, hieß es, dass Deutschland im Achtelfinale auf England stoßen könne. Die Furcht vor diesem Duell war hierzulande allerdings nicht besonders groß. Das liegt weniger daran, dass es im Zweifel ja noch Elfmeterschießen gibt, sondern dass beide Teams als Gruppenerste eingeplant waren. Danach sieht es bei den Engländern noch weniger aus als bei den Deutschen. Doch wie minus mal minus plus ergibt, so könnte sich auch in diesem Fall das Schlechte zum Guten wenden: Auch wenn beide Zweiter werden, verhindern Deutsche und Engländer ihr allzu frühes Rendezvous. Die Spanier haben wohl nicht so viel Glück. Sie würden als Zweiter vermutlich auf Brasilien treffen. Das Wunschendspiel der Fußballromantiker als Achtelfinale: Schlimmer geht’s kaum. Italien hingegen droht als Gruppenzweiter ein Duell mit Holland – oder umgekehrt. Die holländische Zeitung „NRC Handelsblad“ hat schon auf den Nachteil hingewiesen, den der Gruppensieg für die Elftal nach sich ziehen würde. Mit Italien aber hat das nichts zu tun. Die Reisewege bis zum Finale wären als Zweiter viel kürzer. Statt 2593 Kilometer müssten die Holländer nur 1051 zurücklegen. Stefan Hermanns

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